Torsten Albig „SPD und FDP haben etwas gemeinsam“

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„Im Kern finde ich es richtig, dass die stärksten Schultern auch die größten Lasten tragen müssen“

Wir halten fest: keine Steuerentlastung nach der Wahl mit der SPD.

Wir sollten den Menschen jedenfalls keinen Sand in die Augen streuen, indem wir etwa die Abschaffung des Soli als massive Steuerentlastung titulieren: Den abzuschaffen kostete rund 19 Milliarden Euro. Auf dem Gehaltszettel bringt das dem Durchschnittsverdiener unter 4000 Euro brutto gar nichts. Mit dem Geld könnten Sie alle Erzieherinnen in Deutschland, die heute sehr schlecht verdienen, endlich angemessen bezahlen. Oder Sie könnten jede zweite der maroden Schulen in Deutschland davon sanieren.

Und wie stehen Sie zur Vermögensteuer?

Ich mag den Begriff nicht sonderlich, er ist durch die Debatten der Vergangenheit sehr belastet. Im Kern finde ich es richtig, dass die stärksten Schultern auch die größten Lasten tragen müssen.

Keine Angst, dass Sie monatelang von der Union als Partei der Schröpfer durch die Wahlkampf-Manege gezogen werden?

Deshalb werden wir Sozialdemokraten immer eine Beitragsdebatte führen, keine Steuerdebatte. Wenn ein Deutscher das Wort Steuer hört, wird es für ihn ernst. Mir ist das skandinavische Denken da viel näher: Die sehen den Staat nicht als feindliche Krake, sondern sich selbst als Teil eines Systems, das für alle in allen Lebenslagen anständig funktionieren soll – und zu dem jeder deshalb gern nach Kräften beiträgt.

Mit wem wäre diese Politik möglich? Sie klingen wie ein Fan von Rot-Rot-Grün.

Dann haben Sie mich missverstanden. Haben Sie das Wahlprogramm der Linken gelesen? Die sind für mich ganz weit weg. Das Ziel für uns ist doch klar: Das Namensschild am Kanzleramt muss rot sein, dafür braucht es zuallererst eine starke SPD. Und in jedem Lehrbuch für Wahlkampf lesen Sie ja, man soll vor Wahlen nicht laut über Koalitionen spekulieren. Aber ich halte mich ja nicht immer unbedingt an Lehrbücher: Ich höre zum Beispiel viel Gutes aus Rheinland-Pfalz.

Das hat es noch nie gegeben: Martin Schulz erhält bei der Wahl zum SPD-Chef alle gültigen Stimmen. Auf dem „Krönungsparteitag“ in Berlin präsentiert sich die Partei wie im Rausch.

Na bitte, ein Plädoyer für eine Ampel-Koalition im Bund. Nur: Bei dem, was Sie eben zu Steuern erzählt haben, dürften sich bei FDP-Chef Christian Lindner alle Nackenhaare aufstellen.

Bei Lindner in Reinkultur ginge mir das wahrscheinlich genauso. Aber Koalitionsverträge sind etwas anderes als Wahlprogramme. Also ginge es – um mal in Ihrem Bild zu bleiben – darum, dass nach der Wahl alle ihre Nackenhaare wieder glatt streichen. In Rheinland-Pfalz funktioniert die Ampel doch sehr gut. Sozialdemokraten und Liberale haben – im Gegensatz zu den Konservativen – etwas gemeinsam: Wir wollen, dass wieder etwas passiert im Land.

Vor einiger Zeit haben Sie Angela Merkel doch noch als „ausgezeichnete“ Kanzlerin gelobt. Was ist passiert?

Wie sie das Amt interpretiert, ist in meinen Augen bemerkenswert, und das erkenne ich weiterhin an. Die Bürger mögen ihren präsidialen Stil. Gut für uns, dass diese Aura gerade von ihren eigenen Leuten zerstört wird. Der Horst-Seehofer-Effekt ist doch mindestens ebenso groß wie der Martin-Schulz-Effekt. Seehofer ist wie ein U-Boot, das Merkel mit in die Tiefen zieht. Und ob bei diesem U-Boot alle Fugen dicht sind, wage ich zu bezweifeln.

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