Tourismus nach dem Terror Neu entbrannte Heimatliebe

Die Deutschen verbringen ihren Urlaub gerne im warmen Süden – vor allem in der Türkei. Doch der Terror hat vieles verändert, auch die liebsten Reiseziele der Deutschen. Sie zieht es nun stärker in bekannte Gefilde.

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Besonders Bayern ist beliebtes Urlaubsziel bei den Deutschen. Quelle: dpa

Düsseldorf Noch bis Ende Mai hatte es so ausgesehen, als fassten Deutschlands Touristen wieder Vertrauen in das Urlaubsland Türkei. Nach einem Anschlag auf eine deutsche Urlaubsgruppe, der im Januar zehn Todesopfer forderte, waren die Buchungen für das Land zunächst abrupt eingebrochen. Reisekonzerne wie Tui meldeten zeitweilig einen Rückgang von 40 Prozent.

Im Juni dann ließen Wettbewerber wie FTI durchblicken, dass die Türkei-Reisen wieder anzögen. Knapp fünf Monate, nachdem deutsche Urlauber am Bosporus durch islamischen Terror starben, erreichte der Urlauberzustrom aus Deutschland fast wieder das hohe Niveau des Vorjahres.

Den ersten Rückschlag brachte Ende Juni ein Terroranschlag auf den Istanbuler Flughafen, dem 36 Menschen zum Opfer fielen. Kurz darauf putschte das Militär gegen die Regierung – wenn auch erfolglos. Das seitdem dort herrschende Chaos sorgt dafür, dass die Türkei – nach Spanien, Italien und Österreich das viertwichtigste Urlaubsland der Deutschen – als Destination faktisch ausfällt.

Schon der Monat Juni, hieß es dazu von der Regierung in Ankara, habe 40 Prozent unter Vorjahr gelegen. Der Juli dürfte noch weitaus schlechter ausgefallen sein.

Wohin die Deutschen stattdessen reisten, hat der Kölner Reisedienstleister TrevoTrend ermittelt, der täglich Millionen Buchungsanfragen aus Reisebüros und großen Webseiten auswertet. Danach lag Bulgarien beim Zuwachs an der Spitze. Das Land am Schwarzen Meer begrüße 2016 rund 56 Prozent mehr an Bundesbürgern.

Auch die griechischen Inseln Kreta (plus 48 Prozent), Rhodos (plus 43 Prozent) und selbst das flüchtlingsgeplagte Eiland Kos (plus 36 Prozent) gehörten zu den Gewinnern. Balearen und Kanaren lagen in der Gunst der Deutschen rund ein Fünftel über dem Vorjahr.


Gefühlte Unsicherheit

Von dem Putsch in der Türkei profitieren die Topziele allerdings nicht. „Ich kann nur vermuten, dass es dort mittlerweile kaum noch Kapazitäten gibt“, erklärte dazu TrevoTrend-Experte Philipp Weiser.
In den Tagen nach dem missglückten Staatsstreich in Ankara schnellten die Buchungszahlen am stärksten für die ägyptische Region um Sharm el Sheik nach oben. Dort hatten im vergangenen Jahr ebenfalls islamistische Anschläge die Urlauber vertrieben. Gleiches gilt für Tunesien, wo die Zahl der Buchungen nach den Tumulten in der Türkei um 20 Prozent kletterten.

Als weitere Ausweich-Destinationen ermittelten die Kölner die griechische Halbinsel Chalkidiki, das spanische Festland und das Fernziel Thailand. Hier ging es jeweils beim Buchungsniveau um ein Viertel nach oben.
Zu den Profiteuren der Terrorangst gehört nicht zuletzt der deutsche Heimatmarkt. „Urlaub im eigenen Land liegt im Trend“, sagt Nicole von Stocker, Sprecherin des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW). Waren es zuletzt vor allem ausländische Touristen, die den Boom im Urlaubsland Bundesrepublik anheizten, sind es nun auch die Deutschen selbst.

Von Januar bis Mai – neuere Zahlen gibt es beim Statistischen Bundesamt noch nicht – stieg die Übernachtungszahl internationaler Touristen in Deutschland um 4,4 Prozent, doch auch die Einheimischen buchten 3,9 Prozent mehr Übernachtungen als im Vorjahreszeitraum.

Sprunghafte Zuwächse gab es insbesondere in Bayern. Die Fränkische Schweiz, das Allgäu und die Zugspitz-Region legte im Jahresvergleich rund elf Prozent zu. Zu den großen Gewinnern zählte zudem die Mecklenburgische Ostseeküste – mit einem Übernachtungsplus von 6,4 Prozent.

An manchen Orten hinterlässt die gefühlte Unsicherheit allerdings auch hierzulande Spuren. In Köln, wo es in der Silvesternacht massenhaft zu Ausschreitungen gegen Frauen gekommen war, gingen die Besucherzahlen bis Mai um 5,2 Prozent zurück. „Möglicherweise werden die Übernachtungen auch in München in den nächsten Wochen weniger werden“, fürchtet BTW-Sprecherin von Stockert. Zahlen lägen dazu aber noch nicht vor.

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