Treffen der NRW-Jugendgruppe Junge Alternative will Journalisten kontrollieren

Für eine Veranstaltung der AfD-Jugendorganisation sollen Medienvertreter sich verpflichten, ihr Schildchen immer brav sichtbar zu tragen und zu tun was der Ordnungsdienst sagt – oder eine saftige „Vertragsstrafe“ droht.Jetzt reagiert der Deutsche Journalistenverband.

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UKIP-Chef Nigel Farage hat sich für das Treffen der Jungen Alternative in Köln angekündigt. Quelle: REUTERS

Der Andrang wird groß sein, wenn sich am Donnerstag die NRW-Jugendgruppe der AfD, die Junge Alternative, im Kölner Maritim-Hotel trifft. Denn ein prominenter Gastredner hat sich angekündigt. Nigel Farage, Chef der britischen Unabhängigkeitspartei UKIP, wird kommen. In der AfD ist der Mann umstritten, einige wünschen sich eine stärkere Zusammenarbeit mit den gemäßigten Rechtspopulisten aus Großbritannien, Parteichef Bernd Lucke lehnt das bisher ab. Sein Auftritt am Donnerstag könnte endgültigen Aufschluss darüber geben, ob eine Kooperation möglich ist. Und so haben sich gleich eine ganze Reihe von Medienvertreter angekündigt, um den Auftritt mitzuerleben.

Doch die AfD und die Medien, das ist schon länger eine komplizierte Beziehung. Beim jüngsten Programmparteitag hatte Bernd Lucke zu einer umfassenden Schelte gegen eine gleichgeschaltete Presse ausgeholt und damit die aufgebrachte Partei auf seine Seite gezogen. An einem verunglimpfenden "FAZ"-Artikel hatte sich die Partei zuvor wochenlang abgearbeitet. Und als im Januar ein WiWo-Redakteur gegen den Wunsch bei der Aussprache auf einem Regionalparteitag in Hessen gegen die Aufforderung der Versammlungsleitung einfach im Saal blieb, erntete er wütenden Protest.

Ein Screenshot zeigt einen Auszug aus der Pressevereinbarung der Jungen Alternative. Quelle: Screenshot

So etwas soll der AfD diesmal nicht passieren. Zwei Tage vor der Kölner Veranstaltung verschickte die Junge Alternative an alle Pressevertreter einen Vertragsentwurf, der es in sich hat (siehe Bild). Jeder Medienvertreter soll den Schrieb am Donnerstag „unterschrieben, gestempelt beziehungsweise gesiegelt und getackert“ mitbringen. Doch nicht nur das „Siegel“ klingt eher nach Zeiten der Feudalherrschaft denn nach Parteiendemokratie.

In der „Vereinbarung“ wird dann detailliert beschrieben, wie Bild- und Tonaufnahmen zu veröffentlichen seien. Zu lang (zehn Minuten!) dürfen sie nicht sein. Versammlungsteilnehmer die das nicht wollen, sollen nicht abgebildet werden. Ein Jahr nach der Veranstaltung müssen alle Bilder zudem wieder gelöscht werden. Videos mit einer Länge von mehr als drei Minuten? Nur unter „unmittelbarem“ Verweis auf die Internetseite der „Jungen Alternative“. Und natürlich: „Diese Vereinbarung kann vom Veranstalter jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.“

Dass diese Vorgaben im redaktionellen Alltag niemals umzusetzen sind, ist wohl noch das am wenigsten Verwunderliche an den Zeilen. Denn auch das Verhalten der Pressevertreter auf der Veranstaltung will die Partei kontrollieren. In Punkt neun soll sich der Pressevertreter verpflichten, „die vom Veranstalter ausgehändigten Umhängeschilder während der gesamten Dauer der Veranstaltung deutlich sichtbar zu tragen“. Weisungen des Veranstalters soll der Journalist während der gesamten Zeit „unverzüglich Folge leisten“.

Sollte ein Journalist jetzt dennoch die Dreistigkeit besitzen, zum Beispiel einen Mantel oder Schal zu tragen und damit sein Umhängeschild zu verdecken, hat die Partei vorgesorgt. In Punkt elf geht es um Vertragsstrafen: „Im Falle der Zuwiderhandlung verpflichtet sich das Presseorgan zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von zehntausend Euro an den Veranstalter. Weitere Schadensersatzforderungen bleiben hiervon unberührt.“

Inzwischen hat sich der Deutsche Journalistenverband (DJV) eingeschaltet. In einer Erklärung kritisiert der Verbandsvorsitzende Michael Konken: „Das stellt einen klaren Verstoß gegen die Pressefreiheit dar.“ Der Vertragsentwurf sei „völlig inakzeptabel“. Er forderte die Partei auf, dringend die grundgesetzlich garantierten Rechte von Journalisten zu akzeptieren.

Man kann gespannt sein, wie viele Journalisten das Papier am Ende wirklich unterschreiben, die juristische Wirksamkeit wäre ohnehin mehr als zweifelhaft. Aber ein Ziel haben die AfD-Sympathisanten auch so erreicht: Der selbsterklärte Anspruch der AfD als Partei der uneingeschränkten Meinungsfreiheit, des „Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen“, er ist wieder ein Stück weniger glaubhaft geworden.

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