Trittin, Dobrindt, Spahn, Lindner Diese Politiker können zu einem Risiko für Jamaika werden

Bereits die Sondierungsgespräche für eine mögliche Jamaika-Koalition im Bund gestalten sich schwierig. Doch das Schicksal der zukünftigen Regierung hängt nicht nur von Inhalten, sondern auch von einigen Akteuren ab.

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Das Wahlergebnis legitimiert eine schwarz-gelb-grüne Regierung, doch noch ist das Bündnis alles andere als sicher. Quelle: dpa

Berlin Zu Beginn der zweiten Jamaika-Sondierungswoche ist die Laune der Unterhändler wieder gestiegen. Aber nach den Erfahrungen der ersten Treffen werden vier Personen von den jeweils anderen Parteien mit etwas mehr Misstrauen betrachtet werden als andere: der Grünen-Politiker Jürgen Trittin, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn und FDP-Chef Christian Lindner. Dieses Quartett gilt – in unterschiedlicher Intensität – für den Erfolg der Gespräche zumindest als potenziell gefährlich.

Das Revival des Jürgen Trittin

Jürgen Trittin ist für viele Politiker der potenziellen Jamaika-Partner CDU, CSU und FDP ein rotes Tuch. Er kam in den 70er-Jahren vom Kommunistischen Bund zu den Grünen und ist bis heute eine der einflussreichsten Persönlichkeiten des linken Parteiflügels. Vor Jahren verband den jetzt 63-Jährigen eine herzliche Abneigung zu Union und FDP, in denen die Gründergeneration der Grünen oft Repräsentanten eines an Ausbeutung orientierten Kapitalismus und eines bürgerlichen Spießertums sahen.

In der Parteilinken gilt Trittin als Garant dafür, dass die Realos bei den Sondierungen nicht zu viel Parteisilber für eine Regierungsbeteiligung opfern. Er steht für Gerechtigkeit, die neben Klimaschutz der zweite Schwerpunkt des grünen Wahlprogramms war. Der Ruf als Bremser hängt Trittin seit den gescheiterten schwarz-grünen Verhandlungen nach der Bundestagswahl 2013 an. Auch Grüne wie der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer werfen dem damaligen Spitzenkandidaten vor, die Sondierungen vor die Wand gefahren zu haben. Trittin weist das zurück, zuletzt im SWR: „Anders als Boris Palmer war ich damals dabei. Er erzählt halt dummes Zeug.“

Möglicherweise bewog Trittins Rolle 2013 die jetzige Spitzenkandidatin und Reala Katrin Göring-Eckardt dazu, im August zu erklären, bei Koalitionsverhandlungen habe Trittin nichts verloren. Sie wurde umgehend zurückgepfiffen, und jetzt gehört Trittin zu den 14 Mitgliedern der Grünen-Verhandlungskommission. So verhandelte er das Finanzpapier am Dienstag mit aus. Trittin war allerdings auch der Auslöser des ersten Jamaika-Streits, weil er kurz nach der Veröffentlichung des Papiers betonte, es sei offen, ob ein ausgeglichener Haushalt wirklich erreicht werden könne.

Der Skeptiker Alexander Dobrindt

Auf CSU-Seite ist bisher der frühere Verkehrsminister und jetzige Landesgruppenchef als wichtigster Skeptiker aufgefallen. Dobrindt betont seine Vorbehalte fast täglich, wenn auch mit sinkender Vehemenz. „Optimismus alleine reicht nicht“, war etwa sein Fazit nach den Vorsondierungen. Dobrindt hat mit den Grünen heftige Schlachten um die Pkw-Maut oder in der Diesel-Affäre geschlagen.

Der frühere Generalsekretär hat aber auch einen anderen strategischen Blick. Denn im Herbst 2018 sind in Bayern Landtagswahlen – und Dobrindt ist im jahrzehntealten Anspruch der CSU sozialisiert, mit absoluter Mehrheit zu regieren. Eine Jamaika-Koalition mit den Grünen im Bund galt in seiner früheren Argumentation dafür nicht unbedingt als Plus.

Dobrindt gilt als Anhänger von CSU-Chef Horst Seehofer, dem er als Generalsekretär diente und dem er das Ministeramt und den neuen Posten als mächtiger Landesgruppenchef verdankt. Dennoch wird erwartet, dass er auch künftig am heftigsten gegen die Grünen schießen wird – und er sorgte am Donnerstag für das vorläufige Ende der Sondierungsrunde, als er den Grünen nach Teilnehmerangaben sagte, Jamaika werde nichts, wenn sie nicht einer Begrenzung der Zuwanderung zustimmten. Am Montag warnte er anders als Seehofer, die Grünen provozierten einen Abbruch der Gespräche.

Der ehrgeizige Mitverhandler Jens Spahn

Auf CDU-Seite vermittelt am ehesten Präsidiumsmitglied Jens Spahn den Eindruck des „enfant terribles“, der auch potenzielle Partner vergrätzen kann. So meldete er sich am Montag in der „Rheinischen Post“ mit der Forderung zu Wort, man solle die auf Druck der SPD in der großen Koalition beschlossene Rente mit 63 wieder abschaffen. Spahn hatte schon im Wahlkampf auch im eigenen Lager für Unmut gesorgt, weil er sich für eine Rente mit 70 ausgesprochen hatte.

Anders als Dobrindt, der bereits seinen Traumposten als CSU-Landesgruppenchef besetzt hat, will Spahn noch etwas werden – das bremst abweichendes Verhalten von den Wünschen der Parteispitze. Er rutschte durch den Wechsel von Wolfgang Schäuble auf den Posten des Bundestagspräsidenten als Finanzexperte in die Jamaika-Sondierungsverhandlungen.

Die Angst vor dem Absturz – Christian Lindner

FDP-Chef Lindner gilt als der mächtige Mann der Liberalen – und wird in Reihen der potenziellen Koalitionspartner nicht nur als Chance, sondern auch als Gefahr gesehen. Zwar loben viele CDU-Größen, dass er die FDP wieder in den Bundestag führte. Aber während Spannungen zwischen Grünen und FDP traditionell groß sind, zeigen auch etliche Unionspolitiker ein erhebliches Maß an Misstrauen.

Mal wird darauf verwiesen, dass er als Generalsekretär die frühere schwarz-gelbe Regierung verlassen und diese mit destabilisiert habe. Mal wird auf seine wiederholten Angriffe auf CDU-Chefin Angela Merkel etwa in der Flüchtlingskrise verwiesen. Zuletzt sprach sich Lindner im „Stern“ für eine Nachfolgedebatte aus.

„Es ist offensichtlich, dass Lindner Angst davor hat, dass die FDP in einer Koalition unter Merkel zerrieben werden könnte“, sagt ein CDU-Bundesvorstandsmitglied mit Hinweis auf das Scheitern der Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde vor vier Jahren.

Lindner wird zudem unterstellt, dass er eigentlich keine Regierungsbeteiligung anstrebe – vor allem keine zusammen mit den Grünen. In Nordrhein-Westfalen und im Bund habe nur der schnelle Rückzug der SPD die Liberalen in Richtung Regierungsverantwortung getrieben. Lindner betont auch jetzt jeden zweiten Tag, dass die Chancen für ein Jamaika-Bündnis nur bei 50 Prozent stünden. Sollte sich die FDP absetzen, dann dürfte dies von Lindner selbst ausgehen, sagen Mitglieder der drei anderen Parteien. In der FDP wird diese Interpretation zurückgewiesen. Die Liberalen seien durchaus zur Übernahme von Verantwortung bereit – nur eben nicht um jeden Preis, heißt es in FDP-Parteikreisen.

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