Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin gerät in der Pädophilie-Affäre der Partei persönlich unter Druck. Als Stadtratskandidat in Göttingen verantwortete er 1981 presserechtlich das Kommunalwahlprogramm der dortigen Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL), das dafür warb, gewaltfreie sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen nicht mehr zu bestrafen. Den Vorwurf erheben die Politologen Franz Walter und Stephan Klecha in einem Beitrag für die Tageszeitung „taz“, die im Mai von den Grünen mit der Aufklärung der Pädophilie-Verstrickungen beauftragt wurden. 2014 soll der Abschlussbericht vorgelegt werden.
In dem nun bekannt gewordenen Bericht der taz heißt es, dass Trittin unter dem damaligen Kommunalwahlprogramm als eines von fünf Mitgliedern der Schlussredaktion aufgeführt sei. Der grüne Spitzenmann war damals Student und Göttinger Stadtratskandidat.
Trittin sagte dem Blatt dazu: „Franz Walter beschreibt die Sachlage zutreffend.“ Er sprach von einem Fehler, den er bedauere. Nicht nur die Grünen seien in ihrer Gründungsphase in den 80er Jahren organisiertem Druck von Interessengruppen ausgesetzt gewesen, die den Missbrauch von Kindern legalisieren wollten, erklärte Trittin. „Dies war in der Göttinger AGIL eher noch ausgeprägter. Es war gerade ihr Selbstverständnis, die Forderungen einzelner Initiativen - in diesem Fall der Homosexuellen Aktion Göttingen - eins zu eins zu übernehmen.“ Diesen falschen Forderungen sei die AGIL nicht energisch genug entgegengetreten. „Dies ist auch meine Verantwortung. Und dies sind auch meine Fehler, die ich bedauere.“ Das Programm zur Kommunalwahl 1981 habe man damals nicht hinterfragt: Es habe zu lange gedauert, bis diese Haltung korrigiert wurde. Es könne
keine Straffreiheit für Missbrauch geben. Walter und Klecha kritisieren zudem „die Sprachlosigkeit der grünen Führungsriege“ in der Affäre generell. „Sie legt einen gravierenden Verlust des zuvor so strotzenden Selbstbewusstseins offen - gerade in der moralischen Hybris, die Partei der Guten zu sein“, schreiben sie. Beklagt wird „ein Gemisch aus Ratlosigkeit, Lähmung, ja: Furcht vor der Debatte“.
Parteichef Cem Özdemir sagte am Montag in Berlin, die Veröffentlichung zeige, dass die Grünen mit der Bitte an Walter den richtigen Schritt getan hätten. „Wir wollten ja jemanden, der absolut unabhängig ist.“ Özdemir: „Er macht es so, dass er keine Rücksicht nimmt, auch nicht auf einen Wahltag. Das ist richtig so“, sagte er. „Alles muss aufgearbeitet werden.“ Das gelte auch über die Grünen hinaus.
Der CDU-Politiker Philipp Mißfelder forderte Trittin auf, Konsequenzen zu ziehen: „Herr Trittin soll sich wirklich überlegen, ob er der Richtige ist für diese Führungsaufgabe bei den Grünen.“ Die damalige Veröffentlichung nannte Mißfelder abscheulich.
In Fahrt gekommen war die Debatte , weil der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle die Festrede zu einer Preisverleihung an Daniel Cohn-Bendit abgesagt hatte. Der heutige Europapolitiker hatte 1975 in einem halb fiktiven Buch über seine Zeit als Erzieher geschrieben, es sei passiert, dass Kinder seine Hose geöffnet und ihn gestreichelt hätten. Cohn-Bendit bezeichnete die Äußerungen wiederholt als dumme Provokation.