Trotz verfassungsrechtlicher Zweifel Steinmeier unterzeichnet Bund-Länder-Finanzpaket

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das umstrittene Bund-Länder-Finanzpaket unterzeichnet - und das trotz verfassungsrechtlicher Zweifel am größten Reformwerk der Noch-Koalitionäre.

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Der Bundespräsident kritisierte im Zusammenhang mit der Autobahngesellschaft die Möglichkeit der Rückübertragung der Verwaltungsaufgaben vom Bund auf die Länder. Quelle: dpa

Berlin Trotz verfassungsrechtlicher Zweifel an der künftigen Autobahngesellschaft des Bundes hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesamtpaket der neuen Bund-Länder-Finanzbeziehungen unterzeichnet. Steinmeier kritisierte im Zusammenhang mit der Autobahngesellschaft die Möglichkeit der Rückübertragung der Verwaltungsaufgaben vom Bund auf die Länder, wenn ein Land dies beim Fernstraßen-Bundesamt beantragt.

Mit der Autobahngesellschaft will sich der Bund die Zuständigkeit für die bisher von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Bundesautobahnen zurückholen. Mit dieser Infrastrukturgesellschaft, die auch innerhalb der großen Koalition lange umstritten war, will der Bund für mehr Effizienz in Planung, Bau und Betrieb der Autobahnen und Bundesstraßen sorgen. Zusätzliche Privatisierungsschranken im Grundgesetz sollen eine Veräußerung der Gesellschaft und von Autobahnen durch die Hintertür zu verhindern.

Steinmeier äußerte am Montag nun „erhebliche Zweifel“ daran, dass sich der Bund per Grundgesetz diese Verwaltungsaufgaben zurückholt, es aber mit einem einfachen Gesetz (Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz Paragraf 3, Absatz 3) möglich macht, dass die Zuständigkeit wieder an die Länder übertragen werden könne. „Denn es spricht einiges dafür, dass die Rückübertragung von Verwaltungsaufgaben vom Bund auf die Länder nur dann zulässig ist, wenn das Grundgesetz dies in einer Öffnungsklausel vorsieht“, erklärte das Präsidialamt.

Der Bundespräsident bat den Angaben zufolge in einen Schreiben an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundestagspräsident Norbert Lammert und die Präsidentin des Bundesrates, Malu Dreyer (SPD/Rheinland-Pfalz) darum, die verfassungsrechtlichen Zweifel in dem Punkt auszuräumen. Er forderte, die Rechtslage klarzustellen, bevor die Änderungen im Grundgesetz und im entsprechenden einfachen Gesetz im Jahre 2021 zum Tragen kämen.

Trotz dieser Zweifel an einer Einzelvorschrift unterzeichnete der Bundespräsident das Gesamtpaket - vor allem wegen der Neuregelung der föderalen Finanzbeziehungen. Zudem würden in dem Gesetz auch neue Ansprüche von Kindern alleinerziehender Elternteile auf Unterhaltsvorschuss vom Staat geregelt. Die Unterzeichnung „geschah vor allem mit Blick auf die Gesamtkonzeption des Gesetzes als umfassendes sogenanntes Artikelgesetz einerseits und mit Blick auf die Befugnisse des Bundespräsidenten andererseits“, hieß es.

Der Bundespräsident kann ein Gesetz als Ganzes oder gar nicht ausfertigen. Die Gesetze wurden bis Anfang Juni von Bundestag und Bundesrat verabschiedet. Sie gingen dem Vernehmen nach erst am 19. Juli dem Bundespräsident zu.

Die seit Jahrzehnten umstrittenen Finanzströme zwischen Bund und Ländern werden ab dem Jahr 2020 neu geordnet. Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ist das größte Reformvorhaben der schwarz-roten Koalition in der im Herbst endenden Legislaturperiode. Mit der Reform erhalten die Länder von 2020 an jährlich 9,75 Milliarden Euro vom Bund - die Summe wird in den Folgejahren weiter steigen. Das ist deutlich mehr Geld als bisher.

Der Bund bekommt dafür mehr Eingriffsrechte - etwa bei Fernstraßen, in der Steuerverwaltung und bei Schul-Investitionen. Die neuen Regelungen sollen mindestens bis zum Jahr 2030 gelten.

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