Nach dem Zerwürfnis mit der Türkei wegen der Völkermordresolution des Bundestags hat das Auswärtige Amt eine Aufführung zu den Massakern an den Armeniern in der deutschen Vertretung in Istanbul abgesagt. „Die Räumlichkeiten des Generalkonsulats in Istanbul stehen am 13. November nicht zur Verfügung“, hieß es am Dienstag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. An dem Termin wollten die Dresdner Sinfoniker ihr Stück „Aghet“ über den „Völkermord an den Armeniern“ im Osmanischen Reich vor gut 100 Jahren aufführen.
Zu der Absage kam es, nachdem die Sinfoniker den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan, Ministerpräsident Binali Yildirim, Außenminister Mevlüt Cavusoglu und Kulturminister Nabi Avci zu der Aufführung im Generalkonsulat eingeladen hatten. Aus dem Ministerium in Berlin verlautete dazu: „Einladungen zu der Veranstaltung sind ohne Beteiligung des Auswärtigen Amtes erfolgt.“
Ankara wehrt sich vehement gegen die Einstufung der Massaker als Völkermord. Im Juni hatte die Völkermordresolution des Bundestages zu einem schweren Zerwürfnis zwischen der Türkei und Deutschland geführt. Mit der Aufführung hätte nun neuer Streit gedroht - zumal die Aufführung durch den Veranstaltungsort im Generalkonsulat einen offiziellen Anstrich bekommen hätte. Die Türkei läuft seit Monaten Sturm gegen das Konzertprojekt „Aghet“, das von der EU und vom Auswärtigen Amt finanziell gefördert wird.
Erklärung zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern
„Im Auftrag des damaligen jungtürkischen Regimes begann am 24. April 1915 im osmanischen Konstantinopel die planmäßige Vertreibung und Vernichtung von über einer Million ethnischer Armenier. Ihr Schicksal steht beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von denen das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist. Dabei wissen wir um die Einzigartigkeit des Holocaust, für den Deutschland Schuld und Verantwortung trägt.“
„Der Bundestag bedauert die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches, das als militärischer Hauptverbündeter des Osmanischen Reichs trotz eindeutiger Informationen auch von Seiten deutscher Diplomaten und Missionare über die organisierte Vertreibung und Vernichtung der Armenier nicht versucht hat, diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen.“
„Den Deportationen und Massenmorden fielen nach unabhängigen Berechnungen über eine Million Armenier zum Opfer.“ (Begründungstext der Resolution)
„Bis heute bestreitet die Türkei entgegen der Faktenlage, dass der Vertreibung, Verfolgung und Ermordung der Armenier eine Planmäßigkeit zugrunde gelegen hätte bzw. dass das Massensterben während der Umsiedlungstrecks und die verübten Massaker von der osmanischen Regierung gewollt waren.“ (Begründungstext)
„Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf (...) die türkische Seite zu ermutigen, sich mit den damaligen Vertreibungen und Massakern offen auseinanderzusetzen, um damit den notwendigen Grundstein zu einer Versöhnung mit dem armenischen Volk zu legen, (...)“
„Aghet“ sollte in Istanbul in einer im Vergleich zu anderen Aufführungsorten entschärften Fassung aufgeführt werden. Bei der Gala sollte zudem eine armenisch-türkisch-deutsche Freundschaftsgesellschaft gegründet werden. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, die Aufführung sei verschoben. Ein neuer Termin wurde allerdings nicht genannt.
Die Regierung in Ankara kündigte Medienberichten zufolge wegen „Aghet“ kürzlich einseitig das EU-Kulturprogramm auf. Im April hatte die Türkei gefordert, dass die EU die finanzielle Förderung für das Projekt einstellt.
Nach der Völkermordresolution des Bundestages im Juni verweigerte Ankara deutschen Parlamentariern zunächst die Erlaubnis, Bundeswehr-Soldaten auf der Luftwaffenbasis Incirlik zu besuchen. Erst als die Bundesregierung die Resolution als rechtlich nicht verbindlich erklärte, entspannte sich die Lage. Bundestagsabgeordnete aus dem Verteidigungsausschuss konnten daraufhin Anfang des Monats wieder nach Incirlik reisen. Seit rund zwei Wochen wartet allerdings der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Jan van Aken, auf eine Besuchsgenehmigung von der türkischen Regierung.
In der ersten Novemberhälfte wollen die Dresdner Sinfoniker „Aghet“ in Belgrad und in der armenischen Hauptstadt Eriwan aufführen.