Türkei-Streit Gabriel wirbt bei Türken in Deutschland um Verständnis

Laut dem Außenminister könne die Regierung bei den Vorgängen in der Türkei nicht tatenlos zusehen. In einem Gastbeitrag warb Gabriel bei Türken in Deutschland um Verständnis - das Vorgehen richte sich nicht gegen sie.

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Außenminister Sigmar Gabriel. Quelle: dpa

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat bei den Türken in Deutschland um Verständnis für die härtere Gangart in den Beziehungen zur Türkei geworben. Die Bundesregierung könne nicht tatenlos zusehen, wenn "unbescholtene deutsche Staatsbürger ins Gefängnis gesteckt" würden, schrieb der SPD-Politiker in einem am Samstag in der "Bild" abgedruckten Gastbeitrag auf Deutsch und Türkisch.

In Deutschland leben rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. In der Türkei ergingen unterdessen laut einem Zeitungsbericht neue Haftbefehle gegen vier zuvor freigelassene Menschenrechtsaktivisten. Sie waren mit dem Deutschen Peter Steudtner festgenommen worden.

Deutschland werde die Zusammenarbeit und vor allem die wirtschaftlichen Hilfen für die Türkei auf den Prüfstand stellen "und auch in Europa für eine klare Haltung eintreten", schrieb Gabriel. "Nichts davon richtet sich gegen die Menschen in der Türkei und unsere Mitbürger mit türkischen Wurzeln in Deutschland." Die Freundschaft zwischen Deutschen und Türken sei ein großer Schatz. Die türkischstämmigen Menschen in Deutschland "gehören zu uns – ob mit oder ohne deutschen Pass".

Das Verhältnis zwischen den Regierungen beider Länder ist nach der Festnahme von Bundesbürgern in der Türkei und Drohungen gegen deutsche Unternehmen angespannt. Zudem verweigert die Türkei deutschen Abgeordneten einen Besuch bei Bundeswehr-Soldaten auf einem Nato-Stützpunkt. Das Auswärtige Amt verschärfte nun mitten in den Sommerferien die Reisehinweise für die Türkei. Die Türkei führt nach Reuters-Informationen aus Sicherheitskreisen eine Schwarze Liste mit 681 deutschen Unternehmen und Betrieben, die sie verdächtigt, terroristische Organisationen zu unterstützen.

Linkspartei fordert Aussetzung von Abschiebungen

Die Zeitung "Hürriyet" berichtete auf ihrer Internetseite, ein Gericht in Istanbul habe einem Einspruch der Staatsanwaltschaft gegen die Freilassung der vier Menschenrechtler stattgegeben. Sie waren am 5. Juli zusammen mit sechs weiteren Teilnehmern eines Workshop zu IT-Sicherheit und Stressbewältigung wegen angeblicher Terrorunterstützung festgenommen worden. Die Vierer-Gruppe kam am Dienstag zunächst wieder auf freien Fuß, während die sechs anderen in Gewahrsam blieben. Darunter ist der Deutsche Steudtner. In der Türkei sitzen nach Angaben des Auswärtigen Amtes vom Mittwoch neun Deutsche in Haft, darunter vier Deutsch-Türken.

Wegen der Verhaftung von Regierungsgegnern in der Türkei fordert die Linkspartei, Abschiebungen aus Deutschland in den Nato-Staat auszusetzen. "Wenn das Bundesaußenministerium davor warnt, in der Türkei Urlaub zu machen, muss es auch einen Abschiebestopp für türkische Staatsangehörige geben", sagte Parteichef Bernd Riexinger der "Welt". Das Innenministerium will dem Zeitungsbericht zufolge an der Rückführung abgelehnter türkischer Asylbewerber festhalten. Ende Mai waren laut "Welt" 6514 türkische Staatsangehörige in Deutschland ausreisepflichtig. Dabei handele es sich um straffällig gewordene Türken und abgelehnte Asylbewerber.

Aus der EU-Kommission gab es Unterstützung für den Kurs der Bundesregierung. "Die Reaktion Deutschlands ist verständlich", sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn der "Welt". Die Türkei bewege sich "trotz gegenteiliger Rhetorik de facto immer weiter weg von europäischen Standards". Auch der deutsche Außenhandelsverband BGE äußerte Verständnis. Verbandspräsident Anton Börner sagte der "Passauer Neuen Presse", der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan müsse auf den Weg der Vernunft zurückkehren: "Er schadet seiner Wirtschaft viel mehr als uns."


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