Türkische Spionage Verfassungsschützer verwahrt sich gegen Kritik

Die Spionage-Affäre um den türkischen Geheimdienst zieht weitere Kreise. Nun steht nicht mehr nur die Türkei im Fokus, sondern auch die Arbeit der deutschen Dienste. Die haben sich allerdings nichts vorzuwerfen.

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„Der deutsche Inlandsnachrichtendienst kommt auch im Bereich der Spionageabwehr seinem Auftrag angemessen nach“, sagt Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer. Quelle: dpa

Berlin Wollte der türkische Geheimdienst MIT tatsächlich Unterstützung vom deutschen Auslandsgeheimdienst BND bei der Fahndung nach Terroristen? Oder stecken andere Motive hinter der ominösen Liste mit angeblichen Verdächtigen? Seit Tagen wird über die Motive der Türkei gerätselt. Selbst die deutsche Spionage-Abwehr ist dabei in die Kritik geraten.

Aus der SPD wurde etwa der Vorwurf erhoben, die deutschen Dienste hätten in der Spionage-Affäre Versäumnisse begangen. Das aber weist der Präsident des Verfassungsschutzes in Thüringen, Stephan Kramer, scharf zurück. „Der deutsche Inlandsnachrichtendienst kommt auch im Bereich der Spionageabwehr seinem Auftrag angemessen nach“, sagte Kramer dem Handelsblatt. „Ausfluss dessen sind zum Beispiel strafrechtliche Maßnahmen der Generalbundesanwaltschaft.“ Aus Kramers Sich wäre es zudem „naiv, zu glauben, dass einzelne ausländische Nachrichtendienste nicht auch in Deutschland mutmaßliche Regierungsgegner der jeweiligen Staaten ausspionieren“.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte zuvor Kritik an den deutschen Diensten geäußert. „Ich frage mich natürlich auch, was hat unsere Spionageabwehr bisher gemacht?“, sagte Oppermann am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“ mit Blick auf die Spähaktion des türkischen Geheimdienstes. Sie müsse nicht nur den Staat, sondern auch die Bürger schützen. „Da ist wahrscheinlich einiges versäumt worden.“ Oder auch nicht. So genau weiß das derzeit niemand. Deshalb kursieren aktuell auch diverse Theorien, was der wirklich Anlass der türkischen Spähaktion gewesen sein könnte.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vermutet etwa eine gezielte Provokation hinter der Übergabe der Liste des türkischen Geheimdienstes mit angeblichen Staatsfeinden an den BND. Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Patrick Sensburg, wird noch deutlicher. Die vom MIT an den BND übergebene Liste sei „ein verseuchtes Geschenk“, sagte Sensburg dem Handelsblatt. „Es ist doch schon ungewöhnlich, dass der türkische Geheimdienstchef dem BND-Chef eine Hochglanzbroschüre mit Namen ausspionierter Verdächtiger in die Hand drückt und erwartet, dass die deutschen Dienste bei der Überwachung helfen“, fügte der CDU-Abgeordnete hinzu.

Er glaube eher, „dass die Namensliste als trojanisches Pferd gedacht war, um den deutschen Auslandsgeheimdienst aufs Glatteis zu führen“, sagte Sensburg weiter. „Das Vorgehen der türkischen Seite ist jedenfalls schräg und muss aufgeklärt werden.“


„Spionage ist kein Kavaliersdelikt“

In diese Richtung denkt auch de Maizière, zumal er es ebenfalls nicht für plausibel hält, dass die 356 Namen in der Hoffnung weitergegeben worden seien, vom BND Unterstützung bei der Fahndung nach Terroristen zu bekommen. An ein so „naives“ Vorgehen glaube er nicht.

Für den Spionageverdacht gebe es noch keine Beweise, aber „lange Hinweise“, sagte de Maizière. Sollten sich diese bewahrheiten, bedeute dies, „dass diejenigen, die hier spionieren, des Landes verwiesen werden, bestraft werden“. Derzeit ermittelt der Generalbundesanwalt.

Die Liste war Mitte Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz an den BND übergeben worden. Die aufgeführten Personen werden vom MIT als Anhänger oder Unterstützer des Predigers Fethullah Gülen angesehen. Darunter ist auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering.

Die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe machte dem MIT schwere Vorwürfe. „Es entsetzt mich jetzt zu sehen, mit welchen Methoden Menschen denunziert werden sollen“, sagte Müntefering der Nachrichtenagentur dpa. „Der Angriff trifft meines Erachtens allerdings nicht nur mich allein, sondern auch die Arbeit der Parlamentariergruppe insgesamt.“

Müntefering räumte Kontakte zur Gülen-Bewegung ein. Sie habe aber noch viel öfter mit Pro-Erdogan-Gruppen zu tun gehabt, sagte sie. „Keiner von beiden Gruppen stehe ich nahe, denn als deutsche Abgeordnete vertrete ich die Interessen unseres Landes im In- und Ausland.“

Die Gülen-Bewegung wird von der türkischen Regierung für den gescheiterten Militärputsch im vergangenen Sommer verantwortlich gemacht. Die deutschen Sicherheitsbehörden sehen dafür bisher keine ausreichenden Belege. Die Gülen-Bewegung wird auch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet.

Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach sich wie de Maizière für ein hartes Durchgreifen aus, falls sich der Spionageverdacht bestätigt. „Da muss mit der ganzen Härte des Gesetzes geantwortet werden“, sagte der CDU-Politiker im ZDF. „Spionage ist kein Kavaliersdelikt. Und wenn das von der Türkei gemacht worden ist, wird das natürlich auf strafrechtliche Konsequenzen haben.“

Der CDU-Abgeordnete Sensburg glaubt jedenfalls nicht an die von der SPD verbreitete Behauptung, die deutschen Dienste oder Innenminister de Maizière hätten in der Spionage-Affäre Fehler gemacht. „Die Kritik der SPD ist völlig oberflächlich und geht am eigentlichen Problem vorbei“, sagte der CDU-Politiker. „Dass die deutsche Spionage-Abwehr versagt hätte, sehe ich überhaupt nicht.“

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