TV-Duell Das harmonische Duell

97 Minuten standen sich Kanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz beim TV-Duell gegenüber. Mehr als die Hälfte der Zeit ging es um die Flüchtlingskrise. Viele Themen fehlten jedoch.

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Die TV-Debatte war das einzige direkte Aufeinandertreffen der Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf. Quelle: Reuters

Berlin 97 Minuten standen sich Kanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz beim TV-Duell gegenüber, die ersten 52 Minuten ging es vor allem um die Flüchtlingskrise.

Schulz griff Merkel für Ihre Entscheidung vom September 2015 an. „Die Flüchtlingswelle kam über Monate und Monate auf uns zu“, sagte Schulz. „Man hätte das in einer anderen Form vermeiden können.“ Merkel verteidigte sich. Man habe schnelle Entscheidungen treffen müssen, die sie auch wieder so treffen würde.

Bei einigen wenigen Angriffen blieb es jedoch. Über weite Teile blieb das Duell harmonisch. Angela Merkel nickte häufig zustimmend, wenn Schulz sprach. Viel Zustimmung gab es auch bei den Ja/Nein-Fragen zum Schluss der Sendung. Beide finden das Engagement von Altkanzler Schröder bei Rosneft schlecht, beide finden die Ehe für alle gut, beide halten es nicht für gut, dass die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar stattfinden soll. Beide sprachen sich für mehr Polizeibeamte aus und bestätigten einander, dass es Fehler beim Fall des Attentäters Anis Amri gegeben hat.

Differenzen gab es vor allem bei der Frage, ob die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden soll. Schulz versprach, dass er die Verhandlungen sofort beenden würde, wäre er Kanzler. Merkel hingegen betonte zwar, dass sie ja noch nie für eine Beitritt der Türkei zur EU war, man ein Ende der Beitrittsverhandlungen aber mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten absprechen müsse.

Sie stimmte zu, dass man mit Leuten wie dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan hart umgehen müsse. Aber sie gab auch zu Bedenken: „Wenn man Staatsbürger frei bekommen möchte, dann muss man schon im Gespräch bleiben.“

Einer ARD-Umfrage zur Halbzeit des TV-Duells zufolge lag Merkel in verschiedenen Aspekten vor ihrem Herausforderer: 44 Prozent fanden Merkel bis dahin überzeugender, 22 Prozent Schulz. Bei den Befragten, die für die Wahl noch unentschieden sind, lag Merkel mit 36 zu 31 Prozent vorn.

Innenpolitik nach einer Stunde ein Thema

Zur Innenpolitik kamen die Moderatoren erst ab 21.13 Uhr. Beide Kandidaten sagten, dass sie das Rentenalter nicht auf 70 Jahre erhöhen wollen. Viele Themen fehlten jedoch ganz, zum Beispiel wie die Kandidaten sich die künftige Wirtschaftspolitik vorstellen, auch das Zukunftsthema Digitalisierung wurde nicht behandelt.

Die Opposition kritisierte das TV-Duell auf Twitter. „Über 60 Minuten TV-Duell. Nix zu Klima, nix zu Bildung, nix zu Digitalisierung“, schrieb Grünen-Chef Cem Özdemir: „Wann geht's eigentlich mal um die Zukunft?“ Und Linkspartei-Chef Bernd Riexinger monierte: „Kein TV-Duell zu Niedriglöhnen, Befristungen, Leiharbeit. Dass muss man erst mal schaffen.“ Auch FDP-Chef Christian Lindner fragte: „Wieso gab es beim TV-Duell nichts zu Bildung, Digitalisierung, Euro, Energie, Klima, Innovation, Bürokratie?“

Stattdessen wurde viel über aktuelle Krisen gesprochen. Bei der Frage zur Bewältigung des Diesel-Skandals kritisierte Merkel wie schon zuvor die Autoindustrie scharf. „Ich bin entsetzt, ich bin stocksauer“, sage sie. „Ein Hauptpfeiler unserer deutschen Wirtschaft ist in Gefahr geraten.“

Schulz sprach sich dafür aus, den deutschen Verbrauchern Sammelklagen zu ermöglichen. „Es ist völlig klar, dass die Musterfeststellungklage kommen muss“, sagte Schulz. Merkel sprach an, dass es im Kapitalrecht bereits Sammelklagen gibt. „Auf der gleichen Grundlage könnte man Sammelklage auch für Dieselgate ermöglichen“, stellte sie in Aussicht. Sie kritisierte aber den bereits dazu vorgelegten Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Mass soll nun auch zu Dieselgipfel am Montag kommen, um darüber zu sprechen.

„Das war ein sachliches, aber kein entscheidendes Duell“, sagte Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider dem Handelsblatt. „Viele Gemeinsamkeiten, wenig Unterschiede. Bestimmt nicht der Start für eine Aufholjagd von Martin Schulz“, urteilte er. Auch Michael Spreng, Politikberater, sagte dem Handelsblatt, Martin Schulz habe zwar bei einigen Themen punkten können: Maut, Türkei, Rente. „Auch sein Schlussplädoyer war sehr gut“. Er habe also einige Punkte setzen können. „Aber diese Punkte waren nicht so stark, dass jetzt die Umfragen in die Höhe schießen.“

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