TV-Kritik Maischberger „Unserer Bevölkerung macht kulturfremde Einwanderung Angst“

In Sandra Maischbergers Talkshow wurde mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry und natürlich heftig durcheinander geredet. Neue Erkenntnisse gab es nicht – und doch hat die Sendung etwas richtig gemacht.

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Sandra Maischberger und Frauke Petry (AfD): Sollen Politiker und das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Wahlkampf mit der AfD reden oder nicht? Quelle: screenshot

Berlin Sollen Politiker und das öffentlich-rechtliche Fernsehen im Wahlkampf mit der AfD reden oder nicht? Diese Frage haben vor allem die rheinland-pfälzische SPD und die ARD-Anstalt SWR durch ihren merkwürdigen Umgang mit TV-Duellen vor den Landtagswahlen im März ganz oben auf die Tagesordnung katapultiert.

Bei Sandra Maischberger am späten Mittwochabend in der ARD wurde über die „Tabupartei AfD“, so der Sendungstitel, und mit deren Parteivorsitzender Frauke Petry geredet. Es wurde über 75 Minuten scharf und lebhaft durch- und gegeneinander gesprochen und heftig gestikuliert. Ob es geholfen hat, die AfD zu entlarven, wie ihre Gegner hofften, oder eher der in Umfragen aufstrebenden Partei – da gingen schon während der Show (etwa auf Twitter) die Meinungen auseinander.

Alle Diskutanten haben ihre Rollen erwartbar ausgefüllt, ihre Anhänger zufrieden gestellt und natürlich niemanden im Studio von einer anderen Meinung überzeugt. Aber immerhin, den ziemlich verhängnisvollen Eindruck, sie würden unbequeme Meinungen unterdrücken oder ausblenden, konnten sowohl die ARD als auch SPD widerlegen.

Für die Sozialdemokraten saß der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein im Studio. „So eine Partei führt unser Land ins Unglück“, sagte der Talkshow-Haudegen. Die AfD sei „mitverantwortlich dafür, dass jede zweite Nacht in Deutschland ein Flüchtlingsheim brennt“ und Frauke Petry bloß „ihr freundliches Gesicht in einer Talkshow“. Stegner zeigte Steckbriefe für Politiker anderer Parteien, die die Jugendorganisation der AfD veröffentlicht habe.

Sie persönlich würde ja keine Steckbriefe fabrizieren, doch „über die Stränge schlagen“ würden Jugendorganisationen aller Parteien, sagte Frauke Petry dazu. Die AfD-Vorsitzende zeigte neben Stegner, der auch für seinen oft missmutig wirkenden Gesichtsausdruck bekannt ist, gerne und oft ihr sarkastisch freundlich gemeintes Lächeln.

Internet-Gerüchte, denen zufolge Bundeskanzlerin Merkel in Kürze nach Chile auswandern müsse, zitierte sie nicht – anders als AfD-Sprecherin Beatrix von Storch am Sonntag in der Anne-Will-Show. Stattdessen sprach Petry von „kulturfremder und illegaler Einwanderung“, die „unser Bevölkerung“ Angst mache, verwendete den von CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich geschöpften Begriff „Schweigekartell“ und äußerte die Ansicht, die AfD sei „nie rechts unterwandert gewesen“.

Wer genau das behauptet: ihr Ex-Parteifreund Hans-Olaf Henkel. Der ehemalige BDI-Präsident, der 2014 noch für die AfD ins Europäische Parlament gewählt worden war, beklagte: „Wir wurden von Anfang an in die rechte Ecke geschoben, als wir noch keine rechte Partei waren.“ Später aber sei die Partei tatsächlich aus rechtsextremen Kreisen „systematisch unterwandert worden“.

Sein Fehler und der des ebenfalls ausgetretenen Parteigründers Bernd Lucke sei gewesen, zu spät darauf reagiert zu haben. Henkel nutzte außerdem die Gelegenheit, Positionen seiner und Luckes neuer Partei Alfa bekannt zu machen, etwa die Forderung nach einer nicht zentral, sondern von den Kommunen bestimmten Obergrenze für Flüchtlinge. Außerdem übte er scharfe Kritik an Merkel. Sie sei so „dramatisch nach links gerückt“, dass er sie „schon gar nicht mehr von Claudia Roth unterscheiden“ könne; im EU-Parlament würden „ausnahmslos alle nur noch mit dem Kopf schütteln über Deutschland“.


Wie Maischberger das Thema AfD anging

Nicht von einem Links-, sondern von einem „Rechtsruck in der Gesellschaft“, durch den die AfD groß geworden sei, sprach Jakob Augstein. Der Miteigentümer des „Spiegel“-Verlags, der bei „Spiegel Online“ die Kolumne „Im Zweifel links“ schreibt, zeigte sich erwartungsgemäß als schärfster AfD-Kritiker. „Sie sind das freundlich lächelnde Gesicht der Horden, die durch Dresden ziehen und da rumprügeln“, hielt er Petry vor, die dazu tatsächlich freundlich lächelte.

Augstein zeigte dagegen, wenn andere redeten, gerne einen gelangweilten Gesichtsausdruck. Eine noch schärfere Diskussion lieferte er sich mit dem zweifellos rechts stehenden Schweizer SVP-Politiker und Journalisten Roger Köppel. „Das ist ein 'Stürmer'-Cover!“ sagte er zur Titelstory „Kriminelle Ausländer in der Schweiz“ von Köppels Zeitschrift „Weltwoche“, die Maischbergers Redaktion groß im Hintergrund einblendete.

Von dem Schweizer war insgesamt am wenigsten zu hören im Talkshowstudio, in dem häufig derjenige seine Aussage zu Ende bringen konnte, der am beharrlichsten weitergeredet hatte. Aber selbstverständlich gab er Augstein Contra: „Wer nicht Ihrem salonlinken Weltbild entspricht, ist für Sie ein Rechtsextremer.“

Falls die Moderatorin einen Fahrplan für die Sendung gehabt hatte und einzelne Themen in einer bestimmten Reihenfolge besprechen wollte, so war dieser frühzeitig über den Haufen geschmissen worden. Sandra Maischberger misslang der Ansatz, Petry über die hypothetische Frage, wie sie mit ihren Kindern über zerbrochene Fenster sprechen würde, zu packen zu kriegen. Und manchmal schien sie unentschlossen, ob sie nun über schweizerische Themen reden lassen wollte oder lieber nicht.

Doch war sie um Resolutheit bemüht und setzte sich mitunter auch durch. Ein vergleichsweise experimenteller Einspielfilm, während dessen das Publikum raten sollte, welcher Partei der nur unscharf gezeigte Politiker angehört, dessen Aussagen zur Flüchtlingspolitik verlesen wurden (auch wenn Sigmar Gabriel an seiner Statur immer leicht zu erkennen ist), zeigte immerhin, dass rechts und links tatsächlich nicht per se als scharfe Begriffe taugen.

Kurzum: Es war weder eine dramaturgisch gelungene, noch eine besonders aufschlussreiche Talkshow – aber doch das richtige Thema zum richtigen Zeitpunkt, um zu zeigen, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen keine „Tabupartei“ kennt.

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