TV-Kritik Maybrit Illner Talken gegen Donald Trump

Moderatorin Maybrit Illner fehlte in der Runde – ebenso wie ein Anhänger der Trump-Politik. So einig wie in der ZDF-Sendung sind sich deutsche Talkshow-Gäste selten. Das allerdings hilft dem Zuschauer nicht zwingend.

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Die Zusammensetzung der Runde im ZDF überraschte doppelt. Quelle: Screenshot ZDF

Wenn deutsche Politiker politikinteressierte Zielgruppen erreichen wollen, diskutieren sie gerne in Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. So erreichen sie einige Millionen Zuschauer direkt und viele weitere indirekt durch Medien-Berichte über diese Sendungen. Das hat sich über viele Jahre eingespielt.

Der neue US-amerikanische Präsident erreicht über seinen Twitter-Account mehr als 23 Millionen Interessierte unmittelbar, ganz ohne sich auf Diskussionen einlassen zu müssen. Weitere Abermillionen können den Medienberichten über seine Tweets kaum entgehen. Das ist nur eine der radikalen Veränderungen, die Donald Trump in wenigen Tagen eingeführt hat. Auch in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstagabend ging es – unter dem Titel „Trumps Egotrip – Mauern gegen den Rest der Welt?“ – um Trumps radikal neue Politik-Methoden.

Die Zusammensetzung der Runde überraschte doppelt. Zum Einen war die erkrankte Illner gar nicht anwesend, sondern wurde durch den „Politbarometer“-Moderator Matthias Fornoff vertreten. Außerdem verblüffte die Gästeauswahl. In der mit Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), Grünen-Veteran Jürgen Trittin und Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart hochkarätig besetzten Runde war kein einziger Trump-Sympathisant vertreten. Eigentlich waren alle einer Meinung. Das erwies sich schnell als Problem der Sendung, das auch der freundliche Fornoff ganz ohne das Sticheln, das Illners Markenzeichen ist, nicht lösen konnte.

In der ersten Fragerunde äußerte Bernhard Mattes, Präsident der American Chamber of Commerce, der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland, Kritik an Trump, aber die Hoffnung auf weiterhin „gemeinsame Grundwerte“ mit den USA. Die junge Journalistin Mareike Nieberding formulierte Kritik an Trump und stellte die „Jugendbewegung“ für eine „offene Gesellschaft“ vor, die sie gerade gegründet hat.

Altmaier kritisierte Trump, sagte, dass weniger freier Welthandel „weniger Wohlstand“ bedeuten würde und referierte die bekanntgewordenen Inhalte von Bundeskanzlerin Merkels Telefonat mit Trump am Wochenende. Trittin stellte in Frage, dass Trumps Politik noch „in die Kategorie Normalität hineinpasst“. Steingart formulierte am prägnantesten den Zäsur-Charakter von Trumps Politik: Einen US-Präsidenten, „der uns nicht mehr wie Freunde behandelt“, habe es noch nie gegeben. Damit war alles gesagt. Größere Überraschungen als dass CDU-Mann Altmaier den Grünen-Kollegen Trittin inzwischen duzt und Mattes als Ford-Aufsichtsrat dementierte, dass die Ford-Entscheidung, eine Fabrik in Mexiko nicht zu bauen, mit Forderungen Trumps zusammenhängt, gab es nicht.

Stattdessen ließen vom ZDF vorbereitete Einspieler nochmals die bislang bekanntesten Zitate Trumps und seiner Entourage, von den wenigen in Deutschland zu sehenden Chevrolets bis zu den „alternativen Fakten“, Revue passieren. Zu einer Diskussion über eventuelle Nachteile der hohen deutschen Exportüberschüsse kam es nicht, obwohl Steingart darauf hinwies, dass die internationale Kritik daran „nicht völlig abwegig“ sei. Zu einer über bisher bekannte wirtschaftspolitische Pläne der Trump-Regierung kam es auch nicht, obwohl Trittin glaubt, dass etwa in der Finanzindustrie, in der „US-Konzerne Global Player sind“, Trump statt Protektionismus Deregulierung anstrebt.

Und eine Diskussion über eine gemeinsame Haltung der Europäischen Union kam ebenfalls kaum auf, obwohl Altmaier einige Formulierungen von atemberaubender Wohlfeilheit (dass „die Europäer erwachsen werden müssen“ und „die Nachkriegszeit vorbei“ sei) beisteuerte. Auch das Silicon Valley exportiere ja in die ganze Welt, sagte der Kanzleramtsminister und überhörte Fornoffs richtiges Argument, dass das iPhone ausschließlich in Asien gebaut wird, souverän.

Als am Ende Steingart im Gegensatz zu Altmaier die Ansicht anschnitt, dass Europa wirtschaftlich keineswegs gut da stehe („Italien wird das neue Griechenland“), brach Fornoff diesen Strang ab. Beinahe hätte der wenig routinierte Moderator den Schlenker zu Zuschauerkommentaren auf Twitter und Facebook unterzubringen vergessen, der doch zu jeder Talkshow gehört. Was leider nicht vorkam: der Tweet, den @realDonaldTrump wenige Stunden vor der Sendung abgesetzt hatte („Thank you, @Samsung! We would love to have you!“) und der Diskussionen über seine Wirtschaftspolitik und wie internationale Konzerne damit umzugehen versuchen, durchaus hätte befeuern können.

Fazit:

Es wird gern über krawallige Talkshows gelästert, in denen zu laut gestritten wird. Dass Talkshows, in denen zu viel Einigkeit herrscht, nicht besser sind, hat „Maybrit Illner“ ohne Illner bewiesen.

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