Twitter-Debatte in Sachsen Was nun, CDU?

Zweifelhafter Auftritt: Die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla hat mit Pöbel-Tweets ihren Ruf ramponiert. Trotzdem will sie erneut Direktkandidatin für die Bundestagswahl werden. Was macht die CDU-Basis?

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Nach ihrem Pöbel-Tweet gegen den türkischen Journalisten Can Gündar, will die CDU-Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla wieder für die Bundestagswahl kandidieren. Quelle: dpa

Leipzig Michael Weickert ist entschlossen. Das besagt sein Facebook-Status, und das bekräftigt der 26-Jährige vor einem Wahlkongress der CDU Leipzig an diesem Samstag, bei dem er der umstrittenen CDU-Bundestagsabgeordneten Bettina Kudla die Direktkandidatur für den Wahlkreis Leipzig I zur Bundestagswahl streitig machen will. Weickert bewirbt sich ebenso um die Nominierung wie der Bahnrad-Olympiasieger Jens Lehmann (48). Aber auch Kudla, die zuletzt mit einem beleidigenden Tweet über den türkischen Journalisten Can Dündar („Cansel Dünnschiss“) und einem weiteren Kurztext mit der Nazi-Vokabel „Umvolkung“ für Empörung sorgte, tritt an.

Die sächsische CDU-Führung dürfte am Samstag gespannt nach Leipzig blicken. Aus dem Landesverband gab es zwar vergleichsweise wenig öffentliche Kritik an den - inzwischen gelöschten - Twitter-Ausfällen von Kudla. Generalsekretär Michael Kretschmer erklärt denn auch, dazu sei „alles gesagt und alles besprochen“. Aber es kann der Union im Freistaat auch nicht Recht sein, wenn Äußerungen einer ihrer Politikerinnen etwa von Unionsfraktionschef Volker Kauder in Berlin als „nicht akzeptabel“ und „unerträglich“ bezeichnet werden.

Dabei ist die 54-Jährige Kudla die auffälligste, aber bei weitem nicht die einzige sächsische Politikerin, die sich weit rechts positioniert hat. Im September trat der Dresdner Politiker Maximilian Krah, der eigentlich für den Bundestag 2017 kandidieren wollte, aus der CDU aus. Als Grund nannte er den Merkel-Kurs in der Flüchtlingspolitik. Krah kündigte einen Eintritt in die AfD an. Die Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann erklärte unterdessen, die Union könne nicht für immer und ewig eine Koalition mit der AfD auf Landes- und Bundesebene ausschließen.


„Unterste Schublade“

Die CDU in Sachsen sei in einer schwierigen Lage, sagt der Magdeburger Parteienforscher Hendrik Träger. Ähnlich wie die CSU in Bayern habe sie lange Jahre den Charakter einer Staatspartei gehabt und absolute Mehrheiten erzielt. Diese Zeiten seien aber seit 2004 vorbei - und mit der AfD sei rechts von der CDU eine politische Konkurrenz erwachsen. Die sächsische CDU ringe besonders um den richtigen Umgang damit, sagt Träger. „Man muss sich abgrenzen. Aber man darf für einen Wähler, der heute vielleicht AfD wählt, die Brücken zurück zur CDU nicht für alle Zeit abbrechen. Das ist der Spagat für die sächsische CDU“, sagt Träger.

Dramatische Einbrüche wie in anderen Bundesländern müsste die CDU bei Landtagswahlen zwar nicht fürchten. Anfang Oktober ergab eine von der „Bild“-Zeitung in Auftrag gegebene Insa-Umfrage 37,5 Prozent. Die AfD würde jedoch mit 21,5 Prozent ihr Ergebnis der Landtagswahl 2014 (9,7) mehr als verdoppeln. Als Reaktion auf die AfD-Wahlerfolge versucht die sächsische CDU gerade gemeinsam mit der CSU, das konservative Profil der Union zu schärfen. Dazu stellten sie kürzlich einen Leitkultur-Aufruf vor.

Politologe Träger wirft der CDU im Freistaat jedoch einen viel zu zögerlichen Umgang mit Kudla vor. Deren Tweets seien „unterste Schublade“ und einer christlich-demokratischen Partei nicht würdig. „Hier hätte man stärker reagieren und Konsequenzen fordern müssen“, sagt Träger. Aus seiner Sicht scheue die sächsische Union aber den innerparteilichen Konflikt. Ganz offensichtlich sei jetzt die Hoffnung, dass die Basis in Leipzig das Kudla-Problem schon lösen werde.

Wie die Stimmung der 888 Mitglieder des CDU-Kreisverbandes Leipzig ist, lässt sich schwer abschätzen. Kandidatenrunden mit Kudla, Weickert und Lehmann, etwa in dieser Woche bei der Jungen Union in Leipzig, waren nicht öffentlich. Kudla selbst wollte sich vor dem Wahlkongress auch nicht äußern, welche Pläne sie hegt, sollte sie nicht als Direktkandidatin nominiert werden. Die gebürtige Münchenerin könnte für einen aussichtsreichen Listenplatz kämpfen. Oder, und das ist wohl die Angst einiger in der CDU, sich der AfD zuwenden.

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