Übergriffe an Silvester in Köln Kölns Polizeipräsident Albers in Ruhestand versetzt

Der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers stand nach den Übergriffen in Köln massiv in der Kritik. NRW-Innenminister Ralf Jäger zieht am Freitag die Notbremse und versetzt ihn in den einstweiligen Ruhestand.

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Der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers Quelle: dpa

Der nach den Übergriffen am Kölner Hauptbahnhof in die Kritik geratene Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers ist in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Das erfuhren der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Kreisen der Landespolitik. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat den Schritt inzwischen bestätigt. Albers habe ihm diese Entscheidung am Freitag in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt, teilte Jäger in Düsseldorf mit. Jäger sagte weiter: „Meine Entscheidung ist jetzt notwendig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit und die Handlungsfähigkeit der Kölner Polizei zurückzugewinnen - auch mit Blick auf die anstehenden Großveranstaltungen.“

Albers zeigte Verständnis für seinen Rauswurf. Die öffentliche Debatte um ihn und sein Verhalten nach den chaotischen Szenen könne die Arbeit der Polizei erschweren und verzögern. „Deshalb verstehe ich die heutige Entscheidung von NRW-Innenminister Ralf Jäger“, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme von Albers. „Es geht darum, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen.“

Der 60-Jährige stärkte seinen Polizisten den Rücken: „Ich akzeptiere es, dass in der aktuellen Diskussion die Polizeiführung und damit auch zuallererst meine Person ins Zentrum der Kritik geraten sind“, sagte er. „Aber die Polizistinnen und Polizisten, die in der Silvesternacht rund um den Kölner Hauptbahnhof im Dienst waren, haben diese Kritik nicht verdient.“

Hintergründe zu den Übergriffen in Köln

Zuletzt waren zunehmend Rücktrittsforderungen gegen Albers laut geworden. Unter anderem war Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) deutlich auf Distanz gegangen. Dem Polizeipräsidenten wurde unter anderem vorgeworfen, die Öffentlichkeit nach den Übergriffen nicht rechtzeitig informiert zu haben und Informationen unter anderem über die Herkunft der Verdächtigen zurückgehalten zu haben.

Die Polizei habe nun die Aufgabe, die Vorfälle in der Silvesternacht vollständig aufzuarbeiten „und die notwendigen Konsequenzen zu ziehen“, betonte Jäger in der Mitteilung. „Die Menschen wollen zurecht wissen, was in dieser Silvesternacht passiert ist, wer die Täter sind und wie solche Vorfälle zukünftig verhindert werden können.“

Festgenommene wieder frei

Zwei am Freitag wegen der Übergriffe in der Kölner Silvesternacht festgenommene Männer sind derweil wieder auf freiem Fuß. Der Tatverdacht gegen die beiden habe sich nicht erhärtet, sagte Staatsanwalt Benedikt Kortz der Deutschen Presse-Agentur am Freitagnachmittag. Bei den 16 und 23 Jahre alten Männern aus Marokko und Tunesien sollen nach Polizeiangaben Handys sicher gestellt worden sein. WDR und „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatten berichtet, die Videos zeigten Ausschreitungen und Übergriffe auf Frauen. Außerdem sei ein Zettel mit arabisch-deutschen Übersetzungen von sexistischen Begriffen sichergestellt worden. Zu diesen Details wollte sich der Staatsanwalt nicht äußern.

Insgesamt hat die Landespolizei 19 Tatverdächtige ermittelt, sagte eine Sprecherin am Freitag. 170 Anzeigen seien im Zusammenhang mit den Vorfällen der Silvesternacht eingegangen, rund 120 davon hätten sexuelle Übergriffe zum Hintergrund.

Der Bundespolizei sind nach eigenen Angaben mittlerweile 32 Tatverdächtige namentlich bekannt und identifiziert. Unter den Tatverdächtigen seien auch 22 Asylbewerber. Bei diesen Delikten handele es sich aber überwiegend um Körperverletzungen und Diebstähle. Sexualdelikte seien bisher nicht mit den Asylbewerbern in Verbindung gebracht worden. Verdächtige seien in diesen Fällen auch noch nicht ermittelt.

Deutsche zunehmend verunsichert

Zwar seien wegen Sexualdelikten drei Strafanzeigen bei der Bundespolizei eingegangen, sagte der Sprecher weiter. Tatverdächtige seien in diesen Fällen aber nicht ermittelt worden. Der Sprecher betonte, es handele sich um Fälle, die in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei fielen - also auf dem Bahnhofsgelände und bis zu einer Entfernung von 30 Metern auf dem Vorplatz.

Unter den 31 bekannten Verdächtigen der übrigen Delikte seien neun algerische, acht marokkanische, fünf iranische, vier syrische, ein irakischer, ein serbischer, ein US-amerikanischer und zwei deutsche Staatsangehörige. 18 von ihnen seien Asylbewerber.

In der Silvesternacht hatten sich der Polizei zufolge rund 1000 Männer auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt, viele davon aggressiv und betrunken. Aus kleineren Gruppen heraus seien dann Frauen sexuell angegriffen, bedroht und bestohlen worden. Zeugen zufolge sahen Verdächtige nordafrikanisch oder arabisch aus. Aber auch an dem Polizeieinsatz war massive Kritik laut geworden.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hatte gesagt: "So kann die Polizei nicht arbeiten." Ein Bundespolizist hatte einen kompletten Kontrollverlust der Sicherheitskräfte am Hauptbahnhof geschildert. Der Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags wird sich am Montag in einer Sondersitzung mit den Vorkommnissen in Köln beschäftigen.

Die Sorge in der Bevölkerung nimmt derweil zu. So will einer ARD-Umfrage zufolge jeder dritte Bürger größeren Menschenansammlungen aus dem Weg gehen. Bei den Frauen lag der Wert sogar bei 37 Prozent. Zudem verzeichnen die Waffenhändler in Deutschland nach den Vorfällen eine rasant steigende Nachfrage nach Mitteln zur Selbstverteidigung. Im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Ingo Meinhard, Geschäftsführer vom Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler: "Köln hat verursacht, dass noch mehr Menschen in den Fachhandel kommen." Mittlerweile gebe es bei freien Abwehrmitteln wie Pfefferspray Lieferengpässe und mehrwöchige Lieferzeiten.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel meldete sich zu Wort: Die Täter der Übergriffe in Köln müssen nach mit aller Härte des Gesetzes und des Staates rechnen. Bevor man aber weitere Konsequenzen beschließen könne, müssten die Vorgänge zunächst vollständig aufgeklärt werden, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter.

„Der Bundeskanzlerin ist wichtig, dass erst einmal die vollständige Wahrheit auf den Tisch kommt, dass nichts zurückgehalten oder beschönigt wird.“ Alles andere schade dem Rechtsstaat und der großen Mehrheit völlig unbescholtener Flüchtlinge, „die bei uns Schutz suchen“.

„Natürlich ist es nicht hinnehmbar, dass eine kleine Minderheit das untergräbt durch solche Straftaten“, sagte Streiter, betonte aber auch: „Hier geht es in erste Linie nicht um Flüchtlinge, sondern hier geht es um Kriminalität.“ Gleichwohl gebe es Überlegungen und Diskussionsbedarf zum Thema Abschiebungen.

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