Übergriffe in Köln "Wer die Frage der Nationalität unterdrückt, macht Propaganda"

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"Gegner der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik bekommen Auftrieb"

Ob links oder rechts – beide Seiten instrumentalisieren die Übergriffe von Köln und werfen sich das gegenseitig vor. Wie kommen wir da wieder raus?

Politikern verzeihe ich alles. Bei denen geht es um Macht und Positionierung. Nur die Journalisten dürfen sich weder für die eine, noch die andere Seite einspannen lassen.

Aber muss ein Politiker in einem solchen Fall die eigene Ideologie nicht hinten anstellen?

Es wäre doch merkwürdig, wenn die CSU, die gegen Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin ist, das nicht als Beleg für die eigene Position nehmen würde. Und umgekehrt können Sozialdemokraten und Grüne nur die Standardformel bedienen, dass man Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht stellen darf. Beide Propagandaformeln sind legitim. Journalisten dürfen sie nur nicht unkritisch übernehmen.

Hintergründe zu den Übergriffen in Köln

Falls unter den Tätern Flüchtlinge waren – welche Konsequenzen müsste die Politik ziehen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie überhaupt Konsequenzen zieht. Es steht zu viel auf dem Spiel. Eine Veränderung der bisherigen Politik könnte nur ein Ende der Willkommenskultur bedeuten. Daran hängt aber die Identität von Angela Merkel und der gesamten Regierung. Die bisherige Flüchtlingspolitik wird also nicht in Frage gestellt, selbst wenn es Flüchtlinge gewesen sein sollten.

Manche sagen, dass nur die AfD von dieser Debatte profitieren könnte.

Ja, vermutlich werden die Gegner der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik Auftrieb bekommen. Eine der ersten Reaktionen der etablierten Parteien war ja, es sei schlimm, dass die AfD von dem Vorfall in Köln profitiert. Wenn das der erste Reflex ist, können wir von der Politik wenig Wahrheit darüber erhoffen, was wirklich in der Silvesternacht geschehen ist. Deswegen müssen das die Journalisten machen. Und zwar mit der Prämisse, dass sich die Bürger ein eigenes Urteil bilden können.

Den Deutschen wird nachgesagt, sie liebten den Konsens. Schadet das in einer solchen Debatte?

Konsens ist nicht per se schlecht, wenn er bedeutet, dass wir uns beim Streiten nicht die Köpfe einschlagen. Wenn es aber eine politische Mehrheitsmeinung gibt, die von der politischen Klasse gebildet und von Journalisten unterstützt wird, wäre das keine Demokratie mehr. Dann leben wir in einem Staat, der die Bürger bevormundet. Leider gehen wir in den letzten Jahren immer häufiger den Weg in diesen Paternalismus.

Manche behaupten, die Medien hätten im Fall Köln zu spät berichtet und versagt. Was ist Ihre Meinung?

Ein Journalist versagt nicht, wenn er "zu spät" kommt, sondern wenn er sich zum Anwalt einer "guten Sache" macht.

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