Umfrage Bürger sehen SPD eher als Verliererin der Sondierungen

In der Wahrnehmung der Bürger ist die SPD schwach. Quelle: REUTERS

Sie werben für die große Koalition, und doch tun sich führende Sozialdemokraten schwer damit. Nun zeigt eine Umfrage auch noch, dass die meisten Bürger die SPD eher als Verliererin der Sondierung sehen. Ob der Parteitag dennoch den Weg in Richtung GroKo freigibt?

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Zwei Tage vor der Entscheidung der SPD über Koalitionsverhandlungen mit der Union stehen die Sozialdemokraten in der Wahrnehmung der Bürger schwach da. Die überwiegende Mehrheit sieht sie als Verliererin der Sondierungsgespräche mit der Union, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Demnach vertreten nur 9 Prozent die Auffassung, dass die Sozialdemokraten am meisten durchgesetzt haben. 29 Prozent meinen dagegen: die CDU. Immerhin noch 15 Prozent sagen das über die CSU. 17 Prozent finden, alle drei Parteien haben gleich gute Ergebnisse erzielt. 30 Prozent machen keine Angaben.

Am Sonntag wird es ernst. Beim SPD-Sonderparteitag in Bonn stimmen die Delegierten dann darüber ab, ob das Sondierungsergebnis ausreicht und ihre Partei in förmliche Vertragsverhandlungen mit CDU und CSU einsteigen soll oder nicht. Die SPD ist in der Frage zerrissen. Seit Tagen wirbt die SPD-Führung bei der Basis um ein Ja.

Die Vizevorsitzende Manuela Schwesig tut das mit Schmerzen. „Ich halte die Entscheidung vom Wahlabend nach wie vor für richtig und hätte es auch gut gefunden, wenn die SPD in die Opposition gegangen wäre“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag). „Nach dem Scheitern von Jamaika hatten wir allerdings nur noch zwei Möglichkeiten: Neuwahlen, für die es keine Mehrheiten gab und auf die wir nicht ausreichend vorbereitet waren. Oder eben sondieren, was gemeinsam möglich ist.“ Das Ergebnis sei „ein großer Erfolg für die SPD“.

Einer der Wortführer der GroKo-Gegner, Juso-Chef Kevin Kühnert, widersprach dem. Das Sondierungsergebnis unterstreiche die generellen Bedenken gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot. „Denn viele zentrale Forderungen der SPD konnten dort nicht durchgesetzt werden“, sagte er in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Trotz der konträren Ansichten in der SPD über Koalitionsverhandlungen drohe der Partei aber kein Auseinanderbrechen. Zuvor hatte Schwesig vor einer Spaltung gewarnt.

Schwesigs Stellvertreter-Kollege Thorsten Schäfer-Gümbel räumte in der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Freitag) ein: „Das Sondierungsergebnis hat Licht und Schatten.„ Aber: „Wir können viel für die Bürgerinnen und Bürger im Land erreichen, deshalb werbe ich für Koalitionsverhandlungen.“ Ralf Stegner, ebenfalls Parteivize, sagte dem Magazin „Focus“: „Auch ich bin ein GroKo-Skeptiker, werbe aber dafür, in Verhandlungen einzutreten. Die Alternative sind nämlich Neuwahlen, die niemand will und am Ende womöglich den Rechtspopulisten helfen.“ Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil mahnte im ZDF: „Es gibt viele Beispiele dafür, wo der Gang in die Opposition sehr viel länger gedauert hat, als man sich das vorgestellt hat.“

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer warf den Kritikern einer großen Koalition Oppositionsromantik vor. „Für mich steht außer Frage: Die Partei muss sich erneuern“, sagte sie dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Das ist aus meiner Sicht auch als Teil einer Regierung möglich“, fügte sie hinzu und widersprach damit Kritikern, die eine Erneuerung in der Opposition für zwingend halten. „Das ist wahrscheinlich die Erfahrung aus den vergangenen Regierungsbeteiligungen. Aber Oppositionsromantik ist auch keine Lösung.“

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der mit Blick auf die GroKo-Kritiker in der SPD von „Zwergenaufstand“ gesprochen hatte. Damit belaste er unnötig das Klima, sagte Klingbeil der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag).

In all der Nervosität zeigte sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) gelassen. Deutschland habe ein besonderes Interesse an einer stabilen Regierung, sagte er dem „Focus“. „Wenn das gelingt, ist es gut, wenn es nicht gelingt, ist es auch keine Katastrophe. Dann geht es auch anders.“

Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, sieht vor allem in den Sondierungs-Vereinbarungen zur Arbeitsmarktpolitik ein „achtbares Ergebnis“. Die Einigung auf einen sogenannten öffentlich geförderten sozialen Arbeitsmarkt für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose sei ein „grandioser Durchbruch“, sagte Scheele der Deutschen Presse-Agentur. „Es wäre verrückt, diese Chance nicht wahrzunehmen.“

Die Meinung, dass in den Sondierungen die Unionsparteien mehr Trophäen davongetragen haben als die Sozialdemokraten, herrscht auch unter den SPD-Wählern vor: Dort meinen 16 Prozent, dass die SPD sich durchgesetzt habe, 21 Prozent die CSU und 27 Prozent die CDU.

SPD-Chef Martin Schulz hat immer wieder hervorgehoben, wie wichtig es ihm ist, dass die Europapolitik ein Schwerpunkt einer neuen großen Koalition wird. Laut Umfrage sind aber andere Themen den Deutschen viel wichtiger. 41 Prozent zählen die Flüchtlingspolitik zu den beiden wichtigsten Themen und 37 Prozent die Rente. Weit abgeschlagen dahinter folgen Steuern und Abgaben (23 Prozent), Gesundheit (18 Prozent) und dann erst die Europapolitik gleichauf mit Bildung (16 Prozent) und nur knapp vor dem Schlusslicht Klimaschutz (15 Prozent).

Trotz des Widerstands in der SPD glauben 47 Prozent, dass die große Koalition zustande kommt, also dass nicht nur der SPD-Parteitag den Koalitionsverhandlungen, sondern am Ende auch die SPD-Mitglieder dem ausgehandelten Vertrag mit der Union zustimmen (Nicht: 31 Prozent).

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