Umstrittene Berater Rückendeckung für Gabriels AfD-Ökonomen

Sigmar Gabriels wissenschaftlichem Beraterkreis gehören zwei Professoren an, die der AfD nahe stehen. Ist das Gremium damit überflüssig? Die Frage hat eine Debatte unter führenden Ökonomen in Deutschland ausgelöst.

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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD): Zwei seiner Berater sympathisieren mit der AfD. Quelle: dpa

Berlin Ohne externen Sachverstand kommt die Bundesregierung nicht aus. Sie ist für die Entscheidungsfindung auf Einschätzungen und Bewertungen von Wissenschaftler angewiesen. Dafür gibt es die sogenannten wissenschaftlichen Beiräte. Auch bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist ein solcher Beirat angesiedelt. Die Aufgabe des Gremiums ist klar festgelegt: Der Beirat solle den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie „in voller Unabhängigkeit in allen Fragen der Wirtschaftspolitik zu beraten“ und seine Ergebnisse schließlich „in Form gutachterlicher Äußerungen“ mitteilen. An dieser Unabhängigkeit gibt es jedoch Zweifel.

Grund sind zwei Beirats-Mitglieder, die offen mit der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) sympathisieren. Konkret geht es um den Berliner Wirtschaftsprofessor Charles B. Blankart und den Mannheimer Ökonom Roland Vaubel. Beide gehören sowohl dem wissenschaftlichen Beirat beim Gabriel-Ministerium als auch dem wissenschaftlichen Beirat der AfD an. Blankart als Unterstützer der Partei, Vaubel als Parteimitglied. Teile der SPD und Grüne halten das genauso für inakzeptabel wie der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn.

Es falle ihm schwer, sich die AfD-Sympathisanten als unabhängige Berater vorzustellen. „Ein derartig besetztes Gremium kann kein vernünftiger Ratgeber für das Wirtschaftsministerium in Zeiten der Krise des Euro-Raums sein, ist also überflüssig“, sagte Horn Handelsblatt Online. Abgesehen davon hält Horn, der selbst SPD-Mitglied ist, den Beirat generell für überflüssig. „Er genießt ob seiner Zusammensetzung in der Regel nicht das Vertrauen der politischen Führung des Ministeriums und bleibt daher bei politischen Entscheidungen außen vor“, sagte Horn.

Hinzu komme, dass der Beirat seinen Nachwuchs selbst rekrutiere. „Dies ist gut für die Karriere von Ökonomen, eher schlecht für innovative Ideen.“ Daher spreche vieles dafür, „diese Art von Beirat gänzlich abzuschaffen“.

Energischer Widerspruch kommt von zwei Kollegen Horns – dem Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, und dem Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus F. Zimmermann.

„Gesinnung kann nicht per se ein Ausschlusskriterium für ein Beratungsgremium der Regierung sein, sondern nur Inkompetenz. Das ist aber nicht der Fall“, sagte Hüther mit Blick auf Vaubel und Blankart. „Auch wenn mich die Einschätzungen der AfD-Kollegen nicht überzeugen und teilweise höchst seltsam und schräg sind, so kann dies doch kein Grund für einen Ausschluss aus dem Beirat oder gar für dessen Abschaffung sein.“ Meinungsvielfalt auf der Basis des Grundgesetzes sei „überall schützenswert“, betonte der IW-Chef.


Warnung vor politischer Gleichschaltung der Berater

Zimmermann zweifelte die Neutralität Horns bei dem Thema an. Bekanntlich vertrete Horn ein gewerkschaftsnahes Institut und sei deshalb parteilich. „Er ist deshalb kaum berufen, die Existenzberechtigung unabhängiger Beratungsgremien zu beurteilen“, sagte Zimmermann Handelsblatt Online. Im Übrigen seien die beiden wissenschaftlichen Beiräte beim Finanz- wie beim Wirtschaftsministerium nicht nur „völlig politisch unabhängig, sondern sie genießen auch einen hohen Ruf an sachlicher Kompetenz“.

In ihrer Geschichte hätten beide Beraterkreise häufig Bundesregierungen mit „notwendigen wirtschaftlichen Einsichten“ konfrontiert. „Ihre Abschaffung wäre eine politische Gleichschaltung wirtschaftlicher Beratung“, warnte der IZA-Chef. Schließlich könne sich die Politik jederzeit willige Unterstützer in den Regierungsapparat holen. Zimmermann betonte allerdings, dass die Nützlichkeit solcher Parteigänger in der Bundesrepublik sehr umstritten sei, „es sei denn, sie wären wie etwa Karl Schiller zu fähigen Politikern mutiert“. Ein guter Politikberater, fügte Zimmermann hinzu, könne allerdings „nicht gleichzeitig politischer Akteur sein“. Denn dann missbrauche er seine Rolle als Wissenschaftler.

Vaubel ist Initiator eines im Herbst veröffentlichten Aufrufs, indem mehr als 130 deutsche Wirtschaftsprofessoren die Europäische Zentralbank (EZB) wegen ihres umstrittenen Anleihekaufprogramms scharf attackierten. Die Ökonomen, darunter auch der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, und der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrats, Jürgen B. Donges, warfen der EZB damals eine verbotene monetäre Staatsfinanzierung vor. „Die Anleihekäufe der EZB sind rechtswidrig und ökonomisch verfehlt“, heißt es in dem Aufruf. Die monetäre Staatsfinanzierung sei zu Recht verboten, weil sie die Unabhängigkeit der Zentralbank gefährde.

Vaubel hatte sich zudem im Bundestagswahlkampf aktiv für die AfD eingesetzt, etwa  über das „Institut für strategische Studien Berlin“ (ISSB), einem Think-Tank des AfD-nahen Vereins „Zivile Koalition“. Der Professor machte dabei offen Front gegen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und rief zur Wahl der AfD auf. In einem Interview mit dem ISSB hatte Vaubel gesagt: „Der Hauptgegner von Volksabstimmungen in der Regierungskoalition ist Wolfgang Schäuble. Das hat auch damit zu tun, dass seine euromantischen Vorstellungen von der Mehrheit der Deutschen nicht geteilt werden. Er will die Krise nutzen, um mit List und Tücke seine höchst persönlichen Wertvorstellungen durchzusetzen. Da ist ein Verzückter am Werk.“

Und weiter: „Der Bürger sollte eine Partei wählen, die Volksabstimmungen fordert – und zwar ausdrücklich auch in der Europapolitik. Ich kenne nur eine Partei, die das tut: die neue Alternative für Deutschland“. Bei einer AfD-Wahlveranstaltung in Mannheim erhielt Vaubel laut dem Online-Journal der AfD Baden-Württemberg „großen Beifall“ für seine Bemerkung, dass Schäuble, der den Gang in die politische Union forciere, unbedingt verhindert werden müsse.


Gabriel sind die Hände gebunden

Der Berliner Ökonom Blankart nannte die AfD-Gründer in einem Blog-Eintrag „einige Mutige“, die sich um den Hamburger Ökonomieprofessor Bernd Lucke geschart hätten. „Sie sagen: Es gibt eine Alternative zu Merkel, und darum heißt die Partei Alternative für Deutschland“, schreibt Blankart in dem Ökonomen-Blog. Und er fügte hinzu: „Die Deutschen sollen nicht verzagen und sich nach Merkels Willen dem Euro-Schicksal unterwerfen, sondern sie sollen ihre Zukunft selbst an die Hand nehmen und ihre Währung selbst gestalten.“

In der SPD werden Vaubel und Blankart kritisch gesehen. Der EU-Abgeordnete Jo Leinen (SPD) etwa sagte Handelsblatt Online: „Minister Gabriel wird entscheiden müssen, ob er den Rat von Professor Vaubel noch braucht oder nicht.“ Die Grünen-Politikerin Kerstin Andreae geht noch weiter: „Der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministers muss unabhängig sein und das ist Professor Vaubel mit seinem politischen Anti-Euro-Kurs in der AfD offensichtlich nicht“, sagte Andreae Handelsblatt Online. „Ich gehe deshalb fest davon aus, dass Wirtschaftsminister Gabriel den damaligen Ankündigungen jetzt schnell Taten folgen lässt und Professor Vaubel aus seinem wissenschaftlichen Beirat abberuft.“

Gabriel sind jedoch die Hände gebunden. Denn das Gremium, in dem derzeit 41 Professoren sitzen und Gutachten schreiben, wählt laut Satzung seine Mitglieder selbst aus. „Der Bundesminister hat keinen Einfluss auf die Personalentscheidungen des Beirats“, erklärte das Ministerium auf Anfrage von Handelsblatt Online. Die neuen Mitglieder würden auf Vorschlag des Beirats vom Bundesminister berufen. „Auch Abberufungen können gemäß Satzung erst nach Mehrheitsbeschluss der Beiratsmitglieder erfolgen.“ Dessen ungeachtet will Gabriel sämtliche Beiräte auf den Prüfstand stellen. „Minister Gabriel hat unmittelbar nach Amtsantritt darum gebeten, die verschiedenen Beratungsgremien des BMWi einer kritischen Prüfung zu unterziehen.“ Was das konkret bedeutet, ließ das Ministerium offen.

Der Vorsitzenden des Wissenschaftlergremiums, Achim Wambach, warnte schon mal vor falschen Entscheidungen: „Ein Mitglied des Beirats wegen seiner politischen Tätigkeit aufzufordern, aus dem Beirat auszutreten, wäre mit dieser Unabhängigkeit unvereinbar“, sagte der Ökonom von der Universität zu Köln der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ).

Überraschend klar verteidigte ein Parteifreund von Andreae, der Grünen-Politiker Sven Giegold aus dem Europaparlament, die beiden AfD-Ökonomen. „Auch wenn mir die marktradikalen Ansichten der Professoren Blankart und Vaubel nicht gefallen: Sie stehen damit für eine relevante Minderheit der deutschen Volkswirtschaftslehre. Daher bin ich auch dagegen, nun wegen ihrer AfD-Mitgliedschaft ihre Position im wissenschaftlichen Beirat des BMWi in Frage zu stellen.“ Ausschlussdebatten ermöglichten der AfD nur, sich zum Opfer zu stilisieren, sagte Giegold der FAZ.

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