Umstrittener Gesichtsschleier Lehrerverband fordert Burka-Verbot an Schulen

Die Unions-Innenminister aus Bund und Ländern wollen ein Verbot von Vollverschleiern in Schulen. Und auch die große Mehrheit der Deutschen ist dafür. Nun schaltet sich der Lehrerverband in die Debatte ein.

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Eine Frau mit einem Nikab: Soll der Gesichtsschleier an Schulen verboten werden? Quelle: dpa

Berlin Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, hat ein deutschlandweites Verbot der Burka im Schulunterricht gefordert. „Das Verbot des Tragens eines Gesichtsschleiers sollte nicht der einzelnen Schule überlassen bleiben. Damit mögliche Konflikte nicht an die Schulbasis verlagert werden, bedarf es im Interesse der Rechtssicherheit eines einheitlichen Verbotes, zu dem sich die 16 Kultusminister durchringen sollten“, sagte Kraus dem Handelsblatt.

Kraus betonte, Burka und Nikab hätten in der Schule nichts zu suchen. Insofern sei das aktuelle Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück, wonach eine Schülerin nicht mit Nikab das Abendgymnasium besuchen darf, „vorbehaltlos“ zu begrüßen. „Wichtige Basis für Erziehung, Bildung und Unterrichtung“, so Kraus, „ist eine im wahrsten Sinn des Wortes offene Kommunikation.“ Durch einen Schleier werde diese Kommunikation aber „erheblich“ eingeschränkt, sowohl die Kommunikation zwischen den Schülern als auch die Kommunikation zwischen der betreffenden Schülerin und der Lehrkraft. „Ein Lehrer muss die Mimik einer Schülerin wahrnehmen können, weil er daran erkennt, ob die Schülerin bei der Sache ist, ob sie etwas verstanden hat oder ob sie mit etwas einverstanden ist.“

Ein Verbot des Tragens eines Gesichtsschleiers in der Schule schränke auch nicht das Recht auf Bildung ein, betonte der Lehrerverbands-Präsident, „denn dieses Recht schränkt die betreffende Schülerin mit dem Tragen eines Schleiers selbst ein“. Im Übrigen, so Kraus,  dokumentiere ein Gesichtsschleier in der Schule auch gegenüber Gleichaltrigen die Unterdrückung von Mädchen und Frauen.

Vor kurzem hatten sich die Innenminister der Union aus Bund und Ländern für ein Verbot von Vollverschleiern in deutschen Gerichten, Ämtern, Schulen oder im Straßenverkehr stark gemacht. Das deckt sich mit der Ansicht einer großen Mehrheit der Deutschen, die einer Umfrage zufolge für ein Verbot der Vollverschleierung in Deutschland plädiert. 81 Prozent sind dafür, muslimischen Frauen das Tragen von Burka oder Nikab zumindest in Teilen der Öffentlichkeit zu untersagen, wie aus dem neuen ARD-„Deutschlandtrend“ hervorgeht. Jeder Zweite spricht sich für ein generelles Verbot aus, jeder Dritte für ein Teil-Verbot.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil plädiert ebenfalls für Burka-freie Schulen. „Wer kommunizieren will, und das muss man in der Schule, dem muss man auch ins Gesicht sehen können“, sagte Weil der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.


GEW: „Frauen nicht wegen Burka oder Nikab von Bildung ausschließen“

Der SPD-Politiker lehnt aber ein grundsätzliches Verbot von Nikab oder Burka in der Öffentlichkeit ab. Zwar seien beides Symbole für die Unterdrückung von Frauen. „Ein Verbot dürfte jedoch wenig bringen oder sogar dazu führen, dass sich die Frauen noch weniger in der Öffentlichkeit zeigen dürfen als jetzt.“

Anders als der Lehrerverband warnte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) davor, vollverschleierten Mädchen und Frauen den Zugang zum Schulunterricht zu erschweren. „Ein Verbot der Vollverschleierung ist der vollkommen falsche Weg. Wir dürfen Frauen nicht nur deswegen von Bildung ausschließen, weil sie Burka oder Nikab tragen“, sagte Ilka Hoffmann vom GEW-Hauptvorstand der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Schule sei für vollverschleierte Mädchen aus strengkonservativen islamischen Haushalten oft die einzige Möglichkeit, Kontakt zu Gleichaltrigen aufzunehmen.

Die Nahost-Historikerin Ulrike Freitag findet ein Gesichtsschleier-Verbot hingegen richtig. „In Schulen, Ämtern und vor Gericht hat er nichts verloren“, sagte die Direktorin des Zentrums Moderner Orient (ZMO) in Berlin am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Wenn eine Schülerin den Nikab vor männlichen Mitschülern und Lehrern nicht ablegen wolle, bleibe ihr immer noch die Möglichkeit, auf eine Mädchenschule zu wechseln.

Wer sich ein Leben ohne Burka oder Nikab nicht vorstellen könne, sollte ihrer Ansicht nach auch darüber nachdenken, sich vielleicht einen anderen Wohnort zu suchen. „Wenn man sich so stark abgrenzen muss, dann kann man sich in der Tat überlegen, ob man nicht irgendwo hingehen soll, wo das kulturell üblich ist“, sagte Freitag. Bei ihren Forschungsaufenthalten im Jemen und in Saudi-Arabien habe sie persönlich die Erfahrung gemacht, dass es in der Kommunikation einen großen Unterschied mache, ob das Gegenüber sein Gesicht hinter einem Schleier verbirgt oder nicht.

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