Umstrittenes Freihandelsabkommen Sigmar Gabriels TTIP-Pessimismus

Deutlich wie nie geht Sigmar Gabriel auf Distanz zu TTIP. Der Abgesang auf das umstrittene Handelsabkommen mit den USA hat viel mit Wahlkampf zu tun – denn so setzt er sich von Kanzlerin Merkel ab.

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Sigmar Gabriel spricht sich nun gegen das Freihandelsabkommen mit den USA aus. Quelle: AP

Er hat's endlich getan. Fast beiläufig wischt Sigmar Gabriel vier Buchstaben vom Tisch, die ihm seit Jahren zu schaffen machen. Die Verhandlungen für TTIP, das Freihandelsabkommen der EU mit den USA, seien „de facto gescheitert“, „da bewegt sich nix“. Typisch flapsiger Gabriel-Jargon. Er sagt es vor Bürgern und im Sommerinterview mit dem ZDF. Spricht da der Wirtschaftsminister oder der SPD-Chef? Und warum tut er es gerade jetzt?

Dass aus TTIP in absehbarer Zeit etwas wird, daran gibt es schon lange Zweifel. Schließlich rücken die US-Präsidentschaftswahlen näher und die Interessen hüben und drüben liegen weit auseinander. Die Mehrheit der Deutschen sieht das Abkommen kritisch – insofern kann Gabriel mit seinem „da bewegt sich nix“ leicht Punkte sammeln.

Außerdem setzt der SPD-Chef sich so von der Kanzlerin ab, die am Montag über ihren Regierungssprecher ausrichten lässt, dass die Verhandlungen ja noch nicht beendet seien. Distanz zu Angela Merkel (CDU), die sucht der Vizekanzler gerade auch in anderen Bereichen. In der Flüchtlingspolitik habe man sie „zum Jagen tragen“ müssen, sagt er, und nimmt das CSU-Wort „Obergrenze“ in den Mund. Die heftige Kritik der CDU-Spitze dürfte Gabriel da gerade recht kommen.

Was Deutsche und Amerikaner über TTIP denken

Gabriel hat das Problem eines Junior-Koalitionspartners im Wahlkampf: Irgendwie muss Wechselstimmung her, obwohl man ja selbst mitverantwortlich war und ist. Heraus kommt leicht ein Schlingerkurs. Gabriel hielt sich zuletzt links, sprach viel von Gerechtigkeit, zeigte Rechten den Stinkefinger und schlug sich in der Fusion der Handelsketten Edeka und Kaiser's Tengelmann auf die Seite der Gewerkschaft. Dabei wie auch jetzt bei TTIP muss er sich den Vorwurf anhören, er stelle die Partei vor sein Amt als Wirtschaftsminister.

Gabriel will weiterhin Abkommen mit Kanada

Und dann sind da noch die SPD mit ihren Umfragewerten, die K-Frage und die kleine TTIP-Schwester Ceta. Für das Abkommen mit Kanada wirbt Gabriel weiterhin eifrig, viele Parteilinke und zuletzt auch Berlins Regierungschef Michael Müller haben dagegen Bedenken.

Alles hängt irgendwie miteinander zusammen: Gabriel will Kanzlerkandidat werden, aber manch ein Sozialdemokrat macht ihn für maue Umfragewerte um die 22 Prozent persönlich verantwortlich. Ein Parteikonvent am 19. September, bei dem es um Ceta geht, könnte zur Abstimmung über den Parteichef selbst werden – erst recht, wenn die SPD bei den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern abschmiert.

Hört man sich in der SPD um, glauben die meisten aber, dass Gabriel seine Ceta-Zustimmung bekommen wird – wohl als Kompromiss mit Verbesserungsvorschlägen für das Ratifizierungsverfahren. Und dass es um die Sache gehe, nicht um die Person. Viele SPD-Größen stehen bei Ceta hinter Gabriel, darunter EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen.

Will Gabriel mit dem TTIP-Abgesang seine Ceta-Gegner kurz vor dem Konvent umgarnen? „Es geht nicht um Taktik, sondern eine klare Bewertung der Sachlage“, sagt Fraktionsvize und Wirtschaftsexperte Hubertus Heil. Der Parteivorstand werde nun offene Fragen besprechen und eine Beschlussvorlage für den Konvent erarbeiten. „Ich glaube, dass wir eine vernünftige Lösung hinbekommen.“

Und wenn nicht? Auf diese Frage will SPD-Generalsekretärin Katarina Barley am Montag nicht antworten. Unbequem würde es wohl werden. Was Barley sagt: „Wir gehen ehrlich miteinander um. Das ist manchmal hart, aber das tun wir.“



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