Umweltschutz Reden wir übers Klima

Die Weltgemeinschaft will die globale Erderwärmung auf unter zwei Grad beschränken. Wie sie dabei vorankommt, wird beim „Petersberger Klimadialog“ diskutiert. Noch sind die Klimaschutzziele der Länder völlig unzureichend.

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Geredet wird viel über den Klimaschutz – doch die konkrete Umsetzung lahmt. Quelle: dpa

Berlin Die Erde wird launischer. Dürren und Hitzewellen häufen sich – genauso wie Überflutungen, Starkregen, Stürme. Alles schon mal dagewesen, lautet die eine Meinung dazu, kein Grund zur Beunruhigung. Ja, aber nicht in dieser Ausprägung und Schnelligkeit, die andere.

Klimawandel und Klimaschutz stehen seit Jahren auf der politischen Agenda. Auf dem Weltklimagipfel im Dezember 2015 in Paris einigten sich 195 Länder und die Europäische Union darauf, den globalen Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen und sogar Anstrengungen zu unternehmen, unter 1,5 Grad zu bleiben, um damit die schlimmsten Folgen der Erderwärmung zu verhindern.

Beim inzwischen traditionellen Petersberger Klimadialog in Berlin, benannt nach dem ersten Dialog 2010 im Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg nahe Bonn, beraten an diesem Montag und Dienstag Minister und Vertreter aus 35 Staaten darüber, wie es auf diesem Weg weitergeht.

Denn auf Kurs ist die Weltgemeinschaft noch lange nicht. Geredet wird viel – die konkrete Umsetzung lahmt. Jan Kowalzig, Klimaexperte der Hilfsorganisation Oxfam, bezeichnet die bislang vorliegenden Klimaschutzziele der Länder als unzulänglich. „Werden diese Ziele nicht nachgebessert, droht sich die globale Erwärmung auf drei bis vier Grad einzupegeln.“ Es sei ärgerlich, dass ausgerechnet die Bundesregierung, neben des kleinen Inselstaates Fidschi Gastgeber der diesjährigen Weltklimakonferenz im November, „tatenlos dabei zusieht, wie sie das bestehende deutsche Klimaschutzziel von 40 Prozent Reduktionen bis 2020 deutlich verfehlen wird“.

Umweltexperten fragen sich gespannt, welche Botschaft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in diesem Jahr zu bieten hat, wenn sie am Dienstag ihre klimapolitische Rede hält. „Irgendwann schlägt die Stunde der Wahrheit“, sagte sie beim Petersberger Klimadialog vor einem Jahr. Man sei Verpflichtungen eingegangen, jetzt müssten sie eingelöst werden.

Die Gelegenheit, die Klimaziele global nachzubessern, ist günstig. Ende der Woche treffen sich die sieben größten Industrieländer (G7) in Italien, im Juli die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) in Hamburg. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) will am Dienstag in Berlin eine Studie vorlegen, die untersucht, welche Wachstumseffekte Investitionen in den Klimaschutz für die Volkswirtschaften der G20 haben.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Entwicklungsorganisation Germanwatch und das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) forderten die G20 bereits in einer gemeinsamen Stellungnahme auf, klar für Klimaschutz und die Umsetzung des Paris-Abkommens einzutreten.

Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer, sprach sich für einen zügigen Ausstieg der Weltgemeinschaft aus der ineffizienten Subventionierung fossiler Energien aus – ein Thema, dass in Deutschland vor allem bislang die Grünen vorantreiben wollten. Auf G20-Ebene bekäme das Thema die notwendige Schlagkraft: immerhin stehen die G20-Länder für rund 66 Prozent der Weltbevölkerung und mehr als 80 Prozent der globalen Wirtschaftskraft und CO2-Emissionen.

Deutschland

Was in Paris auf internationaler Ebene beschlossen wurde, muss über klimapolitische Maßnahmen umgesetzt werden – und das ist selbst in Deutschland ein Problem. Formal ist die Grundlage gelegt: Ende September 2016 ratifizierten Bundestag und Bundesrat das Pariser Klimaabkommen. Doch seitdem, so der Vorwurf von Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, versumpfe der Klimaschutz im Ressortdenken der Bundesregierung. Pläne von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) würden regelmäßig von den Ressorts Verkehr, Wirtschaft und Landwirtschaft hintertrieben.

Allenfalls in Trippelschritten kommt Deutschland voran, der große Wurf ist ausgeblieben. Eine wirkliche Idee davon, wie ambitionierter Klimaschutz in einem Industrieland funktionieren könnte, hat die Regierung nicht zu bieten. Deutschland befindet sich da im Übrigen in guter Gesellschaft: der Naturschutzbund NABU hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass derzeit kein EU-Land die Klimaschutzvorgaben für Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude und Abfall so weit verschärfen wollten, dass die Klimaschutzziele von Paris erreicht werden könnten. Umweltschützer fordern darum die Bundesregierung auf, sich für eine ehrgeizigere EU-Klimapolitik einzusetzen.

Beispiel Energiewende:

Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ist in Deutschland zwar rasant gestiegen, Kohlekraftwerke spielen im Energiemix aber weiterhin eine zentrale Rolle. Um den Abschied von der Kohle wird heftig gerungen. Ein Datum steht nach wie vor nicht fest. Es ist zudem nicht erkennbar, dass die Regierung sich konkrete Gedanken über Zukunftsperspektiven in den Regionen macht, die von einem Kohleausstieg betroffen wären. Ottmar Edenhofer, Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) mahnt in seinem neuen Buch „Klimapolitik“, den Kohleausstieg in eine europäische Politik einzubetten – ansonsten würden die Emissionen in Europa trotzdem nicht sinken. Der Grund: durch einen einseitigen Kohleausstieg würden auf dem europäischen Emissionsmarkt Zertifikate freigesetzt, die zu einem weiteren Preisverfall im Emissionshandel führen würde.

Dadurch würden die Emissionen in anderen Mitgliedsstaaten tendenziell eher steigen. Edenhofer plädiert schon lange für einen CO2-Mindestpreis auf dem europäischen Emissionsmarkt – eine Forderung, auf die sich SPD und Union bislang nicht einigen konnten, die Sozialdemokraten in ihr Programm für die Bundestagswahl aber wieder aufgenommen haben.

Beispiel Verkehrswende:

Der Verkehrssektor ist der einzige Sektor, der seit 1990 nicht zur Verminderung der klimaschädlichen CO2-Emissionen beigetragen hat – aus Klimasicht, so Edenhofer, 25 verlorene Jahre. Umso größer müsste der Aufholprozess sein – auch aus industriepolitischer Sicht – doch auch hier kommt die Regierung nicht richtig vom Fleck. Vergangene Woche erst verabschiedete sich die Kanzlerin von dem Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, trotz Förderung von Staat. Für die Grünen kommt das einer „klima- und industriepolitischen Bankrotterklärung“ gleich. Dazu kommt halbherziges Engagement zur Regulierung des Kohlendioxid-Ausstoßes bei Autos mit Verbrennungsmotoren.

Beispiel Landwirtschaft:

Die Landwirtschaft trägt wesentlich zur Emission klimaschädlicher Gase bei – vor allem durch Methan-Emissionen aus der Tierhaltung und Lachgas-Emissionen als Folge der Stickstoffdüngung. Damit hat Deutschland vielerorts auch ein Problem mit zu viel Nitrat im Grundwasser. Wie soll die Landwirtschaft der Zukunft aussehen? Nach welchen Kriterien sollen künftig die europäischen Agrarfördermittel ausgezahlt werden? Wie sinnvoll sind Exporte landwirtschaftlicher Produkte? Fragen, die in der nächsten Legislaturperiode endlich angegangen werden müssen. Zuletzt scheiterte ein Gesetz zum Anbauverbot von Genmais, weil sich Union und SPD nicht auf einen Kompromiss einigen konnten.

Vereinigte Staaten

Die USA haben sich seit der Amtsantritt von Präsident Donald Trump von einem Klimavorreiter zum Klimaskeptiker entwickelt. Hinweise auf den künftigen Klimakurs der US-Regierung gibt es bislang nicht. US-Präsident Trump hatte am 1. Mai gesagt, er wolle in den nächsten zwei Wochen darüber entscheiden, ob die USA aus dem Klimaabkommen austreten. Eine solche Entscheidung ist bisher aber nicht bekannt gemacht worden. Zuletzt hieß es, die Entscheidung solle erst nach dem G7-Gipfel in Italien fallen.

Trump hatte im Wahlkampf mehrfach bezweifelt, dass es eine vom Menschen verursachte Klimaerwärmung gebe. Die Klimapolitik der neuen US-Regierung habe bereits jetzt Auswirkungen auf das Investitionsklima für Erneuerbare Energien im Land, heißt es in einer Studie, die eine Forschungseinheit des Allianz-Konzerns, die Allianz Climate Solutions, gemeinsam mit Germanwatch und dem deutschen New Climate Institute Ende April veröffentlicht hatten.

Sinkende Kosten für Erneuerbare Energien sorgten dennoch dafür, dass der Ausbau grüner Technologien vorankomme. Bundesstaaten und große Städte nehmen Klimaschutz zunehmend ernst. „Sie haben offensichtlich große Sorge, ansonsten von der technologischen Entwicklung abgehängt zu werden“, kommentiert Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

China und Indien

Umweltschützer halten es für beruhigend, dass sich die Regierungsdelegationen nicht von der Drohung des US-Präsidenten haben beirren lassen, das Pariser Klimaabkommen zu verlassen, sagt Oxfam-Experte Kowalzig. Im Gegenteil: „sehr viele Länder haben deutlich gemacht, dass sie am Abkommen und an ihren jeweiligen Klimaschutzziele festhalten werden“. Das gilt vor allem für die Groß-Emittenten China und Indien.

Die Volksrepublik China ist der weltgrößte Produzent von Klimagasen und hat mehrfach betont, die Vereinbarungen von Paris einhalten zu wollen. Auch Indien hatte beteuert, Kurs halten zu wollen. Beide Staaten wenden sich langsam von der Kohle ab: China hat eine Reihe von Plänen für neue Kohlekraftwerke gekippt und sogar einige alte stillgelegt, berichtet Germanwatch. Indien könnte nach 2022 auf den Bau neuer Kohlekraftwerke verzichten. Angesichts der Laufzeiten von rund 40 Jahren drängt die Zeit, einen Stopp neuer Kraftwerke zu beschließen.

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