WirtschaftsWoche: Herr Schmidt-Bleek, Sie blicken auf einige Jahrzehnte seit der „ökologischen Revolution“ in den 1960ern zurück. Als Wissenschaftler, im Umweltbundesamt, bei der OECD, als Gründer des Wuppertal Instituts. Ist die Umweltschutzpolitik eine Erfolgsgeschichte?
Friedrich Schmidt-Bleek: In gewisser Weise natürlich. Ohne sie wären wir heute noch schlimmer dran. Aber sie reicht eben nicht aus. Man hat die eigentlich notwendige Wende zur Vorsorge völlig vergessen und bleibt im alten Modus.
Was heißt das?
Das heißt, dass Umweltschutz überhaupt nur möglich war, wenn wir zeigen konnten, dass die Umweltschäden unmittelbar auf die Gesundheit des Menschen, auf seine Lebensaussichten wirkten. Solche Themen sind rasch in der Presse und der Politik auf der Agenda. Ich war für das Chemikaliengesetz verantwortlich. Wenn Sie mit Giften hantieren, haben Sie ganz schnell alle Ohren. Dann wird oft auch viel Geld für Korrekturen ausgegeben. Wir spielen nur Polizei: Wir sehen Schaumberge auf Flüssen und verendete Fische und stellen das dann ab.
Es gab immer dann einen Ruck in der Umweltpolitik, wenn was schlimmes passierte: Wie in Seveso oder Fukushima. Das war zu Anfang in den 1960er so und ist auch heute noch so. Aber wenn man immer nur Problemen hinterher rennt, kann man keine Nachhaltigkeit erreichen. Das ist keine Zukunftspolitik. Wenn es um die Stabilität unserer Lebensgrundlagen geht, sind die Menschen viel weniger aufmerksam, weil sie die Zusammenhänge nicht sehen. Auch Politiker haben wenig Interesse daran. Würden sie solche Dinge gründlich debattieren, würde sich schnell herausstellen, dass vieles, was man heute in Politik, Wirtschaft, Militär macht, einfach nicht zukunftsgerichtet ist.
Zur Person
Prof. Friedrich Schmidt-Bleek ist der Pionier der Ressourcenwende und Erfinder des Faktor-10-Konzeptes. Er ist Gründungs-Vizepräsident des Wuppertal Institutes, arbeitete als Abteilungsleiter in der OECD und im IIASA und ist außerdem Initiator des „World Resources Forum Davos“. 2001 wurde Schmidt-Bleek mit dem „Takeda World Environment Award“ ausgezeichnet. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Veröffentlichungen.
Aber wir spüren diese Störung der ökologischen Stabilität bislang noch nicht am eigenen Leib.
Der Klimawandel die erste wirklich großflächige Veränderung, die auch erfahrbar wird. Die wirkt sich unübersehbar aus, direkt an den Körpern vieler Menschen. Ich bin sicher, dass auch Donald Trump, der den Klimawandel noch leugnet, in wenigen Jahren anders darüber reden wird. Die Frage ist, wie lange sich die Menschheit leisten kann, erklärbare Veränderungen zu verneinen.