Umweltschutzpionier Friedrich Schmidt-Bleek "Digitalisierung führt zu noch mehr Umweltzerstörung"

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Große Ressourcenwende statt kleiner Energiewende

Sie fordern eine grundlegende Änderung der Steuerpolitik, nämlich nicht mehr die Arbeit, sondern den Ressourcenverbrauch zu besteuern, um nicht nur eine kleine Energiewende, sondern eine grundlegende Ressourcenwende zu vollziehen. 

Derzeit wird viel über eine „Industrie 4.0“ debattiert, die eigentlich eine „Gesellschaft 4.0“ ist.  Man schwärmt, wie toll die Amerikaner das im Silicon Valley vormachen. Und Politiker fordern, die Digitalisierung weiter voranzutreiben. Bildungsministerin Wanka will viele Milliarden für Computer in Schulen ausgeben.  Da sage ich: Stopp, fragt doch erstmal, wieviel natürliche Ressourcen wir dafür brauchen. Die Technik und die Intelligenz für die Digitalisierung haben wir, keine Frage.

Aber so wie die Digitalisierung heute läuft, führt sie zu einer noch schnelleren Zerstörung unserer ökologischen Grundlagen. Einfach deshalb, weil alles, was mit Informations- und Kommunikationstechnologie zu tun hat, wahnsinnig ressourcenintensiv ist.

Wir haben am Wuppertal Institut schon 1996 festgestellt, dass eine einzige Bank-Überweisung so viele Ressourcen verbraucht wie die Produktion von vier Bierdosen. Die Zahlen stimmen heute sicher nicht mehr. Aber es gibt leider keine neueren Studien. Die Herstellung von Computern basiert auf Materialien, die sehr selten sind. Das bedingt große „Rucksäcke“, wie ich das nenne: Große Mengen Natur müssen bewegt werden, um die Materialien abzubauen. Ich bin kein Experte für den Bau von Computern, aber ich bin überzeugt, dass man sie mit Hilfe der Chemie auch anders bauen könnte. Doch dafür gibt es keinen politischen Druck. Solange die Ressourcen billig sind, kümmert man sich nicht um ökologische Folgen. Darum muss der Ressourcenverbrauch besteuert werden.

In der Parteipolitik fordert das bislang niemand.

Es gibt leider keine organisierte gesellschaftliche oder politische Kraft, die wirklich sich erlaubt, über die nächsten 4 Jahre hinaus zu denken. Aber das reicht heute nicht. Was kann man da tun? Ich weiß es nicht. Vielleicht bleibt nur die Devise: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Friedrich Schmidt-Bleeks „10 Gebote der Ökologie“

Wir haben nun in Deutschland eine besonders erfolgreiche und teilweise auch mitregierende Grüne Partei. Aber zugleich hat man den Eindruck, dass ökologische Fragen für die Grünen nicht mehr wirklich bestimmend sind.

Die Grünen sind keine wirkliche Umweltpartei mehr. Sie müssen sich als allgemeine Volkpartei präsentieren und haben sich eingegliedert. Im letzten Wahlprogramm der Grünen war nur auf drei Seiten von Ressourcen die Rede. 

Wer vertritt stattdessen politisch das Interesse  an ökologischer Stabilität?

Ich weiß es nicht. Keine Partei jedenfalls.  

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