Unfälle mit Autopilot Deutsche wollen Autobauer haftbar machen

Wer haftet, wenn beim automatisierten Fahren der Autopilot einen Unfall verursacht? Im Zweifel wohl der Fahrer, sagt der Gesetzgeber. Doch eine solche Regelung lehnt die große Mehrheit der Bundesbürger ab.

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Für die Autoindustrie sind klare gesetzliche Regelungen für die Entwicklung selbstfahrender Autos von großer Bedeutung. Quelle: dpa

Berlin Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist überzeugt, mit seinem Autopilot-Gesetz alles richtig gemacht zu haben. Nachdem das Kabinett im Januar seine Regelungen zum sogenannten automatisierten Fahren beschloss, sprach er vom „modernsten Straßenverkehrsrecht der Welt“, das, so seine Vorstellung, die „größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Automobils“ ermöglichen werde. Doch ganz so rosig, wie Dobrindt sich die automobile Zukunft ausmalt, ist sie nicht.

Das Problem ist, dass sein Gesetz an wichtigen Punkten unscharf formuliert ist. Beispielsweise wird eine Frage, die zentral ist für den Erfolg des automatisierten Fahrens, nämlich wer bei einem Unfall haftet – Fahrer oder Hersteller – nicht eindeutig beantwortet. Im Gesetz heißt es zwar, dass der Fahrer verpflichtet sei, „die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen“ - wenn das System in dazu auffordert oder der Fahrer erkennt, dass es Probleme mit dem System gibt. Doch wann das der Fall ist und wann Fahrer oder Hersteller haften, bleibt unklar.

Sicher aber muss der Fahrer die Bedienungsanleitung studieren, also die Grenzen des Systems „beherrschen und beachten“ und die Kontrolle übernehmen. Auch wenn ihn das System dazu nicht auffordert, wie es in der Gesetzesbegründung heißt. Im Klartext: Der Fahrer trägt im Zweifel immer die Verantwortung. „So ein Gesetz braucht kein Mensch“, heißt es dazu in der Regierung. Vor allem dürften solche schwammigen Regelungen auch kaum dazu führen, dass Autofahrer sich für die neue Technik begeistern werden.

Das legt zumindest eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom nahe, die dem Handelsblatt vorliegt. Im Fall von Unfällen sieht danach die große Mehrheit (73 Prozent) der 1.006 befragten Bundesbürger, darunter 779 Autofahrer, die Fahrzeug-Hersteller beziehungsweise die Software-Anbieter des Autopiloten in der Haftung, nur rund jeder Fünfte (19 Prozent) den Fahrer.

Die kritische Haltung der Befragten kommt nicht von ungefähr, denn nur elf Prozent sehen keinerlei Nachteile von selbstfahrenden Autos. 63 Prozent haben demnach Angst vor technischen Problemen, 61 Prozent sorgen sich, dass ein solches Fahrzeug gehackt werden könnte, und 52 Prozent haben Bedenken, dass persönliche Fahrzeugdaten wie Wegstrecken von Dritten ohne ihr Wissen genutzt werden könnten. Rund jeder Dritte (30 Prozent) traut laut der Bitkom-Erhebung zudem der Technik in Gefahrensituationen weniger zu als dem Menschen und jeder Vierte (24 Prozent) hat generell wenig Vertrauen in Technik.


„Wir müssen im Verkehr Aufbau digitaler Infrastrukturen vorantreiben“

„Damit autonome Autos Akzeptanz finden, müssen sie ein Höchstmaß an Sicherheit garantieren“, betont denn auch Bitkom-Vizepräsident Achim Berg. Mit Blick auf die Bundestagswahl fordert der Bitkom daher, gesetzliche Haftungsfragen zügig zu klären und „keine unnötige Regulierung einzuführen, die diese Technologie ausbremsen könnte“. Zudem seien Testfelder wie auf der A9 notwendig, um autonomes Fahren unter Realbedingungen zu erproben.

„Wir müssen auch im Verkehr den Aufbau digitaler Infrastrukturen vorantreiben“, forderte Berg. Dabei gehe es zum Beispiel um intelligente Ampeln und vernetzte Verkehrszeichen, aber auch um die Möglichkeit, dass Autos untereinander kommunizieren und sich etwa vor Gefahren auf der Strecke gegenseitig warnen. „Wir müssen jetzt die Chance ergreifen, bei der Mobilität der Zukunft, bei der Vernetzung von Verkehrsmitteln und bei selbstfahrenden Fahrzeugen weltweit führend zu sein.“

Glaubt man der Bitkom-Umfrage stehen eigentlich sogar viele Autofahrer der neuen Technologie aufgeschlossen gegenüber. Zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten geben etwa an, dass sie Vorteile von selbstfahrenden Fahrzeugen sehen. 44 Prozent erwarten einen besseren Verkehrsfluss, 40 Prozent einen geringeren Verbrauch, 34 Prozent mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer und 27 Prozent einen besseren Schutz der Insassen.

Jeder Vierte (25 Prozent) geht davon aus, dank Autopilot mehr Zeit für andere Dinge zu haben. Damit dieser Wunsch Realität wird, befürworten sieben von zehn Befragten (71 Prozent), dass bereits heute autonome Autos auf öffentlichen Straßen getestet werden.

Bitkom-Vize Berg hält indes eindeutige Ansagen des Gesetzgebers für unabdingbar, auch und vor allem bei datenschutzrechtlichen Fragen. „Wir brauchen klare und transparente Regeln, wer wann welche Daten zu welchem Zweck nutzen darf“, sagte er.


„Die Fahrzeuge werden zur Datenkrake“

Die Bundesbürger sind der Umfrage zufolge in dieser Hinsicht immerhin schon einmal bereit, Fahrzeugdaten Dritten zur Verfügung zu stellen. Jeder Neunte (11 Prozent) würde dies grundsätzlich tun, rund jeder Zweite (48 Prozent) wenn damit ein gesellschaftlicher Nutzen wie ein besserer Verkehrsfluss oder die Aufklärung von Straftaten verbunden ist.

Jeder Dritte (32 Prozent) wäre einverstanden, die Daten speichern und nutzen zu lassen, wenn er dadurch persönliche Vorteile hätte, etwa individuelle Verkehrsmeldungen oder eine Parkplatzreservierung am Zielort. Drei Viertel der Befragten (75 Prozent) fordern zudem, dass in selbstfahrenden Autos serienmäßig eine Black Box wie in Flugzeugen eingebaut wird, um bei Unfällen die Ursache aufzuklären.

Die Grünen warnen allerdings schon vor großen Nachteilen für die Autofahrer. „Die Fahrzeuge werden zur Datenkrake, wenn Fahrdaten bis zu drei Jahre lang gespeichert werden dürfen“, konstatierte der Verkehrsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Stephan Kühn. Auf diese Daten sollen Behörden und Versicherer laut den Dobrindt-Plänen zugreifen dürfen.

Auch verweist sein Gesetz immer wieder darauf, dass die Fahrfunktionen aber auch der Datenspeicher den internationalen Vorgaben entsprechen müssen – die aber noch gar nicht beschlossen oder gar verhandelt sind. Es sei „ungewöhnlich“, auf Vorschriften zu verweisen, „die noch nicht einmal im Ansatz existieren“, kritisiert denn auch der ADAC.

Für die Autoindustrie ist indes das Gesetz für die Entwicklung selbstfahrender Autos von großer Bedeutung. Dobrindt macht denn auch deutlich, dass er Deutschland zum Leitmarkt solcher Fahrzeuge machen wolle.

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