Unfall-Umfrage Gutverdiener fahren besonders rücksichtslos

Drängeln und Hupen gehört auf Deutschlands Straßen zum Alltag, die Stimmung ist aggressiv. Trotzdem fühlen sich viele sicher, wie eine Umfrage von Unfallforschern ergibt. Welche Gefühle noch mit am Steuer sitzen.

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Aggressive Stimmung macht sich breit bei deutschen Autofahrern. Quelle: dpa

Mehr als jeder dritte Autofahrer auf Deutschlands Straßen ist in aggressiver Stimmung unterwegs. Das geht aus einer Umfrage der Unfallforscher der Versicherer hervor, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Danach fühlen sich viele Bundesbürger im Straßenverkehr gestresst. Gewachsen ist dagegen das Sicherheitsgefühl.

Im Vergleich zum Jahr 2010 fühlen sich deutlich mehr Menschen im Straßenverkehr sicher. Der Wert stieg von gut der Hälfte der Befragten auf fast zwei Drittel. Dieses positive Ergebnis zum Verkehrsklima überrascht die Unfallforscher. Sie erklären sich den Zuwachs vor allem durch Frauen. „Da sitzt eine neue Frauengeneration am Steuer, die das Fahrzeug selbstbewusst führt“, sagt Brockmann. Sicher ist aber nicht gleichbedeutend mit angenehm. Harmonie verbindet weniger als ein Drittel der Befragten mit dem Begriff Straßenverkehr.

Welche Gefühle bei Autofahrern noch vorherrschen zeigen ausgewählte Ergebnisse der Befragung.


Aggression

Lichthupe, drängeln und rechts auf der Autobahn überholen - der Verkehrsalltag ist kein Ruhmesblatt für Deutschlands Autofahrer. Fast die Hälfte der Männer (44 Prozent) und mehr als ein Drittel der Frauen (39 Prozent) schätzt sich als „mindestens manchmal aggressiv“ ein. Spitzenwerte bis hin zu 58 Prozent gibt es bei den Mitte 20- bis Mitte 40-Jährigen. Unfallforscher Siegfried Brockmann, der an der Studie beteiligt war, hält dieses Aggressionspotenzial für realistisch. „Allerdings machen sich die meisten Autofahrer den Stress selbst“, urteilt er. Überrascht hat ihn, dass gut verdienende Akademiker laut der Studie besonders rücksichtslos fahren. „Ich denke, es sind Menschen, die es gewohnt sind, sich durchzusetzen. Und die Straße als ein Revier sehen, in dem sie sich durchzusetzen haben.“

Die Autos mit den meisten Todesfällen
Ford Focus Quelle: Reuters
Nissan Versa Quelle: Nissan
Honda Civic Quelle: AP
Chevrolet Silverado Quelle: REUTERS
Chevrolet CamaroIm Bild ist der Camaro über einer Reihe von Corvettes zu sehen. Mit 80 Todesfällen pro eine Million zugelassene Fahrzeuge ist der Camaro ein weiterer untypischer Fall in der Statistik, in der hauptsächlich Kleinwagen und günstige Einsteigermodelle die schlechteren Plätze belegen. Die IIHS-Experten erklären dies mit der Zielgruppe junger Männer, die zu riskantem Fahrverhalten neigen. Quelle: dapd
Hyundai Accent Quelle: obs
Chevrolet Aveo Quelle: AP

Stress

Dieses Gefühl dominiert, wenn es um die Beschreibung vom Straßenverkehr geht. Rund die Hälfte der Befragten fühlt sich gestresst. Hohe Zustimmungswerte gibt es auch für die Begriffe „aufreibend“ und „erzeugt Druck“. Rund ein Drittel macht der Straßenverkehr generell „nervös“. Forscher Brockmann erscheinen diese Wertungen ziemlich negativ. „Ich halte aber auch das für eine realistische Einschätzung“, ergänzt er. „Verkehrsraum ist knapp geworden. Die wachsende Konkurrenz darum empfinden viele Verkehrsteilnehmer nicht als angenehm.“

Frau am Steuer

Frauen fahren nicht nur selbstbewusster als früher, sie lassen sich auch weniger gefallen. Drängelt der Hintermann, tritt ein Drittel der befragten Fahrerinnen erstmal auf die Bremse - um ihn zu ärgern. Dieser Wert liegt um zwei Prozent höher als bei Männern. Selbst zu drängeln liegt Frauen dagegen deutlich weniger als Männern. „Frauen sind nicht aufs Beherrschen der Straße ausgerichtet. Ihnen geht es eher um Selbstbehauptung und auch ums Erziehen der anderen“, sagt Forscher Brockmann. Männer zeigten dagegen weiterhin vorwiegend ein Dominanzverhalten.

Immer die Anderen sind schuld

Kritikfähigkeit ist Autofahrern in Deutschland wenig gegeben. Zwar beobachten fast alle Befragten ein zu dichtes Einscheren anderer Autos oder dreistes Vorbeiziehen an Kolonnen. Aber nur ein Fünftel gibt zu, das auch schon einmal gemacht zu haben. 97 Prozent haben auch gesehen wie Radfahrer zu dicht überholt werden. Aber 95 Prozent schwören, dass sie immer besonders viel Rücksicht auf Radler nehmen. Unfallforscher Brockmann erklärt sich diesen Widerspruch mit einer falschen Selbstwahrnehmung bei Autofahrern und einem unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten.

Zehn Tipps, wie Sie ein Unfallauto erkennen
Blick auf den LackOb großer Unfall oder kleiner Zusammenstoß – die Folgen lassen sich bei dem erkennen, was direkt ins Auge sticht: dem Lack. Gebrauchtwagenkäufer sollten überprüfen, ob er überall den gleichen Eindruck macht. Gibt es Farbunterschiede, ist er überall gleich durch Witterung und Waschanlagen abgenutzt, gibt es Stellen, die neuer wirken? Gerade bei Metallic-Farben fallen nachlackierte Bereiche durch unterschiedliche Reflexionen auf. Wenn Nachlackierungen zu allem Überfluss stümperhaft vorgenommen wurden, lässt sich das etwa an leichten Farbresten an Fenstern und Gummis erkennen. Quelle: dapd
Spachtelmasse auf der SpurLackierer füllen Beulen und Vertiefungen gerne mit Spachtelmasse auf. Diese können Autokäufer mit einem Lackschichtenstärkemesser aufspüren, der angibt, wie dick der Lack an der jeweiligen Stelle ist. Es lohnt sich besonders an Stellen, die oft von Unfällen betroffen sind, wie Kotflügelspitzen, Radläufen und Heckabschlussblech. Wer kein solches Messgerät zur Hand hat, kann auch auf einen Magneten zurückgreifen: Je dicker Lack und Spachtel, desto schwächer ist die Haftwirkung. Ansonsten hilft auch, zu klopfen.  Dort, wo nicht nur reines Blech zu finden ist, klingt das Klopfgeräusch dumpfer. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Spalten ertastenOb Teile ausgetauscht wurden, lässt sich nicht nur an Lackunterschieden zum restlichen Auto erkennen, sondern auch an den Fugen. Je teurer das Auto ist, desto präziser verlaufen die Spalten. Wenn man mit dem Finger die Fugen entlangfährt, lassen sich möglicherweise unterschiedliche Spaltmaße ertasten. Diese weisen auf einen Austausch von Teilen nach einem Unfall hin. Quelle: dpa
Die Tür kontrollierenOb ein Auto einen Unfall hatte, lässt sich auch daran erkennen, wie gut die Türen schließen. Fallen sie nicht leicht und satt ins Schloss, kann das daran liegen, dass sie nach einem Unfall nicht richtig justiert wurden. Quelle: Volkswagen
Nach der Lenkradstellung schauenSchon ein kräftiger Stoß gegen den Bordstein kann für kleine Stauchungen an Teilen der Lenkung sorgen. Das führt zu einem leicht links oder rechts geneigten Lenkrad. Quelle: Chevrolet
Auf die Abnutzung der Reifen achtenSind Reifen außen beispielsweise stärker abgenutzt als innen, können das Spätfolgen eines Unfalls sein, denn dabei wird öfter die Radaufhängung beschädigt. Falsch repariert, führt das zu so einer ungleichmäßigen Abnutzung. Quelle: dpa/dpaweb
Unter die Motorhaube guckenDie Längsträger, die unter der Motorhaube unter anderem den Motor und die Stoßstange fixieren, können bei einem Unfall beschädigt werden. Bei einem Blick unter die Motorhaube sollten Kunden deshalb nach Stauchungen und Schweißstellen suchen. Quelle: dpa

Unfälle

Dass die Selbstwahrnehmung, immer gut zu fahren, oft täuscht, zeigt die Unfallstatistik. Die meisten Crashs bauen nach der Umfrage jene Autofahrer, die besonders rücksichtslos unterwegs sind. Sie kassieren auch die meisten Strafen bis hin zu Fahrverboten. „Es trifft die Richtigen, aber die Strafen führen nicht zu einem weniger riskanten Verhalten“, bilanziert Brockmann. „Die Einsicht fehlt. Der Glaube, gut zu fahren, ist immer größer.“

Senioren

Vorsicht als Tugend im Straßenverkehr erreicht mit mehr als 80 Prozent Zustimmung einen hohen Wert in der Umfrage, dicht dahinter liegen Wachsamkeit, Aufmerksamkeit und Kenntnis der Regeln. Aber ab 70 Jahren geht der Studie zufolge die Wertschätzung all dieser Tugenden deutlich zurück. „Wahrscheinlich glauben Senioren, dass ihnen ihre Erfahrung hilft. Dabei ist eine Selbstüberschätzung möglich“, sagt Brockmann. Die Quittung dafür bekommen ältere Autofahrer in der Studie: Mehr als zwei Drittel der Befragten sprechen sich für einen Fahrtauglichkeitstest ab 75 Jahren aus. Einzig die Senioren stimmen solchen Vorschlägen nicht zu. „Mit Blick auf die schweren Unfälle älterer Autofahrer haben die Leute auch hier eine realistische Einschätzung“, urteilt Brockmann.

Schöner flunkern?

Im Vergleich zu 2010 bekennen sich deutlich weniger Autofahrer zum Handy am Steuer. 80 Prozent geben an, niemals ohne Freisprechanlage zu telefonieren. Und nur fünf Prozent geben zu, bei der Fahrt SMS oder E-Mails zu lesen. Obwohl die Risiken gut bekannt sind, glaubt Unfallforscher Brockmann nicht an den großen Bewusstseinswandel. „Das hat mit der Realität wenig zu tun“, betont er. „Wir halten das für einen Effekt von sozialer Erwünschtheit bei Befragungen.“

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