Unionspolitiker für Zwangsschlichtung Lufthansa-Tarifkonflikt sorgt für Streit in der CDU

Die Lufthansa-Piloten streiken erneut, und ein Ende in dem Tarifkonflikt ist nicht in Sicht. Solche Fälle will man in der CDU mit einer Zwangsschlichtung verhindern. Doch in den eigenen Reihen regt sich Widerstand.

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Die Tarifauseinandersetzung zwischen der Lufthansa und ihren Piloten zieht sich seit April 2014 hin. Quelle: Reuters

Berlin In der CDU ist ein Streit über Konsequenzen aus dem Lufthansa-Tarifkonflikt entbrannt. Auslöser ist die vom CDU-Wirtschaftsflügel geforderte Zwangsschlichtung. Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, wandte sich gegen entsprechende Überlegungen von Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU).

„Eine Zwangsschlichtung wäre ein massiver Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie und würde vor den Gerichten nicht halten“, sagte Bäumler dem Handelsblatt. Auch wenn der aktuelle Pilotenstreik für Außenstehende schwer nachvollziehbar sei, „sollte die Politik hier außen vor bleiben“, betonte der CDA-Vize. Fuchs hatte angesichts der neuerlichen Piloten-Streiks bei der Lufthansa kürzlich erklärt, dass nun „dringend die Möglichkeit zur Zwangsschlichtung“ nötig sei.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sei nun „gefordert, endlich entsprechend zu handeln“, hatte der CDU-Wirtschaftspolitiker der „Bild“-Zeitung gesagt. Er verurteilte den Streik der Lufthansa-Piloten: „Es kann nicht sein, dass ein paar Piloten immer wieder Hunderttausende in Geiselhaft nehmen“, so Fuchs.

Doch ein Ende des Pilotenstreiks ist nicht absehbar. Im Gegenteil, Reisende der Lufthansa müssen an diesem Dienstag und am morgigen Mittwoch erneut mit hunderten Flugausfällen rechnen. Wegen des Streiks fielen allein am Dienstag 816 Kurzstreckenflüge aus, sagte ein Lufthansa-Sprecher. Betroffen seien rund 82.000 Fluggäste. Die Flugzeugführer der größten deutschen Airline lassen die Arbeit seit Mitternacht wieder ruhen.

Am Mittwoch sollen zusätzlich zu den Deutschland- und Europaflügen auch die Langstreckenjets am Boden bleiben. Insgesamt würden an beiden Tagen zusammen 1700 Flüge gestrichen. Hinter dem Streik steht die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit, die die Lufthansa bereits von Mittwoch bis Samstag größtenteils lahmgelegt hatte.

Die Tarifauseinandersetzung zieht sich seit April 2014 hin. Die Arbeitnehmervertretung fordert für 5400 Lufthansa-Piloten 3,7 Prozent mehr Geld im Jahr - einschließlich Nachzahlungen für vier Jahre. Die Lufthansa bietet 0,7 Prozent über eine Laufzeit von gut sechs Jahren. Darüber hinaus geht es in dem Clinch um die Alters- und Vorruhestandsversorgung der Flugzeugführer und den Ausbau des konzerneigenen Billigfliegers Eurowings. Die Fronten sind vollkommen verhärtet.


Piloten knüpfen Schlichtung an Bedingungen

„Solange wir kein verhandlungsfähiges Angebot haben, kann es immer wieder zu Streiks kommen“, sagte Cockpit-Vorstand Jörg Handwerg der „Süddeutschen Zeitung“. „Jeder Kunde muss entscheiden, ob er das Risiko einer Buchung eingeht oder andere Reisewege sucht.“

Eine Schlichtung in dem Tarifkonflikt lehnt die Pilotengewerkschaft aber nicht kategorisch ab. „Wir verweigern uns nicht einer Schlichtung“, sagte Cockpit-Vorstand Alexander Gerhard-Madjidi im Deutschlandfunk. Allerdings brauche man für eine Schlichtung ein verhandlungsfähiges Angebot des Arbeitgebers. „Das hat die Lufthansa nicht vorgelegt“, sagte Gerhard-Madjidi. Es sei nicht akzeptabel, dass die Erhöhung an anderer Stelle auch wieder kompensiert werden solle. „Insgesamt käme ein Minus von 15 Prozent dabei raus.“

Den Antrag der Lufthansa auf Untersagung des Ausstands der Piloten am Dienstag und Mittwoch hatte das Arbeitsgericht München am Montag abgewiesen. Eine Beschwerde vor der Berufungsinstanz zogen die Rechtsvertreter des Konzerns am Abend nach gut einstündiger Verhandlung zurück.

Könnte vor diesem Hintergrund eine Zwangsschlichtung helfen, den Konflikt zu beenden? Wohl kaum. Denn die vom CDU-Wirtschaftsflügel ins Spiel gebrachte Maßnahme gibt es nach deutschem Recht nicht, weil sie in die Belange der verfassungsrechtlich geschützten Tarifpartner eingreifen würde. In der Weimarer Republik hatte man nach großen Streikwellen 1923 eine staatlich kontrollierte Zwangsschlichtung eingeführt, die dem Arbeitsminister das letzte Wort zubilligte.

Arbeitsministerin Nahles sieht aber offenbar keinen Handlungsbedarf und würde dafür auch keinen Rückhalt bei den Gewerkschaften finden. „Die Tarifautonomie gilt, und deswegen ist es jetzt den Tarifpartnern überlassen, da eine Lösung zu finden“, sagte erst kürzlich ein Sprecher von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).


Im Bauhauptgewerbe ist „Einlassungszwang“ als Druckmittel erlaubt

Ähnlich hatte sich auch der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert, geäußert. Die Streiks seien zwar auf Dauer eine „Mobilitätsbelastung“, sagte der SPD-Politiker. Die Tarifautonomie und mit ihr das Streikrecht seien aber ein hohes Gut, das sich über Jahrzehnte bewährt habe. „Ich halte nichts davon, nun gesetzgeberisch tätig zu werden.“

Politiker der Union hatten bereits bei den wiederholten Lokführerstreiks im vergangenen Jahr die Möglichkeit einer Zwangsschlichtung gefordert. Damals erklärte der Tarif-Experte der gewerkschaftlichen Boeckler-Stiftung, Reinhard Bispinck die Maßnahme als untauglich, da nach geltendem Recht eine Schlichtung „von den Partnern in allen Details vereinbart werden und absolut freiwillig sein“ müsse.

Ein Einfluss des Staates wie auf die 1923 eingeführte Zwangsschlichtung in der Weimarer Republik wäre aus seiner Sicht „absolut verfassungswidrig“. Im Grundgesetz habe man sich bewusst für die Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie entschieden.

In einigen Branchen- und Haustarifen gibt es laut Bispinck freiwillige Schlichtungsvereinbarungen. Lediglich im Bauhauptgewerbe kann eine Seite die andere per „Einlassungszwang“ in die Schlichtung bewegen. Allerdings ist auch hier der mögliche Schlichterspruch keineswegs bindend für die Parteien. Schlichtungen würden vergleichsweise selten angestrengt, führten dann aber sehr häufig auch zum Abschluss. Meist ist die Schlichtungsphase mit einer Friedenspflicht verbunden. Das heißt, es darf weder gestreikt noch ausgesperrt werden.

Eines der bekanntesten Beispiele einer nicht angenommenen Empfehlung ist die Schlichtung bei der Deutschen Bahn im Jahr 2007. Damals hatten die CDU-Größen Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler einen Schlichterspruch verkündet, doch die Lokführergewerkschaft GDL mit Manfred Schell und die Deutsche Bahn mit Hartmut Mehdorn an der Spitze stritten noch mehrere Monate weiter.

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