Das Leben eines Tankstellenpächters ist hart. Täglich arbeitet Tony Schönbeck 12 bis 14 Stunden, der Benzinklau nimmt zu, und die Margen sind schmal. „Ein Traumberuf ist es weiß Gott nicht“, sagt der 33-jährige gelernte Kfz-Mechaniker, „aber ich bin nun mal auf Tankstellen mit Benzin im Blut groß geworden.“
Was den Pächter von sechs Tankstationen jedoch in Rage bringt, ist seit einiger Zeit der Fiskus. Als er seinen Steuerbescheid für 2008 in der Hand hielt, staunte er nicht schlecht. Bei einem Gewinn von gut 15.000 Euro sollte er neben 2.400 Euro Körperschaftsteuer auch noch 10.200 Euro Gewerbesteuer an das Finanzamt Hamburg zahlen – mehr als doppelt so viel wie vorher. Ein Versehen? Schönbeck fragte seinen Steuerberater Thomas Wiethoff, doch der stellte lakonisch fest: „Sie sind ein Opfer der Unternehmenssteuerreform geworden.“
Die Reform der Unternehmenssteuer...
Um fünf Milliarden Euro jährlich wollte die große Koalition die Wirtschaft mit der Unternehmenssteuerreform 2008 entlasten.
Kernstücke sind die Senkung des Körperschaftsteuersatzes von 25 auf 15 Prozent mit einer Entlastung um 12,6 Milliarden Euro und die Gewinnthesaurierung für Personengesellschaften mit vier Milliarden Euro.
Zur Gegenfinanzierung setzte die Regierung vor allem bei der Gewerbesteuer an; die Hinzurechnung von Mieten, Zinsen, Pachten, Leasingraten und Lizenzen sollte eine Milliarde Euro mehr einbringen, der Wegfall des Gewerbesteuerabzugs bei der Körperschaftsteuer sogar 11,4 Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse spülen.
"Investition in den Standort Deutschland"
Gemeint ist die von der großen Koalition 2007 beschlossene Reform unter Leitung des früheren Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD). Um fünf Milliarden Euro wollte er die Wirtschaft entlasten, den Steuersatz für Unternehmen von 40 auf knapp 30 Prozent drücken, als „Investition in den Standort Deutschland“ (Steinbrück). Doch zur Gegenfinanzierung wurden unter anderem Mieten, Zinsen, Pachten, Leasinggebühren und Lizenzen der Gewerbesteuer unterworfen – also Posten, die bei den Unternehmen als Ausgaben zu Buche schlagen. Und die Gewerbesteuer ist als Betriebsausgabe nicht mehr von der Körperschaftsteuer absetzbar. Deswegen muss der Tankwart heute mehr statt weniger Steuern zahlen.
...und ihr Verlierer Tony Schönbeck
Die Steuerlast des Hamburger Tankstellenpächters verdoppelt sich durch die Reform um 6.000 Euro.
Bei einem Vorsteuergewinn seiner GmbH von 15.800 Euro muss er 12.700 Euro Steuern zahlen. Allein die Gewerbesteuer steigt um 6.500 Euro, weil diese nun auch auf seine Pacht erhoben wird.
Das konterkariert die Entlastung um 500 Euro bei der Körperschaftsteuer.
Doch Schönbeck wehrt sich. Er focht den Steuerbescheid an, zog samt Steuerberater Wiethoff und Anwalt Christoph Malzkorn von der ETL Steuerrecht vor das Finanzgericht Hamburg – und bekam dort recht. Der 1. Senat sieht in den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen von Mieten, Zinsen oder Lizenzgebühren einen Verstoß „gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), da sie das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und das daraus folgende Gebot nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (nach Art. 14 GG) verletzen und ein rechtfertigender Grund hierfür nicht vorliegt“. Die Richter überwiesen den Fall deshalb im Frühjahr an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Zugleich befasst sich auch der Bundesfinanzhof in München mit der Sache. Tankstellen-Tony könnte also bald Steuergeschichte schreiben, falls die Gerichte die bestehende Gewerbesteuer-Berechnung verwerfen.
Dann müsste der Deutsche Bundestag die Unternehmenssteuerreform aus der Zeit der großen Koalition neu aufrollen. Tausende Betriebe mit hohen Miet- oder Pachtzahlungen könnten auf Entlastung hoffen.
Für den Fiskus geht es um viel Geld. Allein in diesem Jahr soll die Gewerbesteuer mehr als 42 Milliarden Euro in die Staatsschatullen spülen, vornehmlich in die Kassen der Kommunen. Kippt aber die umstrittene Substanzbesteuerung, müssten Städte und Gemeinden künftig mit deutlich weniger auskommen. Die Wirtschaft dagegen würde von jährlich einer Milliarde Euro Abgabenlast befreit.
Auch Schlecker musste zahlen
Betroffen sind viele mittelständische Unternehmer. „Im Handel“, sagt Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland (HDE), „ist die Abgabenlast durch die Steuerreform um fünf Prozentpunkte auf durchschnittlich 45 Prozent gestiegen.“ Selbst taumelnde Unternehmen wie Arcandor (Karstadt) und Schlecker mussten trotz hoher Verluste noch Gewerbesteuer zahlen – wie das bei einer Substanzbesteuerung eben so üblich ist.