Urteil des EuGH EU-Ausländer müssen auf Sozialleistungen verzichten

Der Europäische Gerichtshof hat die Klage eines Spaniers abgewiesen und deutsche Regeln bestätigt. Danach haben EU-Ausländer in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts keinen Anspruch auf Sozialleistungen.

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Das Sozialgesetzbuch sieht vor, dass EU-Ausländer in den ersten drei Monaten keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Doch die Regelung ist umstritten. Quelle: dpa

Düsseldorf Für den spanischen Kläger war alles klar, als er im Juni 2012 mit seinem Sohn nach Deutschland zog. Seine Lebensgefährtin lebte mit der gemeinsamen Tochter bereits in Deutschland und hatte in der Nähe von Recklinghausen einen sozialversicherungspflichtigen Job gefunden. Nach seinem Umzug im Sommer beantragte der Spanier für August und September Sozialleistungen für sich und seinen Sohn.

Doch die Bundesagentur für Arbeit lehnte ab. Laut Sozialgesetzbuch haben Ausländer, die nach Deutschland ziehen, in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Dazu zählen Arbeitslosengeld und Kindergeld.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) lehnte die Klage des Spaniers jetzt ab. EU-Bürger hätten zwar das Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat ohne weitere Formalitäten für bis zu drei Monate aufzuhalten, erklärten die Richter am Donnerstag in Luxemburg. Die EU-Richtlinie erlaube den Mitgliedstaaten aber, „zur Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts“ ihrer Sozialsysteme den Betroffenen in diesem Zeitraum „jegliche Sozialhilfeleistungen zu verweigern“. Dieser Ausschluss setze auch keine individuelle Prüfung im Einzelfall voraus, betonte der Gerichtshof.

Im Grundsatz ging es darum, ob die Regelung des deutschen Sozialgesetzbuches auch auf EU-Ebene Bestand hat - und nicht gegen Arbeitnehmer-Freizügigkeit und Nicht-Diskriminierung verstößt. Die Richter am EuGH mussten deshalb klären, ob die Texte im Sozialgesetzbuch mit den EU-Prinzipien vereinbar und Ausnahmen für Ausländer gerechtfertigt sind. Daran hatte das Landessozialgericht in Nordrhein-Westfalen Zweifel. Deshalb kam der Fall zum EuGH.


Merkel: Sozialleistungen muss man sich erst verdienen

Der Europäische Gerichtshof folgte mit seinem Urteil der Argumentation des Generalanwalts Melchior Wathelet. Dieser hatte bereits im Juni 2015 erklärt, dass die Regelung in Deutschland sehr wohl mit dem europäischen Gesetzeswerk zu vereinbaren sei. Die Prinzipien der Arbeitnehmer-Freizügigkeit und der Gleichbehandlung bedeuteten schließlich nicht, dass die nationalen Regierungen den Einwanderern in den ersten drei Monaten den Lebensunterhalt finanzieren müssten, befand Wathelet.

„Nähme man nämlich das Gegenteil an und räumte Unionsbürgern […] das Recht auf Sozialhilfeleistungen ein, bestünde die Gefahr, dass dadurch eine Massenzuwanderung ausgelöst wird, die eine unangemessene Inanspruchnahme der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit nach sich ziehen könnte“, hieß es in der Abschlusserklärung des Generalanwalts.

Freilich war seine Argumentation unter Rechtsexperten umstritten. So habe das Arbeitslosengeld II nicht nur den Sinn und Zweck, den Lebensunterhalt der betroffenen Personen zu finanzieren, sondern diene auch als Hilfe zur Integration in den Arbeitsmarkt, wurde argumentiert. Verweigere die Bundesrepublik diese Hilfe einer bestimmten Gruppe, wie etwa Ausländern, könnte das zu Nachteilen auf dem Arbeitsmarkt führen. Die Folge wäre eine offensichtliche Diskriminierung.

Kanzlerin Angela Merkel hatte kürzlich in einer Regierungserklärung die deutschen Regeln verteidigt. Sozialleistungen müsse man sich schließlich erst verdienen, sagte sie. „Die Zuständigkeit für die jeweiligen Sozialsysteme liegt eben nicht zentral in Brüssel, sondern bei den einzelnen Mitgliedsstaaten.“

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