US-Sanktionen gegen Russland & Co. Rundumschlag ohne Strategie

Die US-Parlamentarier schaffen es endlich, gemeinsam ein Projekt zu beschließen. Den Präsidenten zwingen sie bei den Sanktionen gegen Russland, Iran und Nordkorea auf ihre Linie. Doch der Schaden überwiegt den Nutzen.

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New York Das Weiße Haus hat angekündigt, dass US-Präsident Donald Trump ein Gesetz mit Sanktionen gegen Russland, Iran und Nordkorea unterzeichnen will. Zu groß war die geballte Kraft der Parlamentarier im Abgeordnetenhaus und Senat, wo ausnahmsweise Republikaner und Demokraten fast einstimmig ihre Beschlüsse gefasst haben. Zu gefährlich wäre es auch gewesen, Russland-Sanktionen mit einem Veto, das die Parlamente ohnehin später überstimmt hätten, aufzuhalten. Denn ein Veto hätte sehr verdächtig ausgesehen, so lange gegen Trump und seine Umgebung wegen möglicher unsauberer Russland-Kontakte oder gar eine Zusammenarbeit bei russischen Hacker-Angriffen auf seine Wahlkampf-Gegnerin Hillary Clinton ermittelt wird.

Russland hat schon die massenhafte Ausweisung amerikanischer Diplomaten als Reaktion angedroht. Die halbwegs gute Nachricht für Deutschland: Offenbar sind die Sanktionen so formuliert, dass der US-Präsident europäische Unternehmen, die mit der russischen Seite zusammenarbeiten, nicht automatisch bestrafen muss. Damit ist es zumindest möglich, die neuen Regeln so auszulegen, dass sich das gestörte amerikanisch-deutsche Verhältnis nicht noch weiter verschlechtern muss. Deutschland hatte schon im Vorfeld protestiert. Denn es hat ein enges Interessenbündnis mit Russland. Die Russen schätzen die Deutschen als zuverlässige Devisenbringer, die Deutschen das russische Gas, das im Winter viele ihrer Wohnungen heizt.

Die Interessenlage in Europa ist freilich nicht einheitlich. Länder in Osteuropa sehen das Energiebündnis zwischen Deutschland und Russland mit Skepsis. Mit noch mehr Misstrauen beäugen sie Pipelines durch die Ostsee – nach Nordstream 1 ist jetzt Nordstream 2 im Gespräch. Diese direkten Verbindungen berauben sie nicht nur der Transitgebühren, die sie bei Überlandleitungen erheben können. Sie würden es Russland auch ermöglichen, sie von der Energieversorgung abzuschneiden ohne Deutschland zu schädigen. Damit werden die Oststaaten politisch erpressbarer.

Trump und seine Berater träumen davon, amerikanisches Flüssiggas zum Exportschlager zu machen. Ob das eine wirtschaftliche Alternative ist, bleibt dahingestellt. Aber das Angebot könnte aus strategischen Gründen interessant für ein Land wie Polen sein, das sich gerade zunehmend in Europa isoliert. Ein heikles Thema, das zur weiteren Spaltung Europas beitragen kann.

Insgesamt sind die Sanktionen eher ein Zeichen der Schwäche als der Stärke. Und sie werden voraussichtlich zu einer weiteren Schwächung der US-Position beitragen.

Seit Jahrzehnten wird auch in den USA diskutiert, ob Sanktionen überhaupt ihren Zweck erfüllen. Der Irak gab dabei ein schauerliches Beispiel ab. Die Sanktionen gegen das Land bereicherten die korrupte Clique um Saddam Hussein und zerstörten den Mittelstand des Landes, der nach dem Irak-Krieg beim Wiederaufbau des Landes und der Errichtung einer Demokratie gefehlt hat.

Auffällig bei den neuen Sanktionen ist, dass sie ein Rundumschlag sind. Sie sollen Russland gleich für mehrere Sünden bestrafen – die Einmischung in die US-Wahl, die Annexion der Krim, den Einsatz für die syrische Regierung. Den Iranern werfen die Amerikaner einen neuen Raketentest vor. Dabei verstößt der gar nicht gegen geltende Abmachungen. Nordkorea wird ebenfalls für Raketentests bestraft. Dabei ist es offenkundig, dass eine Diktatur, die die eigene Bevölkerung hungern lässt, mit Sanktionen schwer zu beeindrucken ist. Wenn Sanktionen überhaupt etwas bewirken sollen, muss schon deutlicher werden, wie und wogegen sie im Detail eingesetzt werden.

Die Sanktionen verhüllen, dass Amerika keine Strategie hat. In Syrien ist das besonders deutlich. Das Bündnis der Russen mit dem Assad-Regime ist eine schlechte Strategie. Aber der Westen hat überhaupt kein realistisches Konzept, was letztlich bedeutet, den Krieg dort endlos fortzusetzen. Für den Umgang mit dem Iran, der eine Schlüsselrolle für die Stabilität des Irak spielt, gibt es außer Misstrauen keinerlei politische Idee. Waffenlieferungen an Irans Intimfeind Saudi-Arabien, ein Land, das weltweit aggressiven Islamismus fördert, sind auch keine strategische Meisterleistung.

In Europa hat Trump sich bisher vor allem dadurch bemerkbar gemacht, dass er politisches Porzellan zerschlägt. Sein Versuch, mit Russland vorsichtiger umzugehen, ist vielleicht noch eine seiner besseren Ideen. Die US-Parlamentarier, die Trumps Rolle in Europa zum Teil kritisch sehen, zerstören mit dem Vorgehen gegen Russland aber nebenbei noch mehr politisches Kapital in Europa.

Hinzu kommt: Amerika hat beinahe schon demonstrativ seine Führungsrolle in der Welt zugunsten einer „America-First-Politik“ aufgegeben. Die traditionell sehr weit ausgelegten Sanktionen, bei denen Unternehmen für „Taten“ Tausende Kilometer von den USA entfernt bestraft werden, sind damit noch weniger als zuvor hinnehmbar. Man kann nicht als Weltpolizist Strafzettel verteilen, wenn man sich nicht mehr für die Sicherung weltweit geltender Spielregeln einsetzt.

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