Väter-Teilzeit Gabriels Papa-Placebo

Die SPD will mehr Väter in die Teilzeit locken. Vizekanzler Gabriel geht voran, einmal pro Woche nimmt er Papa-frei. Sein Vorstoß dürfte kaum Nachahmer finden. Die Wirtschaft stellt sich quer. Viele Väter wollen nicht.

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Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel: Der Mittwoch ist für Tochter Marie reserviert. Quelle: dpa

Berlin Vatersein ist in aller Munde. Zumindest ist nicht zu übersehen, dass die Vätermonate beim Elterngeld die Bereitschaft der Väter erhöht haben, Elternzeit zumindest zwei Monate zu nutzen. Der SPD ist das zu wenig. Sie will, dass sich Eltern generell die Kinderbetreuung teilen. „Familienarbeitszeit“ nannten die Sozialdemokraten das in ihrem Wahlprogramm. Im Koalitionsvertrag findet sich die Idee in Teilen wieder.

Damit Formulierungen wie „Elternzeit flexibler gestalten“ oder „Rolle des aktiven Vaters in der Kindererziehung und Familie weiter stärken“ keine leeren Worthülsen bleiben, stellt sich Sigmar Gabriel in der Öffentlichkeit als gutes Beispiel dar. Öffentlichkeitswirksam kündigte der SPD-Chef via „Bild“-Zeitung an, auch als stellvertretender Regierungschef und Superminister für Wirtschaft und Energie einen Nachmittag für seine Tochter freihalten zu wollen.

Im Koalitionsvertrag sind dafür gleich mehrere Verbesserungen für teilzeitarbeitende Eltern vorgesehen. Wer wegen der Kinderbetreuung von Vollzeit auf Teilzeit wechselt, soll die Möglichkeit bekommen, seine Stunden später wieder aufzustocken. Zudem ist beim Elterngeld ein Zuschlag von zehn Prozent geplant, wenn Mutter und Vater ihre Arbeitszeit auf 25 bis 30 Stunden pro Woche reduzieren. Das soll vor allem Väter in die Teilzeit locken. Ein hehrer Wunsch, der wohl nicht in Erfüllung gehen wird.

Das hat damit zu tun, dass unter Vätern die Bereitschaft relativ gering ausgeprägt ist, über die Vätermonate hinaus der Familie Vorrang vor dem Beruf einzuräumen. Eine Vier-Tage-Woche zu Gunsten der Familie à la Gabriel steht nicht im Fokus. In Führungsetagen neigt man auch deshalb nicht zur Papa-freien Zeit, weil man befürchtet, dass das der Karriere schaden könnte. In Deutschland hat nur etwa jeder Hundertste männliche Chef einen Teilzeitvertrag von 30 oder weniger Stunden, wie aus einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) hervor geht. Unter den Managern in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern ist die Quote sogar noch deutlich niedriger.

Frauen in Managementpositionen arbeiten dagegen viel häufiger Teilzeit als Männer. In Deutschland sind es 14,6 Prozent der Frauen, aber nur 1,2 Prozent der Männer. In den Niederlanden haben dagegen 31,5 Prozent der Frauen und 4,1 Prozent der Männer im Management ihre Stundenzahl reduziert. Besonders selten kommt Teilzeitarbeit in den Führungsebenen großer Unternehmen und bei Selbstständigen vor. Auch die branchenspezifischen Unterschiede sind beachtlich: Während Teilzeitmanager in Deutschland am häufigsten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und öffentliche Verwaltung vertreten sind (9,3 Prozent), bleiben teilzeitarbeitende Managerinnen und Manager im verarbeitenden Gewerbe mit 1,2 Prozent die Ausnahme.

Die Wirtschaft stößt sich vor allem an Details der von der Koalition beabsichtigten Besserstellung von Teilzeit-Vätern, wie etwa dem geplanten Rechtsanspruch auf befristete Teilzeitarbeit mit einem Rückkehrrecht zur früheren Arbeitszeit. „Wir brauchen keine neuen staatlichen Regulierungen wie zum Beispiel Verschärfungen beim Rückkehrrecht auf Vollzeit“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Achim Dercks, Handelsblatt Online. „Rechtliche Unsicherheiten, geringere personalpolitische Planbarkeit und oft auch Unfrieden in der Belegschaft drohen.“


„Ein-Tages-Papa-Betreuung hilft Kindern kaum“

Ähnlich argumentiert Lutz Goebel, Präsident des Verbands Die Familienunternehmer. „Von gesetzlicher Seite her muss man aufpassen, die Unternehmen nicht zu überfordern. Ein gesetzlich festgeschriebenes Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit wäre solch eine sehr heikle Maßnahme“, sagte Goebel Handelsblatt Online. „Damit würde den Unternehmen ein Stellenaufbau gesetzlich verordnet, den sie gar nicht brauchen.“ Denn: Möchte ein Arbeitnehmer von Vollzeit in Teilzeit wechseln, benötige der Arbeitgeber für eine halbe Stelle Ersatz, erläuterte Goebel. Mache der Teilzeitarbeiter dann aber von seinem Recht Gebrauch, wieder zurück in Vollzeit zu wechseln, habe der Unternehmer eine halbe Stelle zu viel. „Da muss man auf die gesetzliche Ausgestaltung sehr achten.“

DIHK-Geschäftsführer Dercks unterstrich zudem, dass ohnehin bereits viel bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht worden sei. In den Betrieben vor Ort seien heute schon viele pragmatische und kreative Lösungen gefunden worden. Sie berücksichtigten sowohl die betrieblichen Erfordernisse als auch die Vorstellungen der Beschäftigten. Fast alle Unternehmen böten zudem schon heute flexible Arbeitszeitmodelle an. „Wichtig ist zudem, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch bei einer Vollzeit- oder vollzeitnahen Tätigkeit gewährleistet ist“, sagte Dercks. Hierzu sei aber „insbesondere ein gutes Kinderbetreuungsangebot mit ausreichenden Öffnungszeiten erforderlich“.

Ob das allerdings Väter insbesondere in Führungsjobs animiert, mehr Elternverantwortung zu übernehmen, ist eher unwahrscheinlich. Recherchen der „Zeit“ in den Personalabteilungen der großen börsennotierten Unternehmen ergaben, dass männliche Chefs in Teilzeit die absolute Ausnahme seien. Beim Energieversorger Eon zum Beispiel arbeiteten nur zwei Prozent der männlichen Manager in Teilzeit, beim Salz- und Düngemittelhersteller K+S seien es 0,3 Prozent. Viele Unternehmen, der Baustoffkonzern HeidelbergCement zum Beispiel, hätten keinen einzigen Teilzeitchef, schreibt die Wochenzeitung.

Dabei sind Topmanager offenbar gar nicht abgeneigt, weniger zu arbeiten, wie aus einer im Jahr 2011 veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung Bain & Company hervorgeht. Demnach interessieren sich 80 Prozent der männlichen Manager für flexible Arbeitszeiten. Entscheidend ist, welches Modell dafür infrage kommt.

Staatliche Eingriffe halten Wirtschaftsforscher für den falschen Weg. Den Teilzeit-Vorstoß von SPD-Chef Gabriel sehen sie daher mit großer Skepsis. „Es hilft Kindern kaum, wenn sie einmal während der Arbeitswoche von Papa betreut werden. Eine ordentliche professionelle Kinderbetreuung hilft Kindern generell mehr und schafft Arbeitsplätze“, sagte der Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), Klaus F. Zimmermann, Handelsblatt Online. „Ich warne deshalb vor immer neuen derartigen Eingriffen in den Arbeitsmarkt.“ Insbesondere für mittelständische Betriebe, die immerhin mehr als 70 Prozent aller Jobs in Deutschland bereitstellen, seien die Vorschläge der Koalition kaum praktikabel.


„Der Staat soll keine Rollenbilder definieren“

Das sieht der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, genauso. „Ein Rückkehrrecht in Vollzeit bei erziehungsbedingter Teilzeit ist gerade für kleinere und mittlere Unternehmen nur darstellbar, wenn es ein entsprechendes Befristungsrecht für die Karenzvertretung gibt“, sagte Hüther Handelsblatt Online. Er warnte zugleich vor einer Kindergelddifferenzierung in Abhängigkeit von der Arbeitszeitreduktion der Eltern. Das entspreche dem Betreuungsgeld, das die SPD eigentlich abschaffen wolle, sagte er. „Zudem ist das Kindergeld ein Instrument der Grundsicherung für Kinder, da macht eine beliebige Differenzierung keinen Sinn.“

IZA-Chef Zimmermann plädierte für mehr berufliche Flexibilität und mehr Familienfreundlichkeit, aber auf freiwilliger Basis. „Der bessere Weg ist aus meiner Sicht, Firmen zu bewegen, mehr in die Betreuung der Kleinkinder von Betriebsangehörigen zu investieren – sei es als Zuschuss zum Kita-Besuch, sei es durch eigene Krippenplätze“, schlug er vor. Diese „Ausbaustrategie“ sollte Priorität haben. „Und in einer Zeit wachsender Verknappung von Fachkräften sollten wir alles tun, deren Potenziale zu hundert Prozent auszuschöpfen“, fügte Zimmermann hinzu. Schon heute habe Deutschland eine „zu hohe Teilzeitquote“. Die Politik sei daher „gut beraten, hier nicht noch zusätzliche Anreize zu schaffen“.

Insgesamt verteuerten die meisten solcher Maßnahmen zudem die Arbeitskosten und führten zum Verlust von Arbeitsplätzen, sagte Zimmermann weiter. Sie seien aber auch gesellschaftspolitisch, familienpolitisch und arbeitsmarktpolitisch falsch. „Wegen der demographischen Schrumpfung müssen wir künftig mehr arbeiten, nicht weniger“, betonte der Arbeitsmarktexperte. Der Fachkräftemangel erfordere dabei die Mobilisierung gerade der Frauenerwerbsbeteiligung. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte nach Zimmermanns Vorstellung vor allem durch den Ausbau des Kinderbetreuungssektors gesichert werden sowie durch den Abbau von Anreizen, zuhause zu bleiben, wie das beim Ehegattensplitting der Fall ist.

IW-Chef Hüther mahnte die Politik zur Zurückhaltung. Die innerfamiliäre Arbeitsteilung sei grundsätzlich die Sache der Eltern. „Der Staat hat hier Neutralität walten zu lassen“, sagte Hüther Handelsblatt Online. „Es ist auch nicht die Aufgabe des Staates, bestimmte Rollenbilder für Vater und Mutter in der Familie und bei der Kindererziehung zu definieren.“

In diesem Zusammenhang wies Hüther auf einer Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums hin. „Der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2013 zeigt, dass unverändert Zeitsouveränität der wichtigste Wunsch arbeitender Eltern ist und zugleich dass dies in hohem Maß von den Unternehmen realisiert wird“, sagte der IW-Chef. Auch andere Studien zeigten, dass hier viel Bewegung ist. „Im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte müssen und werden die Unternehmen dem weiter Rechnung tragen“, sagte Hüther.


Die Vorteile einer Familienarbeitszeit

Falls nicht, könnte die Politik nachhelfen. Vielleicht sogar mit der SPD-Vision einer staatlich geförderten Familienarbeitszeit. Dass dieses Instrument nicht generell verkehrt wäre, legt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), nahe. Es würde laut DIW vergleichsweise wenig kosten und die Einkommen vieler Familien mit Kleinkindern erhöhen.

Das Modell einer Familienarbeitszeit sieht vor, dass beide Eltern für maximal drei Jahre jeweils eine 80-Prozent-Stelle besetzen. Die Differenz zum Vollzeitverdienst soll der Staat teilweise ausgleichen. Die neue Leistung soll im Anschluss an das Elterngeld gezahlt werden. Die DIW-Forscher rechneten zwei Varianten durch: Im ersten Fall erhielten Arbeitnehmer mit mittleren Einkommen die Hälfte des Verdienstausfalls zur Vollzeitstelle ersetzt, im zweiten Fall wären es 65 Prozent. Die betroffenen Familien hätten im Durchschnitt 300 bis 350 Euro mehr Nettoeinkommen, als sie mit einer vollen und einer halben Stelle erzielen könnten.

Die Forscher verweisen darauf, dass eine Familienarbeitszeit das Einkommen von Frauen spürbar erhöhte und die Familienarbeit gleichmäßiger verteilt würde. Die Kosten wären mit bis zu 140 Millionen Euro im Jahr „zu Beginn relativ moderat“, könnten aber schnell steigen. Die SPD hatte mit einem Satz in ihrem Wahlprogramm eine Familienarbeitszeit gefordert.

In den Koalitionsverhandlungen scheiterte die Idee jedoch am Geldmangel, aber auch daran, dass die Union Eltern keine bestimmt Arbeitsteilung vorschreiben wollten. Gänzlich vom Tisch ist das Konzept aber noch nicht. Familienpolitiker in Berlin überlegten, wie sich das Modell ohne Steuergeld umsetzen ließe, schreibt die „Zeit“. Konservative Unionspolitiker sollen zudem mit dem Verweis auf die Vätermonate überzeugen, die von Angela Merkels erster Großer Koalition eingeführt wurden.

Seit dieser Zeit wird Elterngeld 14 statt zwölf Monate lang gezahlt, wenn Vater und Mutter beide im Job aussetzen. Damals empörten sich vor allem CSU-Politiker über das „Wickelvolontariat“ (Peter Ramsauer). Mittlerweile nehmen in keinem anderen Bundesland so viele Männer die Vätermonate wie in Bayern.

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