Verbot von Apotheken-Versandhandel Ein Rückschritt ins 19. Jahrhundert

Der Plan von Gesundheitsminister Gröhe, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu verbieten, soll das Geschäftsmodell deutscher Apotheken sichern. Doch der Minister kauft nur Zeit. Ein Kommentar.

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Peter Thelen ist Korrespondent in Berlin.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten verbieten. Mit dieser Ankündigung hat der Minister sich zu Recht Spott und Hohn in den sozialen Netzwerken eingehandelt. Stellvertretend für viele twitterte der ehemalige Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucamp: „Digitale Agenda: Verbot von Versandapotheken geplant. Zum Schutz der Patienten, ich lach mich tot.“

Zwar will Gröhe nicht alle Versandapotheken verbieten, sondern nur den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Pillen. Und da die 150 Apotheken, die heute in größerem Umfang Versandhandel machen, überwiegend rezeptfreie Arzneimittel auf Bestellung in die Wohnung liefern, wird sein Verbot auch keine Pleitewelle bei Versandhändlern auslösen. Trotzdem bringt Haucamps Einwurf sehr schön auf den Punkt, was Gröhes Entscheidung eigentlich bedeutet.

Während seit einigen Jahre alles im Gesundheitswesen über Digitalisierung redet und Gröhe selbst verantwortlich für ein E-Health-Gesetz zeichnet, versucht der Gesundheitsminister nun – unter dem Eindruck des mächtigen Geheuls der Apothekenlobby – die Zeit zurückzudrehen. Es soll, zumindest was die Apotheken angeht, so bleiben wie im 19. Jahrhundert. Da waren Arzt und Apotheker neben dem Bürgermeister die wichtigsten Honoratioren eines Dorfes: Der Patient geht zum Arzt, holt sich sein Papier-Rezept und löst es bei der Apotheke um die Ecke ein.

In vielen Kommunen läuft das noch heute so. Doch der Patient der Zukunft wird – weil die deutsche Bevölkerung im Durchschnitt altert – viel häufiger an mehreren Krankheiten leiden, gehbehindert sein und sich deshalb freuen, wenn sein Arzt ihn mit Hilfe moderner Diagnose- und Kommunikationstechnik telemedizinisch betreut. Die Medikamente, die ihm per elektronischem Rezept verordnet werden, kommen dann bequem mit dem Zustelldienst zu ihm. Wenn er dabei noch ein paar Euro sparen kann, weil die Versandapotheke ihm Rabatt einräumt, umso besser. E-Health ohne die Möglichkeiten des Versandhandels ist schlicht nicht vorstellbar.

Das einzig Gute, was man über Gröhes Plan sagen kann, ist: Das Verbot des Versandhandels ist in der Tat die einzige gesetzliche Maßnahme, mit der das heutige Geschäftsmodell der 20.000 Präsenzapotheken geschützt werden kann. Dieses Geschäftsmodell basiert darauf, dass es gesetzlich vorgegebene Handelsspannen auf die Herstellerabgabepreise für Apotheken gibt. Mithin sind die Preise überall gleich. Der Preiswettbewerb ist abgeschaltet.


Nicht verhindern, sondern gestalten

Dieses Geschäftsmodell ist durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus der vergangenen Woche bedroht. Zwar hat der EuGH darin zunächst fixe Handelsspannen nur für ausländische Versandhändler gekippt, in dem er das Rabattverbot für nichtdeutsche Anbieter für mit dem freien Warenverkehr in der EU für unvereinbar erklärt hat. Doch es ist völlig klar, dass das Rabattverbot damit auch im Inland nicht gehalten werden kann.

Die Aponeo-Versandapotheke in Berlin hat schon angekündigt, dass sie nun auch Rabatte geben will, um sich verklagen zu lassen. Die Gerichte werden gar nicht anders können, als zu entscheiden, dass das Rabattverbot auch im Inland fallen muss, weil andernfalls inländische Versandapotheken gegenüber ausländischen im Wettbewerb benachteiligt würden. Mit seinem schnellen Versandhandelsverbot kann Gröhe diese Entwicklung im Keim ersticken.

Doch der Minister erweist damit nicht nur den Patienten, sondern auf lange Sicht auch den Apotheken einen Bärendienst. Denn es ist jetzt schon absehbar, dass Gröhes Versandhandelsverbot, sollte es denn zustande kommen, nicht lange bestehen wird. Zwar hat der Europäische Gerichtshof noch 2003 erklärt, er halte ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten aus Gründen der Arzneimittelsicherheit für vertretbar. Doch zu einem solchen Ergebnis kann er, sollte die Frage erneut auf seinem Tisch landen, heute nicht mehr kommen.

Seit 2004 der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Medikamenten erlaubt wurde, wurde nahezu täglich der Beweis erbracht, dass die Versorgung mit sensiblen Arzneimitteln auf Rezept auch per Versand sicher möglich ist. Der Minister kauft den Apotheken nur Zeit. Am Ende wird an der Liberalisierung des Apothekenmarkts kein Weg vorbei führen.

Besser wäre es daher, die Bundesregierung würde sich nun doch noch dazu entschließen, den Weg für Preiswettbewerb in Apotheken zu ebnen. Auf Dauer verhindern kann sie ihn nicht. Aber jetzt könnte sie ihn noch gestalten.

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