Verbraucherministerin Ilse Aigner "Wir Deutschen sollten unsere Esskultur mehr pflegen"

Seite 3/3

Buntes Gemüse Quelle: dpa

Legen die Deutschen zu wenig Wert auf ihre Ernährung?

Es gibt Menschen, die behandeln ihr Auto liebevoller als ihren eigenen Körper. Da bekommt der Motor nur das beste Öl, während wir bei unserem eigenen „Motor“ weit weniger anspruchsvoll sind. Wenn ich mir anschaue, wie viel Geld manche Leute in die Ausstattung ihrer Küche stecken und was sie dann kochen oder besser gesagt: aufwärmen, dann ist das ein krasses Missverhältnis.

Wie wollen Sie das korrigieren?

Bevormundung liegt mir fern, aber ich möchte die Verbraucher gerne dazu ermuntern, sich bewusst und ausgewogenen zu ernähren, Lebensmittel gezielter auszuwählen...

...und mehr dafür bezahlen?

Was ist teurer? Die Tütensuppe oder die selbst gemachte? Der Kuchen aus dem Tiefkühlfach oder das Rezept von Großmutter? Wer selbst kocht, muss für mehr Geschmack zwar etwas Zeit investieren, aber meist spart er Geld. Leider findet Essen bei uns zu oft nebenbei statt. Wir Deutschen sollten unsere Esskultur mehr pflegen und überhaupt ein stärkeres Bewusstsein bei der Ernährung entwickeln. Peruanischer Spargel oder südafrikanische Erdbeeren im Winter – das muss nicht sein, schon aus Gründen des Klimaschutzes. Was mich auch stört, ist der oft unachtsame Umgang mit Nahrungsmitteln. In Deutschland landen nach Schätzungen jährlich bis zu 20 Millionen Tonnen Lebensmittel auf dem Müll. Das ist auch ein ethisches Problem und eine Verschwendung von Ressourcen.

Wie sicher ist denn die Nahrungsmittelversorgung auf unserer Erde?

Laut Vereinte Nationen wird die Weltbevölkerung in den nächsten 20 Jahren auf 8,3 Milliarden Menschen wachsen. Um alle ausreichend versorgen zu können, müsste die globale Nahrungsmittelproduktion in diesem Zeitraum deutlich zunehmen. Dafür müssten die weltweiten Getreideerträge Schätzungen zufolge um jährlich 3,3 Prozent steigen, derzeit liegt der Zuwachs aber nur bei zwei Prozent.

Wo gibt es noch Wachstumsreserven?

Zusätzliche Flächen stehen nur sehr begrenzt zur Verfügung. Die erforderliche Mehrproduktion muss über die Steigerung der Flächenerträge gehen. Da gibt es große Potenziale. So sind die Flächenerträge beispielsweise bei Getreide in Deutschland oder England doppelt so hoch wie in den USA und mehr als viermal so hoch wie in den meisten afrikanischen Ländern. Diese Steigerungen lassen sich auch mit konventionellen Mitteln erreichen, mit Züchtung und Technik.

Die Preise für Agrarrohstoffe ziehen an, die Schwankungen nehmen zu. Geht es hier mit rechten Dingen zu?

Die Agrarmärkte sind wetterabhängig und daher immer Schwankungen ausgesetzt. Deshalb brauchen Landwirte die Möglichkeit, die Preise über die Terminbörsen abzusichern. Die Kunst ist nun, Mittel gegen rein kapitalmarktgesteuerte Spekulationen zu finden, ohne dabei die Stabilisierungseffekte der Warenterminbörsen zu beeinträchtigen. Ich habe eine Arbeitsgruppe in meinem Haus damit beauftragt, alle Instrumente auf den Prüfstand zu stellen. Und für Anfang 2011 werde ich in Berlin einen Agrarministergipfel einberufen, der sich mit Fragen des Agrarrohstoffhandels und der globalen Ernährungssicherung befasst. Dabei wird auch der Umgang mit Rohstoffspekulationen eine wichtige Rolle spielen. 

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%