Verfassungsgericht Eltern bei Entzug des Sorgerechts gestärkt

Fälle von Kindesmisshandlung wie der Tod der kleinen Yagmur schrecken die Bevölkerung auf. Und doch: Eltern und Kinder gehören erst mal zusammen - nur als letzten Schritt dürfen beide getrennt werden, sagt Karlsruhe.

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Die elterliche Sorge dürfe nur dann entzogen werden, wenn „ein gravierend schädigendes Erziehungsversagen mit hinreichender Gewissheit“ feststeht, sagte das Verfassungsgericht am Freitag. Quelle: dpa

Karlsruhe Eltern haben gegenüber Behörden künftig eine stärkere Position, wenn sie gegen den Entzug des Sorgerechts für ihr Kind kämpfen. Dem Bundesverfassungsgericht zufolge sind sie nicht verpflichtet, ihre erzieherischen Fähigkeiten gegenüber Jugendamt und Familiengerichten unter Beweis zu stellen. Damit hatte ein Ghanaer Erfolg, der um das Sorgerecht für seine kleine Tochter kämpft. (Az.: 1 BvR 1178/14)

Die elterliche Sorge dürfe nur dann entzogen werden, wenn „ein gravierend schädigendes Erziehungsversagen mit hinreichender Gewissheit“ feststeht, wie es am Freitag hieß. Der Staat dürfe seine Vorstellungen von einer gelungenen Erziehung nicht einfach an die Stelle der elterlichen Ideale setzen.

Der ghanaische Vater war als Asylbewerber nach Deutschland gekommen und ist jetzt hier geduldet. Die psychisch kranke Mutter des Kindes kann das Mädchen nicht versorgen. Das Jugendamt wollte das Kind gleich nach seiner Geburt 2013 in einer Pflegefamilie unterbringen. Das Amtsgericht Paderborn entzog den Eltern daraufhin das Sorgerecht. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bestätigte dies. Der Mann darf sein Kind eine Stunde im Monat sehen.

Die Gerichte stützten sich bei ihren Entscheidungen auf ein Gutachten, an dessen Verwertbarkeit die Verfassungsrichter erhebliche Zweifel anmeldeten. Es sei nicht neutral und habe mehrfach die Herkunft des Mannes „in sachlich nicht nachvollziehbarem Maße negativ bewertet“. So bezeichnete die Gutachterin unter anderem die autoritäre Kindeserziehung laut Verfassungsgericht als „afrikanische Erziehungsmethode“ und hielt diesbezüglich eine „Nachschulung“ des Mannes für nötig.

Die Familiengerichte hätten diese Einschätzungen nahezu ungeprüft übernommen, rügte das Verfassungsgericht. Das OLG muss den Fall noch einmal prüfen. Der Anwalt des Mannes, Reiner Hartdorf, räumt seinem Mandanten dabei „recht gute Chancen“ ein. Er will ein neues Gutachten beantragen.

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