Verfassungsschutz gegen AfD Politiker trommeln für AfD-Beobachtung

Der Druck auf die AfD wächst, gegen demokratiegefährdende Mitglieder vorzugehen. Führende Politiker von Koalition und Opposition fordern nun die Partei zumindest teilweise vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen

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Bald unter Verfassungsschutz-Beobachtung? Frauke Petry und Jörg Meuthen, die beiden Parteivorsitzenden der AfD. Quelle: dpa

Berlin Politiker von Union, SPD und Grünen dringen darauf, die AfD zumindest teilweise vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. „Die AfD ist meines Erachtens eine rechtspopulistische und in Teilen, wenn man manche Äußerung von Spitzenfunktionären sieht, verfassungsfeindliche Partei. Deshalb mag die Beobachtung von einzelnen AfD-Funktionären durch das jeweilige Landesamt für Verfassungsschutz durchaus angezeigt sein“, sagte der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer dem Handelsblatt.

„Man muss nur aufpassen, dass man der AfD nicht unnötig zu einem Märtyrerimage verhilft, von dem sie mehr profitiert, als dass es ihr schadet, indem sie auf eine angebliche Schikanierung durch den Staat und die etablierten Parteien verweist. Deshalb halte ich nichts von einer Dämonisierung und einer flächendeckenden Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.“

Für überfällig hält der SPD-Bundesvize Ralf Stegner eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Die AfD sei eine Partei von Rechtspopulisten und Rechtsextremisten. Daher habe er schon „vor vielen Monaten öffentlich gefordert, dass der Verfassungsschutz die politischen Tätigkeiten dieser Partei überwachen sollte“, sagte Stegner dem Handelsblatt.

Schwere Vorwürfe erhob Stegner gegenüber dem Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke, den Bundesparteichefs Frauke Petry und Jörg Meuthen sowie dem Parteivize Alexander Gauland und dem Stuttgarter AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon. Sie duldeten oder beförderten „aktiv Hetze gegen Minderheiten, rassistische, religionsfeindliche, demokratiegefährdende Aktivitäten und stehen außerhalb des Grundkonsenses der demokratischen Parteien“.

Insbesondere der Streit um antisemitische Äußerungen des Stuttgarter Abgeordneten Gedeon haben Zweifel an der Verfassungstreue der AfD befördert. Hinzu kommt, dass die Verfassungsschutzbehörden der Länder zwischenzeitlich die größten Schnittmengen zwischen AfD und Rechtsextremisten im Zusammengehen der AfD mit der Neuen Rechten sehen, insbesondere mit der Identitären Bewegung (IB). Sie wird von vielen Landesämtern als fremdenfeindliche und völkisch orientierte Bewegung beobachtet. So gibt es nach Auskunft mehrerer Verfassungsschutzämter personelle Überschneidungen zwischen der IB und der AfD.


„Es wundert, dass harmlose Partei die Linke beobachtet wurde“

In Baden-Württemberg hat kürzlich Dubravko Mandic, Mitglied im Schiedsgericht des AfD-Landesverbands, im Namen der parteiinternen „Patriotischen Plattform“ erklärt, die AfD und vor allem der Parteinachwuchs, seien personell mit der „Identitären Bewegung“ verbunden. Er plädierte für eine Zusammenarbeit der AfD mit der Gruppierung, obwohl der Bundesvorstand dies bereits in einem Beschluss ausdrücklich abgelehnt hat.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte dazu kürzlich dem Handelsblatt, dass der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg AfD bereits im Auge habe. „Er schaut sich die Aussagen von maßgeblichen Parteifunktionären, Parteiveröffentlichungen und sonstige öffentlich zugängliche Informationen an, auch mögliche personelle Schnittmengen mit extremistischen Organisationen. Der Verfassungsschutz braucht ja eine Basis, auf der er entscheiden kann, ob er beobachtet – und die schafft er sich auf diese Weise“, sagte Strobl.

Laut Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ werden schon jetzt Einzelpersonen aus der AfD vom Verfassungsschutz beobachtet. Das Blatt zitiert zudem aus einer Stellungnahme des Stuttgarter Verfassungsschutzes, wonach Aussagen und Kontakte führender AfD-Politiker zurzeit daraufhin geprüft werden, ob „die AfD die freiheitliche demokratische Grundordnung ganz oder in Teilen einschränken beziehungsweise abschaffen möchte“.

Der Leiter des bayerischen Verfassungsschutzes, Burkhard Körner, bestätigte der Zeitung, dass Politiker der AfD schon jetzt in Bayern beobachtet werden. „Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz kann Einzelpersonen in der AfD beobachten, wenn diese auch in anderen extremistischen Bereichen auffällig geworden sind. Dies haben wir in Einzelfällen festgestellt. Dabei geht es um Bezüge zur rechtsextremistischen und islamfeindlichen Szene.“ Zu den Gruppierungen in Bayern, zu denen AfD-Politiker Kontakt haben, gehören danach die Pegida-Bewegungen, die im Freistaat vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

Die Grünen sind geteilter Meinung, wie man der AfD begegnen soll. „Insbesondere da, wo die AfD mit Rechtsextremisten gemeinsam auftritt, kooperiert oder verdeckt arbeitsteilig vorgeht, muss man genau hinschauen und gegebenenfalls auch Teilorganisationen unter die Lupe nehmen“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck dem Handelsblatt. Zudem müsse die Frage, ob die gesamte AfD Gegenstand der Beobachtung oder Überwachung des Verfassungsschutzes werde, immer wieder überprüft werden. „Es wundert einen schon, dass der Verfassungsschutz die harmlose Partei die Linke siebem Jahre lang beobachtet hat und bei der AfD so zurückhaltend ist.“


CSU hofft, dass sich Wähler von der AfD abwenden

Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz hält die AfD zwar auch für eine „hochproblematische Partei“ mit Mitgliedern, die regelmäßig rassistisch und auch antisemitisch auffielen. „Ich halte allerdings wenig davon, wenn der Verfassungsschutz aus der Politik Arbeitsaufträge bekommt, wen er zu beobachten hätte“, sagte von Notz dem Handelsblatt. Der Grünen-Politiker erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass seine Partei schon lange fordere, „dass die Aufgabe der nicht operativen Beobachtung von einem unabhängigen, wissenschaftlich arbeitenden Institut und nach klar festgelegten rechtsstaatlichen Kriterien vorgenommen wird“.

Beck sagte, dass sich von der AfD auch Antisemiten, Homophobe und Rassisten sowie Feinde der parlamentarischen Demokratie und der freien Presse angezogen fühlten, sei kaum zu bestreiten. „Richtig ist allerdings auch, dass man Extremisten am Ende kaum mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz bekämpft“, betonte der Grünen-Politiker. Daher verspreche er sich nicht viel davon. „Allerdings sieht das das geltende Bundesverfassungsschutzgesetz noch anders. Und das geltende Gesetz ist die Grundlage für die Arbeit der Behörden“, so Beck.


Nach Einschätzung des CSU-Innenpolitikers Mayer zeigte die aktuelle Entwicklung in der AfD auch die Zerrissenheit und die Spaltung einer Partei, in der es unterschiedliche Strömungen von Unzufriedenen, Enttäuschten, Rechtspopulisten bis zu Rechtsradikalen und Antisemiten gebe. „Ich hoffe, dass alle, die mit dem Gedanken spielen, die AfD zu unterstützen oder zu wählen, genau registrieren, wes Geistes Kind manche Spitzenfunktionäre sind“, sagte Mayer.

Die beiden AfD-Bundesvorsitzenden Petry und Meuthen beteuerten derweil nach dem offenen Zerwürfnis im Streit über Antisemitismusvorwürfe gegen den AfD-Landtagsabgeordneten Gedeon, weiterhin gemeinsam die Partei führen zu wollen.

Meuthen, der auch Fraktionschef der ursprünglichen AfD-Fraktion in Baden-Württembergs Landtag war, hatte erfolglos versucht, den Abgeordneten Gedeon wegen antisemitischer Ansichten aus der Fraktion zu werfen. Daraufhin kam es zur Spaltung. Meuthen wirbt nun bei Abgeordneten aus dem gegnerischen Lager, in seine neue Fraktion zu wechseln.


AfD verliert in der Wählergunst

Petry und Meuthen bemühten sich in einer gemeinsamen Erklärung, am Wochenende ihren Streit über die Intervention der AfD-Chefin in Angelegenheiten der Baden-Württemberger AfD-Fraktion herunterzuspielen: „Wir sind uns einig, die Alternative für Deutschland weiterhin gemeinsam führen zu wollen, so wie wir uns dazu am 4. Juli 2015 in Essen den Mitgliedern und Wählern gegenüber verpflichtet haben“, heißt es in einem Schreiben an alle Mitglieder. Es sei beiden wichtig, die Einheit der AfD zu wahren.

Auch der AfD-Vize Alexander Gauland verwahrte sich am Samstag in Anwesenheit Petrys beim Brandenburger AfD-Landesparteitag in Kremmen gegen Einmischungen aus anderen Landesverbänden: „Das wollen wir in unserem eigenen Verband nicht in Brandenburg, das wollen die anderen Kollegen nicht und also sollten wir es niemanden zumuten.“ Petry gehört zum sächsischen Landesverband, sie leitet die AfD-Fraktion im Dresdner Landtag.

Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter ist überzeugt, dass der Führungsstreit in der AfD letztlich nur auf Kosten einer der beiden Führungskräfte, Petry oder Meuthen, beigelegt werden könne. „Wahrscheinlich wird das Petry sein, denn Meuthen wird unterstützt von Gauland, der nicht ganz so grauen Eminenz der Gemäßigteren“, sagte Oberreuter dem Handelsblatt. „Und die Unterstützung der Radikaleren hat Petry auch nicht.“

Spalten müsse sich die Partei deswegen aber nicht unbedingt, sagte Oberreuter weiter. „Käme es dazu, wäre wichtig, wer das Kürzel AfD behält“, fügte er hinzu. „Es ist mittlerweile ein Markenzeichen, und die, denen die etablierte Politik nicht passt, werden sich daran orientieren - unabhängig von inhaltlichen Details.“ Bekanntlich gebe es in der Gesellschaft ein rechtspopulistisches Potential von 16 bis 18 Prozent, „dem leider auch antisemitische Positionen wenig ausmachen“.

Insofern müsse man jetzt nicht vom Verschwinden der AfD ausgehen. „Eher, wenn sie aus den Streitigkeiten nicht herauskommt“, ist Oberreuter überzeugt. „Und auch, wenn sich ein unzweifelhaft neonazistisches Profil Stil- und inhaltsbildend durchsetzen sollte. Das wäre dann für nicht wenige stark rechtsgeneigte in der Anhängerschaft unter Umständen doch zu viel.“

Auf die Wählergunst wirkt sich der Machtkampf in der AfD-Spitze offenbar schon negativ aus: In einer Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ verlor die Partei gegenüber der Vorwoche einen Punkt und kam mit zehn Prozent auf ihren tiefsten Stand seit Januar.

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