Verfassungsschutz-Präsident Maaßen begrüßt de Maizières Vorstoß

Ein Mehr an Steuerung könne ein Mehr an Sicherheit bedeuten, springt der Präsident des Verfassungsschutzes dem Innenminister bei. Derweil reißt die Kritik an den Behörden im Fall Anis Amri nicht ab.

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Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz kündigt schärfere Sicherheitsvorkehrungen an. Vor allem die Telefon- und Internetüberwachung von Verdächtigen müsse künftig im Fokus stehen, sagt der saarländische Innenminister Klaus Bouillon am Mittwoch der „Passauer Neuen Presse“. Quelle: AFP

Berlin Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen unterstützt den Vorschlag von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), die deutschen Inlandsnachrichtendienste zentral zu koordinieren. Er sei zwar kein Politiker und wolle sich nicht gerne zu politischen Forderungen äußern. „Aber ich kann als Fachmann sagen, dass natürlich ein Mehr an Steuerung auch ein Mehr an Sicherheit bedeuten kann“, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Es ist schon einzigartig, dass ein Land wie Deutschland 18 unabhängige Inlandsnachrichtendienste hat. 16 auf Landesebene, das BfV und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) - und keine Steuerung.“

Die Arbeit der Sicherheitsbehörden steht nach dem Terroranschlag des tunesischen Islamisten Anis Amri auf einen Berliner Weihnachtsmarkt heftig in der Kritik. Ermittler waren Amri über Monate hinweg deutschlandweit auf der Spur, wussten um seine Besuche in Salafisten-Moscheen, kannten den 24-Jährigen unter mindestens 14 Namen, Sicherheitsbehörden erhielten zwei Warnungen aus Marokko - und dennoch konnte Amri untertauchen.

De Maizière sieht den Sicherheitsapparat vor dem Hintergrund der Terrorgefahr und möglicher Krisen nicht optimal aufgestellt - und das nicht erst seit dem Attentat vom 19. Dezember mit zwölf Toten. Er dringt auf eine bessere Koordinierung und schlägt vor, bestimmte Befugnisse der Länder beim Bund anzusiedeln. So regt er etwa eine Diskussion darüber an, die gesamten Aufgaben des Verfassungsschutzes in die Bundesverwaltung zu übernehmen. Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Vorschläge unterstützt, gibt es in den Ländern massive Widerstände.

„Wir brauchen eine zentrale Koordinierung. Und das ist, glaube ich, der Vorschlag des Ministers de Maizière, dass der Bund zentral den Verfassungsschutz steuert“, sagte Maaßen der dpa. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) befürwortete eine Stärkung der Zentrastellenfunktion des BfV bei einem Fortbestand der Verfassungsschutzbehörden der Länder.

Kritik am BfV-Präsidenten kam am Freitag von den Linken. „Es ist eine Frechheit, nachdem offensichtlich vor allem aufgrund des Fehlverhaltens des Verfassungsschutzes ein furchtbarer Terroranschlag durchgeführt werden konnte, jetzt auch noch den Ausbau zur Zentralbehörde zu fordern“, erklärte die innenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke. Ihre Fraktionschefs Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch verlangten einen Untersuchungsausschuss.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Jürgen Trittin forderte de Maizière zum Rücktritt auf. „Wenn es so etwas wie politische Verantwortung gibt, dann bei diesem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt“, sagte er dem Magazin „stern“. „Thomas de Maizière sollte das erkennen und sein Amt niederlegen.“ Im Vorlauf des Anschlags sieht Trittin eine „neue Dimension des Staatsversagens“. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele forderte eine rasche Sondersitzung der Geheimdienst-Kontrolleure des Bundestags.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dringt auf einen harten Kurs gegenüber islamistischen Hasspredigern. „In dieser Frage bin ich für null Toleranz“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Wer zur Gewalt aufrufe, genieße nicht den Schutz der Religionsfreiheit. „Salafistische Moscheen müssen verboten, die Gemeinden aufgelöst und die Prediger ausgewiesen werden, und zwar so bald wie möglich.“

Einer der Hauptaufenthaltsorte Amris war Nordrhein-Westfalen. Landesinnenminister Ralf Jäger hatte am Donnerstag zu möglichen Versäumnissen im Landtag Stellung bezogen. Der SPD-Politiker nannte keine konkreten Fehler der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Er verlangte, dass geprüft werden müsse, wie Gefährder ohne Bleibeperspektive leichter inhaftiert werden könnten. Amri war als Gefährder eingestuft, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Er konnte nicht abgeschoben werden, da dafür nötige Papiere aus seiner Heimat fehlten. Für eine Abschiebehaft gab es laut NRW-Innenministerium nicht die rechtlichen Voraussetzungen.

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