Verhandlungen in Berlin „Kohleausstieg“ ist das Tabuwort der Jamaika-Debatte

Die Debatte um einen Kohleausstieg nimmt bei den Sondierungsgesprächen von CDU, CSU, FDP und Grünen ähnliche Formen an wie der Streit in der Union über eine Flüchtlingsobergrenze. Das verheißt nichts Gutes.

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Die Sonne geht bei Grevenbroich (Nordrhein-Westfalen) hinter dem Braunkohlekraftwerk Neurath unter. Um einen Ausstieg aus der Kohle wird in den Koalitionsverhandlungen heftig gerungen. Quelle: dpa

Berlin Die Sondierungsrunden für eine Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen gestalten sich wesentlich schwieriger als gedacht. Das gilt ganz besonders für den Themenkomplex Klima und Energie.

Knackpunkt ist dabei der Kohleausstieg, den die Grünen vehement fordern. Sie wollen, dass die 20 CO2-intensivsten Kohlekraftwerke sofort abgeschaltet werden. Anderenfalls, so ihre Argumentation, könne Deutschland sein Ziel nicht mehr erreichen, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Außerdem fordern die Grünen das endgültige Aus für Kohlekraftwerke bis 2030.

Mit Liberalen, CDU und CSU ist das nicht zu machen. Sie wollen nicht einmal das Wort „Kohleausstieg“ in die Ergebnispapiere der Sondierungsrunden aufnehmen. In einem Koalitionsvertrag hätte das Wort nach Überzeugungen der drei Parteien erst recht nichts zu suchen. In Verhandlungskreisen hieß es, man müsse eine Lösung suchen, die zwar einerseits dem Anspruch der Grünen gerecht werde, das Ende der Kohleverstromung zu beschleunigen. Andererseits dürfe aber das Wort „Kohleausstieg“ nicht fallen.

Beobachter fühlen sich an die leidige Debatte über das Wort „Obergrenze“ erinnert. Die CSU hatte monatelang darauf gepocht, die Obergrenze von 200.000 Personen für den Zuzug von Flüchtlingen müsse Bestandteil eines gemeinsamen Wahlprogrammes von CDU und CSU werden. Die CDU lehnte das ab. Am Ende stand ein wackliger Kompromiss.

Am Donnerstag ließen die Jamaika-Sondierer nichts unversucht, um Sachverstand in ihre Gesprächsrunden zu holen: Gestern überraschte die Nachricht, Fachleute würden zu den Gesprächen hinzugezogen. Die Wahl fiel auf Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), und Rainer Baake. Kapferer ist Mitglied der FDP und war von 2011 bis 2014 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Baake, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, ist Grünen-Parteimitglied.

Dass Kapferer und Baake gestern den ganzen Nachmittag mit am Tisch saßen, sorgte bei Beobachtern für Irritationen. Schließlich ist Kapferer hauptamtlicher Branchenlobbyist, Baake Mitglied der noch geschäftsführenden Bundesregierung. Zu Erklärung hieß es, beide hätten kein Verhandlungsmandat, man schätze aber ihre Expertise.

Entscheidend ist allerdings ein anderer Punkt: Von Erfolg gekrönt war der Einsatz von Baake und Kapferer am Donnerstag nicht. Aus Teilnehmerkreisen hieß es an Freitag, man sei einer Lösung nicht wirklich näher gekommen.

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