„Verhöhnung des Rechtsstaats“ Kriminalbeamte entsetzt über Knast-Kochshow bei RTL

In dem RTL-Format „Henssler hinter Gittern“ bringt der Promi-Koch Häftlingen eines Bremer Gefängnisses das Kochen bei – darunter einem der Haupttäter eines Verbrechens mit sieben Toten. Kriminalbeamte sind empört.

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TV-Koch Steffen Henssler will in der JVA Bremen Inhaftierten das Kochen beibringen.

Berlin Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat mit scharfer Kritik darauf reagiert, dass der Kölner Privatsender RTL einem verurteilten Mörder im TV eine Bühne bietet. Am Montag hatte RTL die erste Folge des Vierteilers „Henssler hinter Gittern“ gezeigt, in der der 41-jährige TV-Koch mit Strafgefangenen in der Bremer Justizvollzugsanstalt Essen zubereitet, darunter einer der Haupttäter eines Verbrechens in einem Restaurant in Sittensen (Niedersachsen) vom Februar 2007, bei der sieben Menschen getötet worden waren.

Der stellvertretende BDK-Bundesvorsitzende Ulf Küch, sagte dazu Handelsblatt Online: „Hier werden wir, der Rechtsstaat und die Opfer verhöhnt.“ Bei der Sendung sei etwas herausgekommen, was erfahrenen Kriminalisten das Blut gefrieren lasse. Das Format sei „instinktlos, dumm und ohne jedwede Achtsamkeit vor den Opfern dieses Straftäters“, fügte der Verbandsvize hinzu.

Er sei ja mittlerweile nicht mehr wirklich überrascht, wenn man insbesondere bei den privaten Sendern „diverse geistige Entgleisungen oder intellektuelle Tiefflüge“ feststelle, sagte Küch weiter. „Aber es zeigt auch eine ganz gefährliche Folge dieser „Ballaballa-Programme“: Der damit angesprochene Zuschauer ist in der Regel intellektuell kaum in der Lage zu differenzieren.“ Nicht zuletzt täten ihm die „armen Kerle“ dann noch leid.

Scharfe Kritik äußerte Küch auch an der bremischen Justizverwaltung, „die diesen Unsinn auch noch dadurch fördert, dass sie ,Trash-Sender' in die Justizvollzugsanstalt Bremen“ lasse. „Und, liebe Community und jetzt wieder aufschreiende ,Resozalisierungsgutmenschen', das hat mit Resozialisierung wirklich nichts mehr zu tun.“

Ähnlich hatte sich bereits das Landeskriminalamt (LKA) Hannover geäußert. „Resozialisierung ist bewiesenermaßen der richtige Weg für inhaftierte Straftäter“, sagte LKA-Präsident Uwe Kolmey. „Aber Resozialisierung auf diesem Wege über Massenmedien?“ Das LKA distanziere sich von dieser Form der öffentlichen Darstellung eines verurteilten Straftäters.


RTL wehrt sich - Henssler: Wollte „den Jungs“ Perspektive aufzeigen

Eine RTL-Sprecherin wies die Kritik zurück. Die nächsten drei Folgen würden wie geplant ausgestrahlt. Es gehe bei „Henssler hinter Gittern“ nicht darum, Straftätern eine Bühne zu geben, sondern darum, Inhaftierten eine Chance auf Resozialisierung zu bieten. „Die Strafgefangenen und ihre Taten werden in keinster Weise glorifiziert. Es wird nichts beschönigt oder gerechtfertigt. Die Dokumentation wurde in enger Absprache mit der JVA Bremen erstellt.

Laut RTL sind elf Gefangene beim Henssler-Experiment dabei. Ihre Straftaten reichen von Diebstahl bis zu Raub mit Todesfolge.

Henssler selbst äußerte sich im „Spiegel“ zu seiner Fernsehshow. „Die Häftlinge haben mich fast als einen der ihren betrachtet“, sagte der Koch über seine Dreharbeiten. „Sie wussten, dass ich früher geboxt habe. (...) Leicht mulmig wurde mir nur, als ich am ersten Tag in der Küche fragte: ,Habt ihr schon mal ein Messer benutzt?' Und einer knurrte: ,Ja, zum Stechen.'“

Er habe „den Jungs“ im Gefängnis eine Perspektive aufzeigen wollen, sagte Henssler weiter. „Wichtig war der Teamgedanke. Gemeinsam Pfannkuchen braten oder ein Dressing anrühren ist erfüllender, als auf der Pritsche zu liegen.“

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