Vermögen Die Deutschen vererben so viel wie nie

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Rückkehr einer urdeutschen Tugend

Dabei ist Willichs Fundraising-Kurs im Grunde nur Nachhilfe in einer Disziplin, die die Deutschen einst meisterhaft beherrschten. Das professionelle Geldeintreiben und -verteilen im Auftrag des Guten, Schönen, Wahren wird heute gerne als Erfindung der Amerikaner beschrieben. Tatsächlich aber ist es eine urdeutsche Tugend, von der kaum jemand so fesselnd erzählen kann wie Rupert Graf Strachwitz.

Strachwitz empfängt nahe der Spree in der Bibliothek seines Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft. Vor gut einem Jahr erst hat er ein Forschungsprojekt über „Lebenssinn und Erbe“ abgeschlossen. „Der Mensch“, sagt Strachwitz, „ist ohnehin ein schenkendes Tier. Etwas zu geben ist eine anthropologische Konstante.“ Die Erschütterungen zweier Weltkriege und die Zerstörung der Vermögen würden bisweilen den Blick darauf verstellen, dass die philanthropische Tradition hierzulande reich und alt sei. Davon künde doch die Fuggerei in Augsburg, die 1521 gegründete erste Sozialsiedlung der Welt, oder das Städel Museum in Frankfurt, das die Stadt dem Testament eines 1815 verstorbenen Bankiers verdanke.

Aber Strachwitz sagt auch: „Ich beobachte einen wieder erstarkten Trend zur Sinnsuche. Und das Bestreben, das Erbe in diesem Sinne auch selbst zu gestalten.“ Er hat dazu auch noch eine ganz konkrete Erklärung anzubieten: Viele Vermögende von heute seien in den Siebziger- und Achtzigerjahren sozialisiert worden, waren damals in Friedens- und Bürgerrechtsbewegungen engagiert. „Die Idee des autonomen, seine Welt selbst gestaltenden Bürgers übertrage sich nun im Alter auch auf die Organisation des eigenen Wohlstandes.“ Quasi als letzte Konsequenz der eigenen Biografie.

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von Andreas Toller

Für Papstbesucher und Unternehmer Gies war das auch der einzig gangbare Weg. Sein Leben lang hat er ja selbst entschieden, wie und wo er hilft. Und da, wo eben das schwierig wurde, bei der Unesco etwa, World Vision oder der Kindernothilfe, da hat er immer „genau hingeschaut, wo das Geld bleibt“, nach Belegen gesucht, nachgefragt, die Zahlen geprüft.

Als nach dem Ende seiner Karriere bei 3B dann die Gelegenheit kam, stand Gies’ Entschluss fest: eine eigene Stiftung. Er ging zur Hamburger Sparkasse, ließ sich beraten – und entschied sich für eine Stiftung unter der Dachorganisation der Bank. Der Deal: In den ersten Jahren übernimmt das Geldinstitut die Geschäftsführung und die Buchhaltung. Gies kann sich derweil um weitere Unterstützer bemühen, um das Kapital aufzustocken. In einigen Jahren dann will er seine Stiftung von der Bank lösen. Einer seiner Söhne hat schon Interesse gezeigt, mit einzusteigen. „Mir geht es dabei nicht um Kontrolle“, sagt Gies , „aber ich will Einfluss darauf haben, was mit dem Geld passiert.“

Typisch Deutsch irgendwie – auch das.

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