Verschuldung Städte und Gemeinden vor der Pleite

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Finanzmetropole Frankfurt Quelle: dpa

Sindelfingen, dank Daimler vor Jahren mal eine der reichsten Kommunen Europas, erlebt eine noch heftigere Schussfahrt. Ständig werden im Rathaus Anträge auf Gewerbesteuerrückerstattungen eingereicht. 86 Millionen Euro aus früheren Jahren musste die 61.000 Einwohner zählende Stadt bisher zurückzahlen und dürfte mit einem Minus von 14 Millionen Euro bundesweit eine der wenigen Kommunen mit einem negativen Gewerbesteuer-Ansatz sein. „Nie im Leben hätte ich einen solchen Einbruch erwartet“, sagt der Erste Bürgermeister Helmut Riegger, „das kann keine Stadt verkraften.“

Andere Kommunen haben schon lange keine guten Zeiten mehr erlebt. Vor allem im nördlicheren Teil der Republik und im Ruhrgebiet kämpften die Stadtkämmerer selbst in florierenden Wirtschaftszeiten wie 2007 mit tiefroten Zahlen und hielten sich mit Kassenkrediten über Wasser. Insgesamt 43 Städte und Gemeinden haben allein in Nordrhein-Westfalen eine derart wackelige Finanzlage, dass sie sich ihre Haushaltspläne von der jeweiligen Bezirksregierung genehmigen lassen müssen. Zu den unglücklichen Spitzenreitern zählt Wuppertal. Schulden der 350.000-Einwohner-Stadt zu Beginn der Wirtschaftskrise: 1,5 Milliarden Euro. Laufendes Defizit: 217 Millionen Euro bei einem Gesamtetat von 1,1 Milliarden. Rückgang der Gewerbesteuer 2009: 33 Prozent.

Kein Ausweg aus den Schulden

Essen, die größte Stadt im Revier (knapp 590.000 Einwohner), gibt jährlich 225 Millionen Euro mehr aus, als sie einnimmt. Die Stadt ist so ausgelaugt, dass selbst die zentrale Position des Kämmerers ein Jahr lang nur vertretungsweise besetzt wurde. Oberhausen war noch abhängiger von der Kohle- und Stahlindustrie, verlor die Hälfte ihrer 100.000 Arbeitsplätze. „Wir kommen aus dem Schuldenproblem nicht heraus“, sagt Kämmerer Bernhard Elsemann. Besonders ärgert er sich über den Solidarfonds Deutsche Einheit. Oberhausen hat insgesamt 200 Millionen Euro in den Topf eingezahlt, jeder einzelne Euro ist kreditfinanziert. „Das ist so, als würde man einem Hartz-IV-Empfänger eine Steuer abverlangen, für die er dann einen Kredit aufnehmen muss“, sagt Elsemann.

Diskussion um Gewerbesteuer und Grundsteuer

Die Stimmung ist aufgeladen. Petra Roth (CDU), Frankfurter Oberbürgermeisterin und Präsidentin des Deutschen Städtetages, fordert, dass „Gewerbesteuer und Grundsteuer weiter gestärkt werden“. Insbesondere die Befreiung der Freiberufler von der Gewerbesteuer nimmt der Städtetag aufs Korn. Schützenhilfe leistet dabei das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), das auch eine Erhöhung der Grundsteuer in die Diskussion wirft, die Eigenheimbesitzer und Mieter gleichermaßen treffen würde.

Die Wirtschaft reagiert verärgert. „Eine neuerliche Verbreiterung der Gewerbesteuer-Bemessungsgrundlage lehnen wir ab“, sagt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann. Schon die jüngsten Hinzurechnungen von Mieten, Zinsen, Pachten, Leasingraten und Lizenzen „verschärfen die Probleme der Betriebe in der Krise“. Unternehmen, die Verluste schrieben, müssten dadurch trotzdem Gewerbesteuer entrichten und verlören wertvolles Eigenkapital.

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