Verschuldung Städte und Gemeinden vor der Pleite

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Wuppertaler Schwebahn. Die Quelle: AP

Auch Anwälte, Architekten und Ärzte sind erbost. „Wir ärgern uns, dass einige Kommunen immer wieder so einen Mist auftischen“, sagt Arno Metzler, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Freien Berufe. Schließlich habe schon das Bundesverfassungsgericht die Gewerbesteuerbefreiung von Freiberuflern grundsätzlich für zulässig erklärt. Metzler: „Wir sind nicht gewerbetreibend.“

Gemeinsam plädieren Kommunen und Wirtschaft für eine Neuaufteilung der Gemeinschaftssteuern, die sich Bund, Länder und Kommunen teilen. Dazu zählen zum Beispiel die Mehrwertsteuer und die Einkommensteuer. DIHK-Präsident Driftmann fordert hier, den Kommunen einen größeren Anteil einzuräumen oder, besser noch, eine kommunale Gewinnsteuer mit Hebesatzrecht. Die Kombination beider Instrumente „würde Betrieben und Kommunen gerecht“.

Hoffnung für die Kommunen

Davon will aber die Bundesregierung wenig wissen. Die große Koalition konzentriert sich vielmehr auf ihr eigenes Ende im September. Sollte die FDP anschließend mit der Union regieren, wäre eine solche Reform gut möglich. Haushaltspolitiker Fricke ist dafür, die Kommunen von der immer noch zu konjunkturabhängigen Gewerbesteuer zu befreien. Ein eigenes Hebesatzrecht bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer würde der Liberale bevorzugen. Natürlich aufkommensneutral, schließlich will er Bürger und Unternehmen nicht zusätzlich zur Kasse bitten. Auch ein größerer Anteil am Umsatzsteuerkuchen sei eine Option für dauerhaft berechenbarere Einnahmequellen, meint der Politiker.

Eine Hoffnung will Fricke den Kommunen aber jetzt schon nehmen: dass Bund und Länder den finanzschwachen Städten und Kreisen mit neuen Finanzspritzen aus der Krise helfen. Einen Schutzschirm für verschuldete Kommunen hält auch Regionalforscher Martin Junkernheinrich von der Universität Kaiserslautern für wenig hilfreich: „Einfach nur Geld ins System pumpen bringt wenig. Dann steht man in wenigen Jahren wieder vor dem gleichen Problem.“

Raus aus der "Vergeblichkeitsfalle"

Föderale Hilfe sei jedoch in anderer Weise nötig – bei den Kassenkrediten. Hier tickt die nächste Bombe. Denn die in immer größerem Maße genutzten Kassenkredite sind kurzfristig und unterliegen nahezu unmittelbar den Zinsschwankungen am Markt. Und wenn die Zinsen demnächst wieder anziehen, „tappen die Kommunen in eine klassische Zinsfalle“ (Fricke). Deshalb schlägt der Haushaltspolitiker eine „Umschuldungsaktion“ in Zusammenarbeit mit den kommunalen Aufsichtsbehörden vor.

So etwas möchte wohl auch die staatliche KfW-Bankengruppe als neues Geschäftsmodell anbieten. Wie das Bundesfinanzministerium auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler mitteilt, wird derzeit geprüft, ob die KfW „kommunalen Gebietskörperschaften Liquiditätskredite zur zinsgünstigen Finanzierung von Kassenkrediten“ anbieten könne. Mancher Sparkasse oder manch anderem Kreditinstitut könnte dann ein sterbenskranker, aber nicht totzukriegender kommunaler Kunde verloren gehen.

Viele hoffnungslos verschuldete Kommunen könnte eine Neuordnung der Finanzen auch aus ihrer „Vergeblichkeitsfalle“ befreien, wie Finanzforscher den unheilvollen Mix aus immer teureren Pflichten, schrumpfenden Einnahmen, steigenden Schulden und erdrückenden Zinslasten nennen. Nicht wenige Kämmerer haben erlitten, wie ein einziger Abschwung mit sinkenden Steuereinnahmen die Sparanstrengungen mehrerer Jahre zunichte gemacht hat.

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