Verschuldung Städte und Gemeinden vor der Pleite

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Ohne Gewerbesteuer läuft nichts (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)

Dennoch können auch die Kommunen ihren Teil zur Gesundung der Finanzen beisteuern, sagt Junkernheinrich. Insbesondere müssten sie ihre Auf- und Ausgaben durchforsten. „Gerade in Ballungsräumen“, so der Forscher, „gibt es genügend Möglichkeiten, Theater, Schwimmbäder, Sportplätze und dergleichen über die Städte zu verteilen. Nicht jede Stadt braucht ein eigenes Schauspielhaus.“

„Viele Kommunen leisten sich noch immer einen viel zu großen Verwaltungsapparat“, ergänzt Gerd Bunzeck von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte. Für Gemeinden mit bis zu 40.000 Einwohnern könne es beispielsweise interessant sein, ihre interne Personalverwaltung zusammenzulegen.

Fünf bis zehn Prozent an Effizienzreserven könnten Städte und Gemeinden generell noch mobilisieren, schätzt der Finanzwissenschaftler Fiedler und fügt hinzu: „Die letzten Jahre mit ihren sprudelnden Steuereinnahmen waren für viele Kämmerer eine Verführung.“

Verbesserungsfähig sei vielfach auch das Vertrags- und Projektmanagement, sagt Bunzeck. Seine Heimatgemeinde Inden bei Aachen ruinierte sich beinahe wegen des Baus eines Aussichtsturms, da vor gut einem Jahr die Stahlpreise in die Höhe geschnellt waren. In der Zwischenzeit sind die Stahlpreise wieder gesunken, der 36 Meter hohe Turm kann zu Ende gebaut werden.

Mehr Elan bei Konjunkturprogrammen gefordert

So manche Kommune sollte auch bei ihrem Finanzmanagement besser aufpassen. Ausgerechnet die Finanzmetropole Frankfurt verlor bei der Lehman-Bankenpleite 95 Millionen Euro. Kein Pappenstiel, zumal in Frankfurt in diesem Jahr wegen der Bankenkrise die Einnahmen bislang um fast drei Viertel zusammengebrochen sind.

Einen gewissen Ausgleich für ihre krisenbedingten Ausfälle erhalten die Kommunen über die beiden Konjunkturpakete der Bundesregierung. Rund 13 Milliarden Euro stellt Berlin für Sanierungs- und Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung.

Aber auch bei den Konjunkturprogrammen könnten die Kommunen mehr Elan zeigen, meint Metzler nicht ganz uneigennützig und denkt an Aufträge für Architekten und Ingenieure. Die Kommunen müssten, soweit noch nicht geschehen, „endlich mit ihren Konjunktur- und Infrastrukturprojekten loslegen“.

Tatsächlich gehen die Kommunen höchst unterschiedlich an die Konjunkturpakete heran. Dortmund zum Beispiel bestellte gleich sofort zahlreiche Bürocontainer noch zu Schnäppchenpreisen, um dort im nächsten Schuljahr Schüler vorübergehend einzuquartieren, während die Schulen saniert werden. Die Krefelder dagegen kamen noch immer nicht in die Puschen.

Mehrausgaben steigen weiter

Wegen der ökologischen Vorgaben des Bundes, der aus verfassungsrechtlichen Gründen keine kommunalen Infrastrukturmaßnahmen fördern darf, dauern die Projektvorbereitungen bis zu zwölf Monate. „Die Kommunen müssen die Bearbeitungszeiten verkürzen“, fordert Metzler. Darum spricht sich der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Freien Berufe für „eine Urlaubssperre bei den kommunalen Planungs- und Vergabestellen in diesem Sommer“ aus.

Eine echte Kompensation bedeuten die Konjunkturprogramme allerdings nicht, heißt es beim Städte- und Gemeindebund. Das werden auch die Bürger merken. Denn für ganz simple Reparaturen fehlt das Geld. Die Zahl der Schlaglöcher wird in der Wirtschaftskrise zunehmen, so der Verband, sofern sich die Ausbesserungsarbeiten nicht als Lärmschutzmaßnahmen etikettieren lassen.

Die nächste Ausgabenkeule kreist bereits über den Kommunen. Die Tarifverhandlungen für Kindergärtnerinnen machen den Kämmerern Sorgen. Sollte sich die Gewerkschaft Verdi einigermaßen durchsetzen, dürften sich die Mehrausgaben für die Kommunen auf fast eine Milliarde Euro summieren.

Auch die übernächsten Ausgabenzuwächse sind bereits programmiert. Wegen der zunehmend gebrochenen Erwerbsbiografien sind immer mehr Rentner auf eine ergänzende Grundsicherung angewiesen. Die Kommunen zahlten dafür 2003 erst 1,3 Milliarden Euro, in diesem Jahr dürften es schon vier Milliarden sein.

Sisyphos wäre heute wahrscheinlich ein Stadtkämmerer.

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