Verteidigungsministerium Rüstungsfirmen fordern Klarheit

Mehrere milliardenschwere Rüstungsprojekte sind eingefroren und werden derzeit vom Ministerium geprüft – bis wann ist unklar. In der Branche wird man nervös: Die Industrie müsse wissen, woran sie ist.

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Eurofighter Tranche Three: Das Ministerium will die letzten 37 Kampfjets des Typs Eurofighter nicht von Airbus abnehmen. Quelle: dpa

Berlin In der deutschen Rüstungsindustrie wächst die Ungeduld, weil derzeit die Zukunft milliardenschwerer Projekte unklar ist. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat mehrere Vorhaben auf Eis gelegt und eine Überprüfung veranlasst. „Über gewisse Rüstungsprojekte muss einfach entschieden werden“, sagte ein Vertreter der Branche der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. Die Einarbeitungsphase der neuen Ministerin dürfe nicht zum Dauerzustand werden.

„Die Industrie muss wissen, woran sie ist“, sagte der Branchenvertreter, der weder seinen Namen noch den seines Unternehmens gedruckt sehen wollte. Wenn sich die Entscheidungen über wichtige Rüstungsvorhaben bis Herbst oder womöglich sogar Weihnachten verschöben, weil zunächst eine externe Unternehmensberatung herangezogen werden müsse, sei dies „durchaus kritisch zu betrachten“.

Von der Leyen hatte im Februar angekündigt, die wichtigsten Rüstungsvorhaben einer eingehenden Risikoanalyse zu unterziehen. Sie begründete dies damit, dass in ihrem Ministerium Risiken von Projekten systematisch heruntergespielt worden seien. Zugleich versetzte sie Rüstungsstaatssekretär Stephane Beemelmans in den vorzeitigen Ruhestand, auch der zuständige Abteilungsleiter Detlef Selhausen musste seinen Posten räumen. Bereits im Dezember hatte die Ministerin wenige Tage nach ihrem Amtsantritt Staatssekretär Rüdiger Wolf in den einstweiligen Ruhestand versetzt, ebenfalls ein Experte in Fragen der Rüstungsvorhaben.

In der Wehr-Industrie wurde die rasche und harsche Trennung von der Leyens von ihren wichtigsten Rüstungsfachleuten mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Damit stehe die Ministerin ab sofort allein in der Verantwortung für die Rüstungsprojekte, hieß es. Bei der Überprüfung der Projekte sollen nun externe Berater helfen. Der Auftrag wurde vor einigen Tagen ausgeschrieben und nicht freihändig vergeben, was das Verfahren um einige Monate verzögern dürfte.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums verwies jedoch darauf, dass von der Leyen schon im Februar betont habe, dass kein Rüstungsvorhaben gestoppt werden solle. Außerdem würden Projekte, bei denen eine Entscheidung anstehe, zuerst unter die Lupe genommen werden.


Handlungsfähigkeit im Ministerium derzeit beschränkt

Beschlüsse sind momentan bei einer ganzen Reihe von Vorhaben fällig: So will das Ministerium nach Angaben aus Verteidigungskreisen die letzten 37 Kampfjets des Typs Eurofighter nicht von Airbus abnehmen. Welche Kompensation der Konzern dafür erhalten soll, ist bislang aber unklar. Auch die Reduzierung einer großen Hubschrauber-Order bei Airbus ist noch nicht in trockenen Tüchern. Im Gegenzug dafür will das Ministerium andere Helikopter bestellen, der Kompromiss mit der Industrie wird jedoch als zu teuer kritisiert.

Das Schicksal der Aufklärungsdrohne Euro Hawk, die von Airbus und dem US-Konzern Northrop Grumman entwickelt wurde, steht ebenfalls in den Sternen. Von der Leyens Vorgänger Thomas de Maiziere hatte das Programm vor einem Jahr wegen massiver Probleme gestoppt.

Inzwischen erweisen sich die Alternativen zu der Drohne allerdings auch als recht kostspielig, so dass der Euro Hawk doch wieder eine Chance haben könnte. Außerdem wartet die Truppe auf eine Nachfolge-Lösung für die kleinere Aufklärungsdrohne Heron, die seit Jahren in Afghanistan im Einsatz ist. Im Angebot sind Modelle des israelischen Heron-Herstellers IAI und des US-Konzerns General Atomics.

In dieser Situation befürworten Vertreter der Unternehmen grundsätzlich eine Verbesserung der Prozesse in der Rüstungsbeschaffung. „Auch wir als Industrie brauchen Zuverlässigkeit“, mahnte ein anderer Rüstungsvertreter. „Aber jeder neue Minister seit (Karl-Theodor zu) Guttenberg macht ein Fass auf und schaut in die Großprojekte hinein.“ Für die Branche sei es ein Problem, so wenig Planungssicherheit zu haben.

Hinzu komme, dass die Ministerin bisher noch nicht mit der Industrie geredet habe. „Der Dialog ist dringend nötig“, sagte der Branchenvertreter. Dies gelte besonders dann, wenn die alten Ansprechpartner nicht mehr da seien. Andererseits setze die Branche auch große Hoffnungen auf die neue Ministerin. Sie habe klar erkannt, wie viele Probleme es bei der Rüstungsbeschaffung gebe, und werde hoffentlich die richtigen Weichen stellen. „Wenn sie eine Entscheidung trifft, ist sie sehr gründlich“, sagte der Rüstungsvertreter.

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