Vertraulicher Bericht Amri war fast wöchentlich Thema bei Behörden

Ein Papier aus Justiz- und Innenministerium gibt Aufschluss über die Behördenabläufe im Fall Amri. Vor gut einem Jahr wurde er namentlich bekannt – zwei Monate nach dem ersten Aktenvermerk zu seiner Person.

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Wer ist dieser Mann? Seit über einem Jahr kennen die Behörden den Namen des Attentäters von Berlin. Quelle: dpa

Berlin Das Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) fordert rasche Aufklärung über den Umgang der Sicherheitsbehörden mit dem späteren Berliner Attentäter Anis Amri. Der Vorsitzende Clemens Binninger dämpfte am Montag aber zu große Erwartungen: „Es wird sicher nicht möglich sein, jede Frage zu beantworten“, sagte der CDU-Politiker vor einer Sondersitzung des Bundestagsgremiums in Berlin. Er hoffe, es werde im Anschluss möglich sein, drängende Fragen zu formulieren.

Binninger und der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka regten die Einsetzung einer internen Ermittlergruppe des Kontrollgremiums an. Vertreter der Opposition wollen der Frage einer möglichen Zusammenarbeit Amris mit deutschen Diensten nachgehen.

Thema der Sondersitzung der Geheimdienst-Kontrolleure war eine von den Bundesministerien des Innern und der Justiz vorgelegte Chronologie zu den Behördenabläufen im Fall Amri. Gehört werden sollten etwa Vertreter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des Bundesamtes für Flüchtlinge und Migration (BAMF).

Aus der Chronologie geht hervor, dass sich die Behörden seit Ende 2015 nahezu wöchentlich mit dem Tunesier befassten. Er wurde als islamistischer Gefährder eingestuft, fiel mehrfach als Krimineller auf, wurde als Asylbewerber abgelehnt und wurde dennoch nicht in Abschiebehaft genommen. Zeitweise galt er als abgetaucht. Von einem marokkanischen Geheimdienst wurde im Herbst 2016 mehrfach vor ihm gewarnt.

Amri war am 19. Dezember mit einem Lkw in eine Budengasse auf einem Berliner Weihnachtsmarkt gerast. Bei dem Anschlag starben zwölf Menschen, Dutzende wurden zum Teil schwer verletzt.

Der stellvertretende PKGr-Vorsitzende André Hahn sagte vor der Sitzung, ihn interessiere insbesondere, wie es angehen könne, dass zwei Tage nach einer Warnung des marokkanischen Geheimdienstes eine Telefonüberwachung Amris beendet worden sei. „Das ist mir überhaupt nicht nachvollziehbar“, sagte er. „Wo sind also die Informationen versackt und versandet? Wer trägt dafür die Verantwortung?“

Das Grünen-Mitglied im PKGr, Christian Ströbele, sagte, rund sieben Wochen vor dem Anschlag seien Passdaten Amris aus Tunesien übermittelt worden. Da stelle sich etwa die Frage, warum anschließend nicht unmittelbar das Abschiebungsverfahren eingeleitet worden sei. Zu klären sei auch, ob Amri möglicherweise mit Geheimdiensten zusammengearbeitet habe. Ihm sei ein halbes Dutzend schwere Straftaten vorgeworfen worden, dennoch seien Verfahren gegen Amri - etwa wegen Sozialbetrugs - alle eingestellt worden. „Wer hat daran gedreht?“, fragte Ströbele.

Am Mittwoch will sich der Innenausschuss des Bundestages mit dem Fall Amri befassen. Er ist am Mittwochnachmittag auch Thema einer Aktuellen Stunde im Bundestag.

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