Verwaltung Deutschland verfehlt sein Digitalisierungs-Ziel

Die Digitalisierung des Staates kommt nicht voran, mahnt das zuständige Beratergremium von Kanzlerin Angela Merkel. Der Rückstand im EU-weiten Vergleich ist eklatant. Allerdings gibt es einen Lichtblick.

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In Deutschlands Verwaltung wird noch viel Papier gebraucht. Quelle: dpa

Berlin Deutschland kommt bei der Digitalisierung des Staates nicht voran. Zu diesem Urteil kommt der Jahresbericht des Normenkontrollrats (NKR), den NKR-Chef Johannes Ludewig an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben hat. „Bei der Digitalisierung der Verwaltung liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern immer noch weit zurück“, mahnte Ludewig. Im EU-Vergleich ist Deutschland nur auf Platz 20 für den Bereich digitale Verwaltungsservices – hinter Spanien, Frankreich und Großbritannien.

An dem eklatanten Rückstand Deutschlands im Bereich Digitale Verwaltung hat sich auch in der zurückliegenden Legislaturperiode kaum etwas verändert. Zwar habe die Bundesregierung mit der digitalen Agenda und dem Teilprojekt digitale Verwaltung 2020 das Thema E-Government formal zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht, jedoch sei die bisherige Wirkung weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, heißt es in dem Bericht.

Demnach wurden etwa von 3.000 Schriftform-Erfordernissen gerade einmal 21 Prozent gestrichen oder ergänzt – und das auch überwiegend nur in „einfachen“ Fällen mit geringen Fallzahlen und begrenzter Relevanz für Bürger und Unternehmen.

Auch die Wirtschaft macht Druck. „E-Government ist wichtig für nachhaltigen Bürokratieabbau“, sagte Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer. Gerade der industrielle Mittelstand leide unter hohen bürokratischen Lasten. Im Interview mit dem Handelsblatt hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière eingeräumt, dass der Staat bei der Digitalen Verwaltung „noch deutlich besser“ werden müsse.

Einziger größerer Erfolg der Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren ist die Änderung des Grundgesetzes dahingehend, dass Bund, Länder und Kommunen bei der IT künftig zusammenarbeiten sollen. Ein neues Gesetz soll regeln, dass die staatlichen Verwaltungen ein gemeinsames Portal errichten, über das Bürger und Unternehmen auf alle Verwaltungsdienstleistungen zentral zugreifen können. „Wir haben die Weichen dafür gestellt, dass jeder Bürger bald bequem von zu Hause Behördengänge wie die Meldung bei Umzug oder die Anmeldung eines Fahrzeuges erledigen kann“, versprach de Maizière.


Lichtblick „One in one out“

NKR-Chef Ludewig mahnte dazu, diese neuen Möglichkeiten auch wirklich zu nutzen. Das Onlinezugangsgesetz bringe neue Chancen. „Diese Entwicklung muss in der kommenden Legislaturperiode mit Nachdruck vorangetrieben werden.“ Der Erfolg des Portalverbundes werde von der tatsächlichen Umsetzung abhängen. „Nötig sind eine verbindliche Steuerung, ausreichende Ressourcen und die enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen.“ Nur dann würden Bürger und Unternehmen im Alltag von dem direkten und effizienten Zugang zur Verwaltung profitieren. Um den bereits als erheblich einzuschätzenden Rückstand aufzuholen, müsse Deutschland seine Anstrengungen um ein Vielfaches erhöhen, heißt es in dem Jahresbericht des Beratergremiums.

Die mangelhafte Weichenstellung bei der Digitalisierung war in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder Anlass für Kritik an der Bundesregierung. Als Beispiele dafür, wo der Staat es versäumt, Bürgern und Wirtschaft gute Rahmenbedingungen zu schaffen werden zum einen die lückenhafte Versorgung mit schnellen Internetleitungen und zum anderen der schleppende Ausbau der Digitalen Verwaltung genannt. Immer wieder wurde auch diskutiert, ob es zur besseren Bearbeitung des Themas ein eigenes Digitalministerium geben soll.

Eine gute Nachricht hatte der NKR-Chef Ludewig für Kanzlerin Merkel beim Bürokratieabbau. Die „One in one out“-Regel, oder auch Bürokratiebremse, zeige Wirkung. Die Regel ist seit mehr als zwei Jahren in Kraft, nach ihr muss jede zusätzliche Belastung mit Bürokratiekosten an anderer Stelle durch den Wegfall einer Regelung ausgeglichen werden. Das „Out“ übersteige das „In“ in diesem Zeitraum um 1,4 Milliarden Euro, heißt es in dem Bericht.

Dem NKR geht die Bürokratiekostenbremse allerdings nicht weit genug, denn bisher fallen nur nationale Regeln darunter. Man müsse darüber nachdenken, ob nicht auch EU-Regeln in der Bilanz einbezogen werden. Unterstützung bekommt der NKR für diese Forderung auch aus der Wirtschaft. „Das Potenzial des Bürokratieabbaus ist noch lange nicht ausgeschöpft“, sagte Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer am Mittwoch. Die One-in-one-out-Regel kenne zu viele Ausnahmen. „Eine davon ist das EU-Recht, was einen Großteil der deutschen Regulierung ausmacht. Es entspricht nicht der Realität, das EU-Recht von der One-in-one-out-Regel auszunehmen.“  

Insgesamt stieg der jährliche Erfüllungsaufwand um 6,7 Mrd. Euro an – fast der gesamte Anteil dieser Bürokratiekosten muss dabei die Wirtschaft tragen. Allein 6,3 Milliarden entfiel dem Bericht zufolge auf die Mindestlohneinführung und seine erste Anpassung.

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