Vize-Chefin der Südwest-AfD AfD-Politikerin solidarisiert sich mit „Identitärer Bewegung“

Die Vize-Chefin der Südwest-AfD sympathisiert offen mit der rechten „Identitären Bewegung“. Solche Verbindungen sind dem Bundesinnenministerium bekannt. Doch Handlungsbedarf sieht man dort nicht. Das sorgt für Unmut.

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Alternative für Deutschland im Zwielicht: Die Südwest-AfD sorgt mit einem auffälligen Rechtskurs für Schlagzeilen. Quelle: dpa

Berlin In der Südwest-AfD genießt die rechte „Identitäre Bewegung“ offenbar immer größeren Zuspruch. Dubravko Mandic, Vorsitzender des Parteischiedsgerichts des AfD-Landesverbands in Baden-Württemberg ist, hatte selbst schon Kontakte zu der Gruppierung eingeräumt. Nachdem der Bundesverfassungsschutz die „Identitären“ nun offiziell unter Beobachtung gestellt hat, zeigte sich die Stuttgarter AfD-Landtagsabgeordnete und Vize-Chefin des Landesverbands, Christina Baum, demonstrativ solidarisch mit den Rechten und ihrer Ideologie.

Die Grünen sehen nun die Sicherheitsbehörden am Zug, die Verbindungen zwischen „Identitären“ und AfD in den Blick zu nehmen. Doch das Bundesinnenministerium sieht keinen Handlungsbedarf. Dabei zeigt das Beispiel der Abgeordneten Baum, in welche Richtung die AfD streben könnte.

In einem Leserbrief an die „Fränkischen Nachrichten“ erklärte Baum, dass „natürlich“ auch sie, wie die „Identitären“, die Entwicklung Deutschlands zu einer multikulturellen Gesellschaft mit den entsprechenden Risiken für die innere Stabilität und Sicherheit „vehement“ ablehne. Für die von Kanzlerin Angela Merkel „eigenmächtig herbeigeführte, ungesetzliche Massenzuwanderung wird sie hoffentlich eines Tages zur Verantwortung gezogen werden“, keilte die AfD-Politikerin gegen die CDU-Bundesvorsitzende.

„Den Verlust der eigenen Identität kann ich jeden Tag beobachten, wenn ich durch die Innenstadt von Stuttgart gehe“, fügte Baum hinzu. Und sprach von „politisch herbeigeführten Fehlentwicklungen“, die sie weiterhin „laut und deutlich“ kritisieren werde, „und wenn ich deshalb nun dafür einen Verfassungsschützer zu Seite gestellt bekomme, kann ich nur sagen: Willkommen in der DDR 2.0“.

Die Beobachtung der „Identitären“ ist für Baum rein machttaktisch motiviert. „Damit sollte nun auch dem letzten Zweifler klar geworden sein, dass der Verfassungsschutz zur Einschüchterung Andersdenkender benutzt wird und somit ein Instrument zur Erhaltung der politischen Macht in Deutschland darstellt“, erklärte sie. Und schickte ein Drohung hinterher: „Doch das Volk lässt sich nicht mehr lange einschüchtern. Das Maß ist voll.“

Baum ist schon früher als Hardlinerin mit rabiaten Positionen in Erscheinung getreten. So habe sie in ihrer Bewerbungsrede um den Posten der Landessprecherin im Januar 2015 vor einer „immer stärkeren Zurückdrängung des deutschen Bevölkerungsanteils“ und einem „schleichenden Genozid“ an den Deutschen gewarnt, heißt es in einer Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung.


„Identitäre“ besetzen Brandenburger Tor in Berlin

Auch habe sie als eine der Ersten ihres Landesverbandes im Frühjahr 2015 die „Erfurter Resolution“ unterzeichnet und mit ihrem Kreisverband entgegen der offiziellen Linie des Landeschefs Jörg Meuthen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zu einem Wahlkampfauftritt eingeladen.

Folgerichtig erscheint damit ihre Sympathie für die „Identitäre Bewegung“. Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte deren Beobachtung damit begründet, dass es bei der Gruppierung Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gebe. „So werden Zuwanderer islamischen Glaubens oder aus dem Nahen Osten in extremistischer Weise diffamiert. Deshalb beobachten wir die Bewegung nun auch.“

Warum die AfD für die rechte Gruppierung von strategischem Interesse sein könnte, zeigt ein Eintrag im Verfassungsschutzbericht des Landes Niedersachsen: Dort heißt es mit Blick auf die „Identitäre Bewegung“: „Sie schürt insbesondere Islamfeindlichkeit und verpackt so Aussagen, die leicht vermittelbar und damit für rechtspopulistische bürgerliche Protestbewegungen anschlussfähiger sind, als die Volksgemeinschaftspropaganda der neonazistischen Szene.“

Die Gruppierung hat französische Wurzeln und ist seit 2012 auch in Deutschland mit rund 300 Mitgliedern aktiv. Am Samstag hatten Aktivisten der Bewegung bei einer Protestaktion gegen die Asylpolitik der Bundesregierung kurzzeitig das Brandenburger Tor in Berlin besetzt. Sie schwenkten eine Fahne ihrer Gruppierung und entzündeten Augenzeugen zufolge Pyrotechnik. Zudem entrollten sie unterhalb der Quadriga zwei Transparente, ein weiteres zeigten sie ganz oben auf dem symbolträchtigen Bauwerk. Auf einem Transparent stand „Sichere Grenzen - sichere Zukunft“. Nach etwa einer Stunde kamen die Besetzer nach Aufforderung der Polizei herunter.


Grüne sehen Bundesregierung wegen AfD-Rechtskurs am Zug

Zur „Identitären Bewegung“ unterhalten manche Politiker der AfD, darunter Dubravko Mandic, Kontakte. Die Bundesregierung erklärte in einer Antwort auf eine Linken-Anfrage zwar, dass ihr hierzu keine Erkenntnisse vorlägen. Doch dieser hatte als Bundesvorstandsmitglied des AfD-Zusammenschlusses „Patriotische Plattform“ kürzlich selbst eine personelle Verbundenheit von AfD und Identitären eingeräumt. Die politische Zielsetzung sei ähnlich, allein die Mittel seien unterschiedlich. So nahm Mandic etwa am 11. Juni gemeinsam mit einem weiteren AfD-Politiker in Wien an einer Demonstration der „Identitären Bewegung Österreich“ teil.

„Eindeutiger geht es nun wirklich nicht, zumal einzelne Verfassungsschutzbehörden bereits einzelne AfD-Politiker beobachten. Das dürfte auch dem Bundesinnenministerium nicht entgangen sein“, kritisierte der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka damals und verlangte, den Inlandsgeheimdienst auf die Partei anzusetzen. „Wenn Rassismus und menschenverachtende Hetze so offen propagiert werden wie durch Teile der AfD, dann gehören sie unter Beobachtung gestellt.“

Doch das Innenministerium sieht keinen Handlungsbedarf – auch nachdem die „Identitären“ nun ins Visier des Bundesverfassungsschutzes geraten sind. In einer Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Volker Beck wies die Innenstaatssekretärin Emily Haber darauf hin, dass die AfD kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes sei. „Für die Einstufung zum Beobachtungsobjekt war die Frage nach Verbindungen der Identitären Bewegung Deutschland (IBD) zur AfD (…) daher nicht entscheidungsrelevant.“

Gleichwohl seien der Bundesregierung die Darstellungen in der Presse „zu einzelnen persönlichen Kontakten oder der Teilnahme von Mitgliedern der IBD an Demonstrationen der AfD bekannt“. Bekannt sei jedoch auch, dass sich die Bundesspitze der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) von der Gruppierung distanziert und einen „Unvereinbarkeitsbeschluss“ verabschiedet habe. Ähnlich hatte sich auch der AfD-Bundesvorstand positioniert.

Der Grünen-Abgeordnete Beck reagierte mit scharfer Kritik auf die Ausführungen des Innenministeriums. „Diese Antwort nährt einmal mehr die Sorge, dass die Bundesregierung und ihre Dienste auf dem rechten Auge blind sind und nur das zugeben und berichten, was sie nicht mehr leugnen können“, sagte Beck dem Handelsblatt. „Welchen Mehrwert diese Art nachrichtendienstlicher Tätigkeit für Demokratie und Sicherheit haben, bleibt schleierhaft.“

Beck verlangte von der Bundesregierung, die „offensichtlichen Verbindungen zwischen Rechtsextremen und der AfD“ öffentlich zu bewerten. „Andernfalls verfehlen die Bundesregierung und ihre Dienste ihren Auftrag, die Öffentlichkeit über demokratiegefährdende Bewegungen zu informieren.“

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