VKU-Präsident im Interview „Fahrverbote sind unvorstellbar“  

Michael Ebling, Mainzer Oberbürgermeister und Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen, nimmt am kommunalen Dieselgipfel der Bundeskanzlerin teil. Warum er das Engagement der Bundesregierung für unzureichend hält.

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„Ich erwarte konkrete Ergebnisse“, sagt der Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen. Quelle: picture alliance/dpa

Michael Ebling, Oberbürgermeister von Mainz und Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), nimmt am Krisengipfel der Bundeskanzlerin mit den Vertretern der Städte und Gemeinden am kommenden Montag teil. Das bisherige Engagement der Bundesregierung hält er für unzureichend.

Was erhoffen Sie sich vom Treffen mit der Kanzlerin?
Ich erwarte konkrete Ergebnisse. Wir brauchen nicht noch mehr Ärzte und noch mehr Diagnosen. Die Probleme mit der Luftqualität sind mittlerweile allen Akteuren hinlänglich bekannt. Wichtigstes Ziel muss es sein, Fahrverbote zu vermeiden.

Was würden Fahrverbote für Dieselfahrzeuge bedeuten?
Man würde dem kommunalen Leben den Stecker ziehen. Ein Drittel der Fahrzeuge, die in Mainz herumfahren, haben einen Dieselmotor. Lieferanten, Handwerker und sehr viele Pendler kämen nicht mehr in die Städte hinein. Das ist ein unvorstellbares Szenario. Wir müssen alles tun, damit es nicht dazu kommt.

Wer ist in der Pflicht?
Es wäre nicht fair, die Reduzierung der Stickoxide allein privaten Diesel-Fahrern aufzubürden. Auch der öffentliche Nahverkehr muss seinen Beitrag leisten. Mit einem Programm zur Anschaffung von 10 000 Bussen mit Wasserstoff- oder E-Antrieb könnten wir die Luftschadstoffe reduzieren und einen Schub für saubere Technologien auslösen.

Was tut eine Stadt wie Mainz konkret, um Fahrverbote zu vermeiden?
Es geht darum, den Fuhrpark des öffentlichen Personennahverkehrs umzurüsten und Konzepte zur intelligenten Verkehrslenkung zu entwickeln. Beides kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Stickoxidwerte zu senken.

Wie weit sind Sie bei der Umrüstung des öffentlichen Personennahverkehrs?
Aus dem Sofortprogramm des Landes Rheinland-Pfalz erhalten wir eine Million Euro, damit können wir die Dieselmotoren der Busse umrüsten.

Aber das kann nur ein erster Schritt sein.
Richtig. Mittelfristig ist es nicht ausreichend, nur die Diesel-Busse umzurüsten. Am Ende geht es um eine Komplettumstellung der Antriebskonzepte, also um einen Quantensprung.

Wissen Sie, welchen Antriebskonzepten die Zukunft gehört?
Nein, das weiß im Moment noch niemand.

In welche Richtung würden Sie gehen?
Wir müssen wahrscheinlich mehrgleisig fahren.

Was kosten neue Antriebskonzepte?
Das lässt sich nur grob abschätzen. Wenn wir in Mainz nur 25 Prozent der Busse der städtischen Verkehrsbetriebe von Diesel- auf Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb umstellen würden, dann würden dadurch Mehrkosten von rund 20 Millionen entstehen.

Mit den 250 Millionen Euro öffentlicher Mittel, die die Kanzlerin den Kommunen beim ersten Diesel-Gipfel in Aussicht gestellt hat, kommt man dann nicht sehr weit. Auch der Anteil von 250 Millionen von der Autoindustrie reißt das nicht raus.
Das stimmt. Die insgesamt 500 Millionen Euro, über die wir hier reden, reichen niemals aus. Die erforderlichen Investitionen werden mit wesentlich höherem Mitteleinsatz des Bundes gesichert werden müssen. Wenn man die Luftreinhaltung ernst nimmt und Fahrverbote vermeiden will, muss der Bund deutlich mehr tun. Wir brauchen ein verlässliches Leitprogramm für mehrere Jahre.


„Die Stadtwerke spielen eine Schlüsselrolle“

Welche Rolle spielt die Ladeinfrastruktur?
Nur mit dem massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur lässt sich der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Das wird vielerorts noch unterschätzt. Die Stadtwerke spielen dabei eine Schlüsselrolle. Wenn Stadtwerke Teile ihrer Busflotte auf Elektroantrieb umstellen, hat das hohe Symbolkraft. Das Signal an die Verbraucher ist, dass Elektromobilität funktioniert. Die Bereitschaft, selbst ein E-Auto zu kaufen, könnte steigen. Das wiederum würde die Ladeinfrastruktur besser auslasten.

Sehen Sie im Ausbau der Ladeinfrastruktur eher eine Chance oder eher ein Risiko?
Eine Chance. Schon heute sind sieben der zehn größten Betreiber von Ladeinfrastruktur in Deutschland kommunale Unternehmen. Sie investieren Milliarden in die Zukunft. Zwar sind die Geschäftsmodelle noch unklar, insofern gehen die Unternehmen in Vorleistung. Ich habe aber wenig Zweifel daran, dass sich das positiv entwickelt.

Welche Rolle spielen intelligente Verkehrskonzepte bei der Reduktion der Stickoxid-Emissionen?
Ich bin davon überzeugt, dass darin großes Potenzial steckt. Städte und Stadtwerke sind prädestiniert, dabei voran zu gehe. Mobilitätskonzepte, die Busse und Bahnen, Autos, E-Scooter oder Fahrräder miteinander vernetzen, setzen integriertes Denken voraus. Das lässt sich am effizientesten auf kommunaler Ebene umsetzen.

Das Interview führte Klaus Stratmann.

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