Ursula von der Leyen war gerade erst zum Dienst als Verteidigungsministerin angetreten, als eine größere Gruppe Offiziere vom Ministeriumsstandort in Bonn zum politischen Hauptsitz reisen musste. Am Flugsteig des Flughafens Köln/Bonn vertrieben sie sich die Wartezeit mit lautstarken Vorübungen, wie es der Novizin in Oliv wohl ergehen würde. „Das Mädel kriegen wir schon klein“, lautete eine der Prophezeiungen über die zierliche, aber zähe Niedersächsin, die ihr Vater, der einstige Ministerpräsident Ernst Albrecht, bis in die jüngste Zeit „Röschen“ rief. Manche Abgeordnete haben ihr mit der neuen Berufung den Spitznamen „Soldaten-Ursel“ verpasst, andere nennen sie „Kanonen-Uschi“. Genau zwei Monate hat die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gebraucht um zu erkennen, dass bei den Rüstungsvorhaben für die Bundeswehr und vor allem in den Strukturen ihres Hauses nicht alles rund läuft – aber eben auch nicht geradlinig. Nun zieht sie erste Konsequenzen und räumt in der Rüstungsabteilung auf.
Unter dem Eindruck des Drohnen-Desasters mit dem Eurohawk hatte ihr Vorgänger Thomas de Maizière die Idee eines „Rüstungsboards“ entwickelt: Alle sechs Monate sollten dort die mit Rüstungsprojekten befassten Abteilungsleiter (also beispielsweise auch die Haushälter) der Spitze des Hauses über den Stand der einzeln en Projekte berichten. Die Ergebnisse sollten dann auch dem Verteidigungsausschuss übermittelt werden. Für Mitte Januar war die erste Sitzung geplant, doch von der Leyen ließ den Termin immer wieder verschieben, weil ihr die schriftlichen Vorlagen nicht ausreichten, zu viele Details unklar waren. Gestern Abend nun traf sich die Steuerungsgruppe zum ersten Mal – mit niederschmetterndem Ergebnis: Keiner der vorgelegten Berichte wurde von der Ministerin akzeptiert. Auch auf Nachfragen blieben die Fachbeamten Antworten schuldig, erst in der Diskussion wurden manche Details bekannt.
Dass die Sitzung so enden würde, war der Ministerin freilich schon vorher klar. Denn die nun folgende Entlassung des Staatssekretärs Stephane Beemelmans und die Abberufung des Leiters der Rüstungsabteilung hatte sie bereits in den letzten Tagen vorbereitet, als die von de Maizière gestartete Transparenzoffensive einfach nicht voran kam. „Meine Erfahrung der vergangenen Wochen ist, dass wir einen personellen Neustart brauchen, damit dieser Prozess auch von allen im Haus gelebt werden kann.“ Nun will sie zunächst für alle Großprojekte den tatsächlichen Sachstand ermitteln lassen – mit externer Hilfe. Eine Unternehmensberatung, die Erfahrung im Management von Großprojekten hat, soll Mitarbeiter ins Verteidigungsministerium entsenden, die dort zusammen mit den alt eingesessenen Beamten die Vorhaben überprüfen und ein modernes Controlling aufbauen. Auch stört die Ministerin, dass etliche Verträge, die das Haus mit Rüstungslieferanten abgeschlossen hat, für die Behörde wenig vorteilhaft seien.
Von den 1200 Rüstungsvorhaben der Bundeswehr hat von der Leyen nun erstmal die 15 Großprojekte im Visier, die einen erheblichen Entwicklungsaufwand beinhalten. Dazu zählen unter anderem der Militairbus A 400 M, die Hubschrauber NH 90 und Tiger, die Fregatte F 125, der Lenkflugkörper Iris und das Flugabwehrsystem Meads.