Vor dem Parteitag SPD streitet über neue GroKo-Auflage

Vor dem SPD-Parteitag bringen sich Befürworter und Gegner der Regierungsbeteiligung in Stellung. Die einen sehen die Existenz der Partei in Gefahr, andere rufen zu Verantwortungsbewusstsein auf. Der Ausgang ist ungewiss.

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Anders als manche Parteikollegen appelliert Johannes Kars für Offenheit gegenüber Koalitions-Gesprächen. Man solle sich Gesprächen mit der Union „nicht verschließen“. Quelle: AP

Berlin Kurz vor dem mit Spannung erwarteten Parteitag hat der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Marco Bülow die SPD vor der Neuauflage einer großen Koalition gewarnt. „Die SPD könnte damit ihr Überleben aufs Spiel setzen“, sagte Bülow der „Frankfurter Rundschau“. Er glaube, dass Parteichef Martin Schulz wirklich eine Erneuerung der SPD wolle. „Er hört aber zu stark auf eine alte Beraterclique, deren Hauptziel schon immer war, wieder in die große Koalition zu gehen.“

Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, hingegen appellierte an die Parteitagsdelegierten, sich Gesprächen mit der Union nicht zu verschließen.

Die Delegierten entscheiden auf dem am Donnerstag beginnenden SPD-Parteitag, ob sie dem Vorschlag der Parteispitze folgen, ergebnisoffene Gespräche mit der Union zu führen. In der Partei wird ein offener Schlagabtausch von Anhängern und Gegnern einer erneuten Regierungsbeteiligung erwartet – Ausgang ungewiss. Bei der Bundestagswahl war die SPD auf 20,5 Prozent abgestürzt, die Sozialdemokraten wollten sich zunächst eigentlich in der Opposition erneuern.

Im Fall einer weiteren Koalition mit CDU und CSU werde es auf jeden Fall Austritte aus der SPD geben, warnte Bülow in der „Frankfurter Rundschau“. „Wenn die Wahlergebnisse und der Mitgliederschwund der SPD in den vergangenen zwölf Jahren nicht zur Umkehr reichen, weiß ich auch nicht, was noch passieren müsste.“ Kahrs meinte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „So richtig will niemand in der SPD eine neue große Koalition.“ In der jetzigen Situation gehe es aber nicht ums Gefühl, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen. „Und das bedeutet: Wir müssen mit der Union zumindest reden.“

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bewertete eine neue GroKo skeptisch. „Die Union hat sich nicht mehr an Absprachen gehalten, deswegen halte ich eine Minderheitsregierung für eine gute Alternative“, sagte sie den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Eine Minderheitsregierung könnte sogar stabiler sein als eine nur widerwillig eingegangene Koalition.“

CDU, CSU und SPD hatten zuletzt mögliche gemeinsame Gespräche über eine Regierungsbildung mit Forderungskatalogen belastet. Strittig ist etwa eine Verlängerung der Aussetzung oder eine Wiederaufnahme des Familiennachzuges von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutz.

„Dass die Sozialdemokraten den Familiennachzug für Flüchtlinge fordern, ist ein Rückschritt - sogar die Grünen haben unsere Position bei den Jamaika-Gesprächen akzeptiert“, sagte der designierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den „Nürnberger Nachrichten“. „Ich kann mich nur wundern, dass eine SPD, die etwa in Nürnberg unter die 20-Prozent-Marke rutscht, nichts aus dem Wahlergebnis lernt.“

Unmittelbar nach der Abstimmung über den Kurs der SPD stellt sich am Donnerstag der gescheiterte Kanzlerkandidat Schulz beim Parteitag zur Wiederwahl. In Parteikreisen hieß es, es sei noch nicht absehbar, an welcher Stelle der Parteitag sich ein Ventil suchen werde - beim Weg in die GroKo, beim Urteil über Schulz oder bei der Wahl der Stellvertreter. Gibt der Parteitag grünes Licht für Gespräche mit der Union, wollen Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles sich schon in der nächsten Woche mit den Unionsspitzen treffen.

Der Absturz bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent hat derweil für die SPD finanziell herbe Folgen. „Durch die Verluste bei der Bundestagswahl können der gesamten Partei im schlimmsten Fall 2,4 Millionen Euro an jährlichen Einnahmen verloren gehen“, sagte der SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan der Deutschen Presse-Agentur. Davon müssten die Landesverbände ein Drittel schultern - so dass dem Parteivorstand auf Bundesebene bei einem Budget von fast 40 Millionen Euro in diesem „Worst-Case-Szenario“ etwa 1,5 bis 1,6 Millionen Euro pro Jahr fehlen könnten.

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