Vorwahlen in Frankreich Französische Sozialisten auf Linkskurs

In der ersten Vorwahlrunde um die Präsidentschaftskandidatur siegte Ex-Minister Hamon überraschend und trifft in der Stichwahl auf Ex-Premier Valls. Die beiden sind programmatisch allerdings unversöhnlich.

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Die beiden Präsidentschaftskandidaten liegen bei der Vorwahl der französischen Linke in Führung. Quelle: AFP

Paris Frankreichs Sozialisten haben begonnen, einen Erben für Präsident François Hollande zu suchen und das ist nicht leicht. Die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang war mit rund zwei Millionen Wählern mäßig und passte zur Stimmung in der sozialistischen Partei. Die konservativen Republikaner hatten bei ihrer Vorwahl im November vier Millionen mobilisiert. Der unbeliebte Hollande rechnete sich keine Chancen aus und wollte nach einer Amtszeit nicht mehr antreten, das ist höchst ungewöhnlich. Überraschend gelangte Ex-Bildungsminister Benoît Hamon, der zum linken Flügel der Partei gehört, nach Hochrechnungen auf den ersten Platz. Für die Stichwahl am kommenden Sonntag qualifizierte sich auch Ex-Premierminister Manuel Valls, der Vertreter der rechten Sozialisten.

Hamon lag laut der Hochrechnungen mit rund 35 Prozent vor Valls mit 31 Prozent. Sieben Kandidaten waren angetreten, Valls, Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, Hamon und Vincent Peillon, ebenfalls Ex-Bildungsminister. Außerdem der Grüne François de Rugy, Jean-Luc Bennahmias von der Demokratischen Front und Sylvia Pinel von der Radikalen Partei der Linken. Auf Platz drei landete Montebourg, der auch den linken Rand vertritt und eigentlich zusammen mit Valls als der Favorit galt.

Schon jetzt ist klar, dass Hamon in der Stichwahl von Montebourg unterstützt wird, was ihm einen Vorteil einbringt. Die beiden ähnlich sich in ihrer politischen Ansichten, beide hatten sich enttäuscht von Hollande abgewandt. Hamon betonte nach seinem Überraschungssieg der ersten Etappe: „Indem Sie mich an die Spitze gesetzt haben, haben Sie eine Botschaft der Hoffnung und der Erneuerung gesendet.“ Eine neue Ära für die Sozialisten könne anbrechen. Seine Fans jubelten bei seiner Wahlveranstaltung schon „Benoît Präsident“. Hamon, der von vielen Sozialisten nur „der kleine Ben“ genannt wurde, hat sich vom Außenseiter zum Favoriten der Sozialisten qualifiziert, was sehr an die Wahl der Republikaner erinnert. Dort galten Ex-Premier Alain Juppé und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy als besonders aussichtsreich, doch der ehemalige Premierminister François Fillon machte das Rennen.

Der Bretone Hamon, der Ex-Arbeitsministerin Martine Aubry, der Patin der 35-Stunden-Woche in Frankreich, nahe steht, sorgte mit einem Punkt seines Wahlprogrammes besonders für Aufsehen. Er will für die ganze Bevölkerung ein Grundeinkommen von 750 Euro einführen und damit gegen Armut ankämpfen, dieses soll über Steuererhöhungen finanziert werden. Außerdem will er das unter Hollande eingeführte Arbeitsrecht, das mehr Freiheit für Unternehmen schafft, abschaffen, den Mindestlohn erhöhen und mehr Lehrerstellen schaffen. Seine Konkurrenten kritisierten die Kosten seines Programms. Valls sprach am Sonntagabend von nicht zu „finanzierenden Versprechen“ seines Konkurrenten, er dagegen ist eher wirtschaftsfreundlich eingestellt und steht für Reformen.

Doch wer am kommenden Wochenende bei den Sozialisten gewinnt, wird trotzdem nicht viel Chancen haben. In Frankreich wurde in den Medien schon von einer „Wahl der Chancenlosen“ gesprochen. Denn egal, wer aus der Vorwahl als Sieger herausgeht, kann laut Umfragen im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl am 23. April kaum mit mehr als zehn Prozent rechnen, was für eine Stichwahl am 7. Mai nicht reichen würde. Wählen kann bei der Vorwahl der Sozialisten jeder, der sich zu den Werten der Linken bekennt, wahlberechtigt ist und einen Euro bezahlt.

Interessant wird am kommenden Sonntag sein, ob das Pendel bei der Wahl nach rechts oder links ausschlägt. Valls, der von seinem Amt als Premierminister zurückgetreten ist, um in den Wahlkampf zu ziehen, hat einen Nachteil. Er wird mit der Regierung von Hollande assoziiert. Und wendet sich deshalb von der Regierungszeit ab, denn eine Allianz mit dem unbeliebten Hollande kann nur schaden. Valls betont, dass er vieles nur auf Anordnung von Hollande durchgezogen hat, so richtig glaubt ihm das aber niemand.


„Die Bewegung der Sozialisten ist tot“

Kompliziert für das linke Spektrum in Frankreich ist allerdings, dass sich zwei Kandidaten dieser politischen Ausrichtung nicht an der Vorwahl der Sozialisten beteiligen wollten. Der ehemalige Wirtschaftsminister Emmanuel Macron geht mit seiner eigenen politischen Organisation „En Marche“ ins Rennen und gilt als großer Hoffnungsträger. Der erst 39-jährige Newcomer steht für eine sozialliberale Politik, setzt sich für ein starkes Europa ein und ist politisch weiter zur Mitte hin angesiedelt. Wurde er anfangs als „schnell verglühender Komet“ bezeichnet, konnte er sich in den Umfragen zuletzt immer als der dritte Mann hinter Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National und dem Republikaner Fillon behaupten und seine Wahlkampfveranstaltungen überall in Frankreich sind bestens besucht. Macron hat stark im Lager der Sozialisten gewildert, er muss aber auch noch Stimmen von Le Pen und den Konservativen erobern. Eins gilt in Frankreich seit längerer Zeit als so gut wie sicher: Le Pen ist für die Stichwahl am 7. Mai gut aufgestellt.

Mélenchon, der bisher Viertplatzierte der Umfragen, lag noch vor allen Sozialisten, die nur auf Platz fünf kamen und ist im Gegensatz zu Macron Europaskeptiker und kein Deutschlandfreund. Sowohl für ihn als auch für Macron ist die Wahl der Sozialisten ausschlaggebend. Sollte Hamon vom linken Rand Kandidat werden, wäre es schwerer für Mélenchon diese Wählerschicht hinter sich zu sammeln. Umgekehrt hätte es Macron schwerer, wenn sich Valls durchsetzen würde, weil der weiter zur Mitte hin angesiedelt ist. Macron könnte sich freuen, wenn Hamon gewinnen würde, denn gegenüber diesem, klingt sein Programm realistisch. Schon jetzt heißt es, zahlreiche Sozialisten liebäugeln damit, zum aussichtsreichen Macron überzulaufen. Mit Ségolène Royal jedenfalls, der Ex-Lebenspartnerin von François Hollande, die inoffiziell als eine der wichtigsten Präsidenten-Beraterinnen gilt, pflegt er schon eifrig Kontakt.

Mélenchon, selbst ehemaliger Sozialist, erklärte die Bewegung der Sozialisten im Wahlkampf schon als „tot“. Auch wenn das reichlich vernichtend klingt, ganz Unrecht hat er nicht mit seiner Einschätzung. Denn die Sozialisten wurden zwischen den verschiedenen Strömungen innerhalb der Partei - zwischen rechts und links - zerrieben. Hollande und Valls haben Gesetze wie das umstrittene Arbeitsgesetz mit einer Sonderregelung durchs Parlament geboxt, um die Abstimmung zu umgehen. Auch in der eigenen Partei gab es für viele Reformen nicht die ausreichende Mehrheit. So schlecht aufgestellt waren die Sozialisten in den vergangenen Jahrzehnten noch nie. Die Ära Hollande ist vorbei. Dieser war in Chile und beteiligte sich nicht einmal an der Wahl, betonte aber, dass er sich „für das politische Leben in Frankreich“ weiter interessiert.

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