VW-Abgasskandal „Transparenz geht anders“

Im VW-Dieselskandal sind schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung laut geworden. Die Grünen kritisieren, dass die Koalition im zuständigen Parlamentsausschuss wichtige Themen von der Tagesordnung genommen hat.

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Die Tricksereien des Volkswagen-Konzerns bei Abgaswerten sind vor über einem Jahr bekannt geworden. Quelle: dpa

Berlin Die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz im Bundestag, Renate Künast (Grüne), hat der Bundesregierung vorgeworfen, die Aufarbeitung des VW-Abgasskandals zu verzögern. „Die Bundesregierung nimmt beim Thema Abgasskandal weder die Rechte der Verbraucher noch der Parlamentarier ernst“, sagte Künast dem Handelsblatt. „Statt mit der Automobilindustrie gemeinsame Sache zu machen, Missstände tot zu schweigen oder zu decken, sollte sie endlich für Aufklärung, die Beseitigung rechtlicher Schlupflöcher bei Abgas- und Verbrauchsangaben und die Möglichkeit für Entschädigungen und Rechtsdurchsetzung für die Verbraucher sorgen.“

Konkret kritisiert Künast, dass die Grünen seit September 2015 sechs Mal einen Bericht der Bundesregierung zum Abgasskandal im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eingefordert hatten, die Tagesordnungspunkte aber fünf Mal mit der Stimmenmehrheit der Koalitionsfraktionen abgesetzt oder vertagt worden seien. „Transparenz geht anders“, sagte die Grünen-Politikerin.

Zuletzt vertagt wurde etwa am 30. November ein Bericht der Bundesregierung zu der aktuellen Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT). Die Untersuchung stellt Abweichungen des Realverbrauchs von Kraftstoff bei Neufahrzeugen von durchschnittlich 42 Prozent gegenüber dem angegebenen Testverbrauch fest. Die Bundesregierung sollte im Ausschuss über etwaige Ansprüche der geschädigten Verbraucher und eigene Maßnahmen dazu Auskunft geben.

Auch in früheren Ausschusssitzungen sollte die Bundesregierung über verbraucherrechtliche Auswirkungen und zivilrechtlichen Ansprüchen des VW-Skandals berichterstatten. Lediglich am 16. Dezember 2015 habe es auf Wunsch der Grünen ein Gespräch im Ausschuss zu dem Thema mit VW-Vertretern gegeben. Die Bundesregierung habe aber nur einen „oberflächlichen Bericht“ zu den rechtlichen Konsequenzen präsentiert. „Dies nur, weil wir die VW-Vertreter zuvor selber in den Ausschuss eingeladen hatten“, sagte Künast.

Der Skandal um Abgasmanipulationen bei Volkswagen wird im Bundestag auch von einem Untersuchungsausschuss aufgearbeitet. Im Zentrum steht dabei insbesondere die Rolle der Bundesregierung. Zuletzt mussten gleich drei Minister Auskunft geben. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) versicherten, sie hätten erst nach Aufdecken des Skandals im September 2015 in den USA von verbotenen Praktiken erfahren. Im Januar will der Ausschuss Ex-VW-Chef Martin Winterkorn befragen.

Obwohl der Abgasskandal inzwischen mehr als ein Jahr alt sei, fahre die Bundesregierung noch immer einen „Schlingerkurs“, kritisierte die Grünen-Politikerin. Das von der EU-Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung sei daher nur folgerichtig. „Hätte die Bundesregierung die EU-Verordnung damals ordentlich umgesetzt, wäre den Verbrauchern eine Menge Ärger erspart geblieben“, so Künast.

Auslöser des bevorstehenden Verfahrens sind die Tricksereien des Volkswagen-Konzerns, der mit Hilfe einer speziellen Software die Abgaswerte von Millionen Diesel-Autos schönte. Die EU-Kommission argwöhnt, dass die deutschen Aufsichtsbehörden den Konzern nicht ausreichend kontrolliert haben. Dies könnte einen Verstoß gegen EU-Recht darstellen. Die bisherigen Reaktionen der Bundesregierung stuft die Kommission als lückenhaft ein. Neben Deutschland müssen noch sechs weitere EU-Staaten mit Verfahren rechnen.

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