Währungspolitik Wilhelm Hankel: Tod eines Kritikers

Der Eurokritiker Wilhelm Hankel ist tot. Doch auf seine Ideen könnte Europa in nicht allzu ferner Zukunft noch angewiesen sein.

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Hankel war der wohl ökonomisch profilierteste unter den Euro-Klägern. Quelle: dpa

Der Euro ist langlebiger und zäher als viele Experten auf dem Höhepunkt der Euro-Krise 2011/12 dachten. Nun hat er sogar einen seiner profiliertesten Kritiker überlebt. In der vergangenen Woche starb der Ökonom Wilhelm Hankel, der mit anderen Professoren mehrfach vor das Bundesverfassungsgericht gezogen war, um gegen den Euro und gegen die Euro-Rettungspolitik von Regierungen und Europäischer Zentralbank zu klagen.

Hankel war der wohl ökonomisch profilierteste unter den Euro-Klägern. Der an der Universität in Mainz promovierte Volkswirt hat Zeit seines Lebens im Spannungsfeld von wirtschaftspolitischer Praxis, Beratung und akademischer Forschung gearbeitet. Hankel startete seine berufliche Laufbahn bei der Bank deutscher Länder, dem Vorläufer der Bundesbank. Stationen im Entwicklungshilfeministerium und dem Auswärtigen Amt folgte die Arbeit als Chefökonom der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Seine wohl einflussreichte und wichtigste Position hatte Hankel als Leiter der Abteilung Geld und Kredit im Bundeswirtschaftsministerium unter Karl Schiller, wo er an der Entwicklung der Bundesschatzbriefe mitwirkte. Einem Ausflug an die Spitze der Hessischen Landesbank Anfang der Siebzigerjahre folgten Lehraufträge an den US-Eliteunis Harvard, der Georgetown University in Washington und Johns Hopkins University in Baltimore. Zugleich war Hankel Honorarprofessor für Währungs- und Entwicklungspolitik an der Universität Frankfurt.

Seine Argumente gegen den Euro trug Hankel mit Verve und intellektueller Schärfe vor. Euro-Befürworter hatten es schwer, in Diskussionsrunden gegen ihn zu bestehen. Den Euro betrachtete der in Königswinter beheimatete Ökonom als eine „verlorene Währung“. Die Währungsunion sei zu heterogen, als dass sie unter dem Dach einer gemeinsamen Geldpolitik prosperieren könne. Daher plädierte Hankel für die Rückkehr zu nationalen Währungen, die es den Notenbanken erlaubten, eine angemessene Geld- und Zinspolitik für ihr jeweiliges Land zu betreiben.

Die Existenz des Euro

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Hankel betrachtete die Existenz des Euro als eine Frage von Macht versus ökonomisches Gesetz. Der Euro sei gegen die Gesetze des Marktes eingeführt worden und werde allein durch politische Macht künstlich am Leben gehalten. Langfristig werden sich jedoch die ökonomischen Gesetze durchsetzen und der Euro wird scheitern.

Um den wirtschaftlichen Schaden möglichst gering zu halten, entwarf Hankel zuletzt ein Parallelwährungskonzept für Europa,  bei dem der Euro nicht ganz verschwindet. Der Euro bleibt als eine Art supranationale Währung und Verrechnungseinheit erhalten, mit der man auch im Supermarkt einkaufen kann. Parallel dazu sollten jedoch die nationalen Notenbanken eigene Währungen ausgeben, deren Wechselkurse gegenüber dem Euro frei schwanken. Deutschland würde zur D-Mark, Griechenland zur Drachme zurückkehren.

Das gebe den Krisenländern die Möglichkeit, durch die Abwertung ihrer Währungen ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Der Euro würde zu einer Art ECU II zurück gestuft, dem Währungskorb-Vorläufer des Euro im Europäischen Währungssystem.

Derzeit hoffen die Regierungen, dass ihnen eine so weitreichende Reform, wie sie Hankel aufgezeigt hat, erspart bleibt. Mit der Zusicherung, den Euro um jeden Preis zu retten,  hat die EZB der politischen Macht vorerst einen Punktsieg gegen die Kräfte der Ökonomie verschafft. Doch es könnte ein Pyrrhussieg sein. Denn die historischen Erfahrungen zeigen, dass sich die ökonomischen Gesetze a la longue nicht aushebeln lassen. Gut möglich, dass Europa eines nicht allzu fernen Tages doch noch auf die Ideen Hankels zurückgreifen wird.

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